„Die Zeiten der Visitenkarte sind vorbei“

Ein gut gepflegtes Profil auf LinkedIn ist heute für Manager*innen unerlässlich. Personen werden so zunehmend zu einer Marke. Dies können Unternehmen für ihre Kommunikation strategisch nutzen.

Albrecht Dürer ist vielleicht der erste Vertreter des Personal Brandings. Alle seine Zeichnungen, Bilder, Lithographien versah er mit dem charakteristischen „AD“. Die in besonderer Form gestalteten Initialen wurden so schon vor über 500 Jahren zu einem Markenzeichen.

In Zeiten von Social Media ist vor allem das Netzwerk LinkedIn zum Aushängeschild für moderne Führungspersönlichkeiten geworden. Eine barrierefreie und weitreichende Kommunikation hilft, ein professionelles Profil zu entwickeln, das durch bestimmte Inhalte geschärft wird. Unternehmen sollten dies als Mittel der strategischen Unternehmensführung und der Kommunikation nutzen. Der Kommunikationsexperte und Autor Markus Albers erklärt im Interview, was dabei zu beachten ist. 

Markus Albers

Personen auf Top-Level-Ebene gewinnen für Marken und Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Wie wichtig ist das Personal Branding in Social-Media-Kanälen speziell für Board-Mitglieder und Aufsichtsrät*innen?

Markus Albers: Jede Führungskraft, egal ob C-Level oder Aufsichtsrät*in, sollte heute aktiv am eigenen Personal Branding arbeiten. Es gibt mindestens zwei gute Gründe dafür: vor allem die strategische Kommunikation und Unternehmensführung. Und dann – als angenehmer Nebeneffekt – auch das Arbeiten an der eigenen Marke.

Welche strategischen Vorteile haben Unternehmen vom Personal Branding ihrer Führungskräfte?

Eine klarere, effizientere und effektivere Kommunikation und Unternehmensführung. Nehmen Sie zum Beispiel den ehemaligen Chef von Volkswagen, Herbert Diess. Er hat es geschafft, die Kommunikation über die umfassende Transformation des Automobilkonzerns über seinen eigenen LinkedIn-Kanal zu steuern. Auf LinkedIn hat er alle seine Zielgruppen eingenordet und über die veränderte Unternehmensstrategie informiert: Belegschaft, Investor*innen, potenzielle Mitarbeiter*innen, die Presse und natürlich auch Multiplikator*innen. So hat sich Volkswagen viel Kommunikation auf anderen Kanälen und Wegen sparen können, weil alle wesentlichen Informationen über den LinkedIn-Kanal von Herbert Diess zu bekommen waren. „Wir setzen auf E-Mobilität und Software.“ Die Botschaft war klar und unmissverständlich, sie wurde an alle Stakeholder auf demselben Kanal gesendet. Social Media ist heutzutage gerade für Führungskräfte also ein Mittel der strategischen Kommunikation und damit auch der Unternehmensführung.

Wenn das personalisierte LinkedIn-Profil zum Mittel der Unternehmenskommunikation wird, wie erreiche ich es, dass die Diskrepanz zwischen privaten Inhalten und Unternehmensinhalten nicht zu groß wird?

Man kann das mittlerweile schon ganz gut nach den unterschiedlichen Kanälen trennen. Facebook und Instagram spielen nur in der privaten Kommunikation eine Rolle. Private Fotos würde ich also dort posten, wenn ich das als Führungskraft überhaupt möchte. Für den professionellen Auftritt konzentriert sich alles auf LinkedIn. Andere Netzwerke spielen da so gut wie keine Rolle mehr. Das ist schon einmal ein wesentlicher Filter.

Wenn man einen LinkedIn-Kanal betreibt, dann bleibt es einem als Manager*in natürlich zunächst selbst überlassen, was und in welchem Umfang man postet. Aber: Die Erwartung an C-Levels ist doch, dass sie 100 Prozent ihrer Person und ihrer Energie in das Unternehmen einbringen, für das sie arbeiten. Damit beantwortet sich die Frage, ob man den persönlichen Kanal für Unternehmensthemen öffnet oder eher Privates postet. Eine*n CEO, der*die auf LinkedIn nur über sein*ihr Hobby Fahrrad fahren berichtet, fände ich schon sehr irritierend. Es geht also vornehmlich um die Themen, mit denen man operativ und strategisch für das Unternehmen befasst ist.

Wie viel Privates man dann noch hineinmischt, ist Geschmackssache. Ein bisschen sollte aber immer auch der Mensch durchscheinen, sonst wirkt alles zu glatt und zu professionell. So eine PR-Kommunikation könnte sich auf den Unternehmenskanal beschränken, dazu braucht es nicht den persönlichen.

Sollten die Kommunikationsabteilungen ihre Topentscheider*innen bei der Publikation auf den persönlichen Kanälen aktiv unterstützen?

Es gibt umfangreiche Expertise sowohl in den Unternehmen selbst als auch extern. Ich empfehle Führungskräften, solche Beratungsmöglichkeiten anzunehmen. Wahrscheinlich wird jede Organisation dies als gute Investition in schlagkräftige Kommunikation ansehen.

