Neue Finanzierungskonditionen – ein bisher wenig beachtetes Risiko für den Jahresabschluss?

In den Fragen zur Vorbereitung des Jahresabschlusses 2023 zeigt sich ein besonders sensibles Thema, das Unternehmen aller Branchen betrifft: die Neukonditionsfestsetzung für bestehende Finanzierungsverträge.

Mit der Verabschiedung und Umsetzung des IFRS 9 sind die Fragen zur Rechnungslegung in Bezug auf neu verhandelte und modifizierte Finanzierungsverträge (Modifikationen) in den Fokus der Fachdiskussionen gerückt. Infolge der Pandemie und des Ukrainekriegs wie auch des gestiegenen Zinsniveaus ist daraus ein nicht zu unterschätzendes Thema in der Praxis der Rechnungslegung geworden.

Modifikationen von Finanzierungsverträgen können auf der Aktivseite der Bilanz mit der Frage nach einer angemessenen Kreditrisikovorsorge und auf der Passivseite mit Fragen zur Veränderung des eigenen Bonitätsrisikos einhergehen, was die Bedeutung dieses Themas im Rahmen der Jahresabschlusserstellung und -prüfung deutlich erhöht.

Definition und Abgrenzung von Modifikationen in der nationalen und internationalen Rechnungslegung

Eine Modifikation ist gegeben, wenn ein Vertrag über einen finanziellen Vermögenswert oder eine finanzielle Verbindlichkeit nach Vertragsabschluss geändert wird. Modifikationen der vertraglichen Zahlungen sind nachträglich vereinbarte vertragliche Anpassungen, beispielsweise der Laufzeit, des Zinssatzes, der Währung oder der sonstigen Vertragsmodalitäten (z. B. zusätzliche Kündigungsrechte), welche sich auf die vertraglichen Zahlungen auswirken. Eine Modifikation der vertraglichen Zahlungen liegt auch dann vor, wenn eine Vertragsänderung nicht sofort, aber künftig Auswirkungen auf die Höhe oder den zeitlichen Anfall der vertraglichen Zahlungen haben kann, z. B. erstmalige Aufnahme oder Änderung von Kreditvereinbarungsklauseln, sogenannte Covenants. Es liegt keine Modifikation vor, wenn die Veränderung oder eine spätere Anpassung der vertraglichen Zahlungsströme bereits bei Vertragsabschluss im Vertrag, ggf. auch über Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, vereinbart war.

Modifikationen können markt- wie auch bonitätsbedingt erfolgen. Für die Abbildung der Modifikation in der Rechnungslegung selbst ist der Auslöser dafür grundsätzlich erst einmal unbeachtlich.

Modifikation in der handelsrechtlichen Rechnungslegung

Das HGB selbst enthält zur bilanziellen Abbildung von Modifikationen keine konkreten Vorgaben. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist damit auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung abzustellen.

In der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird für die Beantwortung der Frage, ob der ursprüngliche Vertrag bzw. die ursprüngliche Forderung/Verbindlichkeit weiterhin zu bilanzieren ist, auf die wirtschaftliche Identität des bisher bestehenden und des neu verhandelten Vertrags abgestellt: Dazu muss eine Beurteilung qualitativer und quantitativer Faktoren in Bezug auf eine qualitative Signifikanz anhand des dem Vertrag inhärenten Risikos erfolgen. Eine Modifikation der Bedingungen eines Kapitalüberlassungsverhältnisses, die den wirtschaftlichen Charakter des Kapitalüberlassungsverhältnisses nicht berührt, ist handelsbilanziell in diesem Sinn unbeachtlich. Per se stellen beispielsweise die neue Bestimmung einer längeren Laufzeit oder eines höheren Zinssatzes oder die Anforderung weiterer Sicherheitenstellungen keine Änderung der wirtschaftlichen Identität des Vertrags dar. Die wirtschaftliche Identität eines Vertrags wird geändert, wenn z. B. die Währung, auf welche dieser Vertrag lautet, oder der Nutzen bzw. die Funktion des Vertrags geändert werden.

Modifikation in der Rechnungslegung nach IFRS

IFRS 9 selbst regelt nur eine Vertragsmodifikation für finanzielle Verbindlichkeiten, nicht aber für finanzielle Vermögenswerte. Hier handelt es sich um eine Regelungslücke. Nach IAS 8.10 ist eine Regelungslücke durch die Entwicklung einer Rechnungslegungsmethode durch das Unternehmen zu schließen. Die auf der Aktivseite abzubildenden Modifikationen bei finanziellen Vermögenswerten verhalten sich spiegelbildlich zu den durch IFRS 9 auf der Passivseite geregelten Modifikationen bei finanziellen Verbindlichkeiten. Somit kann in Bezug auf die Modifikation finanzieller Vermögenswerte auf die Regelungen zu finanziellen Vermögenswerten zurückgegriffen werden.

