BFH: Keine teleologische Reduktion im Fall von Sondervergütungen an nicht der Gewerbesteuer unterliegende Mitunternehmer

Mit Urteil vom 9. März 2023 (IV R 25/20) hat der BFH entschieden, dass die sog. erweiterte Kürzung auch dann ausgeschlossen ist, wenn ein Gesellschafter Sondervergütungen erhält und nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Damit hat der BFH den in der steuerlichen Literatur bestehenden Streit, ob in diesen Fällen § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG teleologisch zu reduzieren ist, erstmals zu Ungunsten des Steuerpflichtigen entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, deren Gesellschaftszweck die Verwaltung von eigenen Grundstücken, Gebäuden und grundstücksgleichen Rechten war. Als Kommanditist war – neben der C-GmbH – die natürliche Person B beteiligt.

Bei der Klägerin waren im Streitjahr durch Stehenlassen entnahmefähiger Gewinnanteile der Gesellschafter positive zu verzinsende Konten entstanden. So wurden im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2016 unter den sonstigen Verbindlichkeiten „Gesellschafter-Darlehen“ mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr ausgewiesen. Die darauf entfallenden Zinsen wurden in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht gesondert ausgewiesen, sondern waren in der Summe der Zinsaufwendungen enthalten.

Die Klägerin erfasste die Zinsen („Verzinsung Gesellschafterdarlehen“) als Sonderbetriebseinnahmen in Sonderbilanzen der Kommanditisten bzw. in einer „Ergänzungsbilanz“ der Komplementärin. Das beklagte Finanzamt bezog die Verzinsung der Darlehenskonten nicht in die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ein, sondern qualifizierte sie als Vergütung i. S. von § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG.

Der hiergegen gerichtete Einspruch und die erstinstanzliche Klage hatten keinen Erfolg.

Der BFH wies die hiergegen eingelegte Revision der Klägerin nunmehr als unbegründet zurück.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des BFH hat die Vorinstanz zu Recht entschieden, dass die im Streitfall gezahlten Sondervergütungen an die Gesellschafter nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG aus der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausscheiden. Nach dieser Vorschrift ist die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG ausgeschlossen, soweit der Gewerbeertrag Vergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG enthält, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat.

Die streitgegenständlichen Darlehenszinsen stellen – so der BFH – Sondervergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG für die Hingabe von Darlehen dar und unterfallen damit § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG.

Dabei hält der erkennende Senat § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG auch dann für einschlägig, wenn der Vergütungsempfänger – wie vorliegend der Kommanditist B – nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Der BFH stützt dies insbesondere auf den Wortlaut der Norm, wonach die Vorschrift dem Wortlaut nach nicht verlangt, dass der Gesellschafter als Vergütungsempfänger der Gewerbesteuer unterliegt. Zu einem anderen Ergebnis kommt der Senat auch nicht im Wege einer teleologischen oder systematischen Auslegung.

Insbesondere sei § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG – entgegen der überwiegenden Literaturmeinung – nicht teleologisch zu reduzieren, wenn der Gesellschafter nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Insofern fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke:

Zwar lagen der Einfügung der Norm durch das JStG 2009 Gestaltungen zugrunde, in denen der Vergütungsempfänger der Gewerbesteuer unterfiel und nur deshalb Gesellschafter der Personengesellschaft wurde, um die Gewerbesteuerbarkeit der Vergütungen umgehen zu können (insb. die sog. Bankenbeteiligungsmodelle). Der Gesetzgeber wollte aber – wie der BFH weiter ausführt – nicht ausschließlich diese Gestaltung verhindern (BT-Drucks. 16/11108, S. 31), sondern „insbesondere“. Dementsprechend habe der Gesetzgeber den Tatbestand des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG nicht auf diesen Fall beschränkt, sondern Sondervergütungen der Gesellschafter ganz allgemein von der erweiterten Kürzung ausgenommen.

Für eine teleologische Reduktion sei daher kein Raum.

Bedeutung für die Praxis

Erfreulich ist, dass der BFH einen in der steuerrechtlichen Literatur bestehenden Streit erstmals entschieden hat. Gleichwohl überrascht das Ergebnis: Eine missbräuchliche Vermeidung von Gewerbesteuer ist bei der Beteiligung eines nicht der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschafters einer Personengesellschaft nicht denkbar. Dass der Wortlaut diesbezüglich nicht unterscheidet und die Gesetzesbegründung davon spricht, dass „insbesondere“ gewisse missbräuchliche Gestaltungen vermieden werden sollten, spricht u. E. nicht gegen die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion.

Die Entscheidung des BFH hat gleichwohl Bestand. Dabei ist zu erwarten, dass die Entscheidung zeitnah im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird und damit für die Finanzverwaltung bindend wird.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.