Viele Manager*innen können schon ganz gut mit LinkedIn umgehen, aber im Detail ergeben sich oft noch zahlreiche Fragen. Leider haben viele Führungskräfte kein Forum, in dem sie diese Fragen stellen können – ohne, dass ihnen das peinlich ist – und in dem sie praktische Antworten bekommen. Wie komme ich zu einer übergreifenden Themenplanung, was sind meine Ziele und Zielgruppen, wie sieht ein Redaktionsplan aus, wo finde ich überraschende Quellen, welche KPIs sind relevant – das sind die Fragen, die immer wieder aufkommen. Aber auch: Wie bewerten wir Reichweite und Engagement, welche und wie viele Hashtags setzt man ...

Bei diesen Fragen sind die Kommunikationsabteilungen der Unternehmen in der Regel schon sehr gut aufgestellt und sollten auch aktiv unterstützen. Hier empfiehlt es sich für Führungskräfte, entsprechende Ressourcen aktiv nachzufragen und – sollten sie nicht vorhanden sein – aktiv zu schaffen. Noch einmal das Beispiel Herbert Diess: Der hatte ein schlagkräftiges Team um sich, das ihn bei seinen LinkedIn-Aktivitäten unterstützt hat. Diess hat alle Inhalte freigegeben und das meiste auch selbst gemacht. Aber ein Video drehen Sie nicht eben mal allein – da braucht es Ressourcen, Budget, Commitment. Diess hat sich jeden Montag Zeit genommen, ausführlich mit seinem Team über LinkedIn zu sprechen.

Also müssen auch die Unternehmen dies als Teil ihrer Kommunikationsstrategie begreifen?

Ja. Solche Abstimmungen sind strategische Meetings. Diese Zeit muss man sich nehmen. Eine Stunde pro Woche ist da das Minimum. Das sollte wie jedes andere Meeting gründlich vor- und nachbereitet werden, inklusive Analytics und Reporting.

Besteht denn nicht die Gefahr, sich von den Reichweiten auf Social Media mitreißen zu lassen und zu viel zu posten oder sich in Themen zu verrennen, die am Ende wenig nützlich sind?

Diese Gefahr besteht tatsächlich immer dann, wenn man versucht, dies ganz allein zu bewältigen und sich keinen Rat einholt. Darum würde ich immer empfehlen, dass man die Content-Planung für diesen Kanal zusammen mit dem Kommunikationsteam professionell betreibt und sich auch das Feedback der Kolleginnen und Kollegen anhört, die vielleicht sagen „Bisschen viele Hashtags im letzten Post“. Es gibt auch harte KPIs, an denen man sieht, welche Posts gut performt haben. Keinesfalls sollte man aber solchen Kennziffern alle Aktivität unterordnen, nur das posten, was gut läuft – und womöglich gar noch aus Eitelkeit künstlich Reichweite erzeugen. Relevanz und Qualität sind wichtiger als imposante Zahlen. Im Fokus müssen immer aus der Unternehmensstrategie abgeleitete Kommunikationsziele stehen.

Was auch hilft, ist Benchmarking, also zu schauen: Was machen wir, was machen andere? Ein gutes Beispiel sind Satya Nadella und Microsoft. Auf dem LinkedIn-Kanal von Microsoft wird das neue Produkt beschrieben, Nadella ordnet es auf seinem Kanal ein, schlägt den großen Bogen: Warum ist das wichtig fürs Unternehmen, wo steht die Branche, welche gesellschaftlichen Konsequenzen entstehen? Von der Führungskraft muss diese Art von Thought Leadership kommen, keine simple Produkt-PR. So eine Interaktion der Inhalte auf den verschiedenen Kanälen muss dann auch klug orchestriert werden.

Wird das LinkedIn-Profil also in wenigen Jahren die einzige Referenz für Manager*innen sein?

Einzelne Social Networks sind mal mehr und mal weniger in Mode – ob LinkedIn so wichtig bleibt, kann keiner sagen. Die Bedeutung des digitalen Profils wird aber definitiv weiter zunehmen – Du bist, was andere über Dich ergoogeln – oder künftig: was die KI über Dich weiß. Die Zeiten, in denen man sich gegenseitig Visitenkarten in die Hand gedrückt hat, sind unwiederbringlich vorbei. Auch Lebensläufe schaut man sich beim Recruiting nicht mehr so intensiv an wie früher – denn sie sind statisch und sagen wenig über die Person aus. Heute macht mich vielmehr das LinkedIn-Profil als professionelle Person aus. Ich beobachte bei vielen Führungskräften, mit denen ich zu tun habe, ein großes Interesse, aber auch eine gewisse Unsicherheit, wie sie damit umgehen sollen. Das hat häufig einfach handwerkliche Hintergründe. Darum empfehle ich eben, dieses Thema professionell anzugehen. Planung, Ressourcen, Zeit zu investieren, sich auch persönlich damit zu beschäftigen. Das ist eine gute Investition, denn es wird als Mittel der Unternehmensführung auf jeden Fall wichtiger. Was ich als Führungskraft auf LinkedIn poste, lesen alle Stakeholder: Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Investor*innen, Partner*innen, Multiplikator*innen … Dieses Netzwerk ist darum ein hervorragender Kanal, um strategisch Themen zu setzen.

Zur Person

Markus Alberslebt als Autor, Berater und Unternehmer in Berlin: Er ist Executive Director Consulting bei der Marketing-Agentur C3 sowie Mitgründer des auf Digitalisierung spezialisierten Beratungsunternehmens Rethink.

Fotocredit: Patrick Desbrosses