Nach IFRS 9 wird zwischen substanziellen und nicht substanziellen Modifikationen unterschieden und daran anknüpfend Folgen für die Rechnungslegung bestimmt. IFRS 9 sieht für die Bestimmung einer substanziellen Vertragsänderung eine quantitative Prüfung, den sogenannten Barwerttest, vor. Weicht der Barwert der Zahlungsströme des modifizierten Vertrags um mindestens 10 Prozent vom Barwert der restlichen Zahlungsströme des ursprünglichen Vertrags ab, liegt eine substanzielle Modifikation vor.

Darüber hinaus sind nach IFRS 9 auch qualitative Indikatoren zu beurteilen. Beispiele für qualitative Indikatoren einer substanziellen Modifikation sind u. a. Schuldnerwechsel, Währungsänderungen oder vertragliche Änderungen, die zu einer Verletzung des Zahlungsstromkriteriums nach IFRS 9.41.1(b) führen.

Einzelne Indikatoren führen für sich genommen nicht zwingend zur Feststellung einer substanziellen Vertragsänderung. Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalls in einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. Das bedeutet, die einzelnen Indikatoren sind nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Qualitative Indikatoren können vielfältig sein, erfordern Ermessensentscheidungen und stellen nicht selten eine Herausforderung selbst für Bewertungsspezialist*innen dar.

Im Fall einer substanziellen Modifikation ist der bisher bestehende Vertrag aus- und der neu verhandelte Vertrag ergebniswirksam einzubuchen.

Im Fall der nicht substanziellen Modifikation ist der Bruttobuchwert des finanziellen Vermögenswerts oder der finanziellen Verbindlichkeit neu zu berechnen und ein Modifikationsgewinn oder -verlust im Periodenergebnis zu erfassen.

Modifikationen können mit Wertberichtigungen einhergehen

Vertragsmodifikationen können eine Maßnahme aufgrund einer festgestellten Bonitätsschwäche eines Schuldners sein. In solch einem Fall gehen Wertberichtungen mit einer gegebenenfalls abzubildenden Modifikation einher. Bei bonitätsinduzierten Vertragsmodifikationen ist zu erwarten, dass es zu einer Bildung oder Erhöhung des Wertberichtigungsaufwands im HGB-Abschluss kommt und sich der Vermögenswert mindestens in der Wertberichtigungsstufe 2 des „Expected Credit Loss“-Modells nach IFRS 9 befindet und somit eine signifikante Verschlechterung der Bonität stattgefunden hat. Wenn bisher noch keine Wertberichtigungen im HGB-Abschluss gebildet wurden oder sich ein Vermögenswert (sogar noch) in Wertberichtigungsstufe 1 des „Expected Credit Loss“-Modells nach IFRS 9 befindet, aber eine bonitätsbedingte Neuverhandlung erfolgt, bedarf es in jedem Fall einer besonderen Begründung, warum bisher keine Wertberichtigungen gebildet wurden bzw. weshalb die Wertberichtigungsstufe 1 als noch angemessen beurteilt wird. Modifikationen können ein objektiver Hinweis auf eine Wertminderung sein, was zu Wertberichtigungen und Abschreibungen bzw. nach IFRS zu einem Ausweis des finanziellen Vermögenswerts in der Wertberichtigungsstufe 3 führt.

Modifikationen – sensible Informationspflichten in Anhang und Lagebericht

Änderungen von Finanzierungsverträgen können sich in der Anhang- und Lageberichterstattung niederschlagen, so beispielsweise in aktuellen Fällen in der Berichterstattung über die Stellung oder Verfügung von Sicherheiten sowie die Liquiditätslage. In einer Vielzahl aktueller Fälle führten Modifikationen zu neuen oder höheren Sicherheitenstellungsanforderungen und der Aufnahme von Kreditbedingungen zur Überwachung und Sicherstellung der Liquidität. Liquiditätsrisiken können auch aus ggf. in Finanzierungsverträgen neu aufgenommenen Vertragsbestandteilen resultieren, welche strenge Liquiditätsanforderungen, verbunden mit einer Verschlechterung der Konditionen oder der vorzeitigen Rückzahlung der Finanzierungsmittel, vorsehen. Gleichfalls können Nachforderungen von Sicherheiten, beispielsweise in Form von Barsicherheiten, die Liquiditätssteuerung beeinträchtigen.

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