Wegzugsbesteuerung – Auswanderungen in die Schweiz unter Berücksichtigung des Freizügigkeitsabkommens

Mit Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. September 2023 (I R 35/20) hatte dieser darüber zu entscheiden, ob auch bei Wegzügen in die Schweiz eine in Deutschland festgesetzte Wegzugsteuer nach alter Rechtslage dauerhaft und zinslos zu stunden ist. Unter Berücksichtigung des sog. Freizügigkeitsabkommens ist die Wegzugsteuer (§ 6 AStG a. F.) auch bei einem Wegzug in die Schweiz – entgegen der damaligen Gesetzesfassung – dauerhaft und zinslos zu stunden.

Das Urteil erging als Folgeurteil zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Februar 2019 (C 581/17) in der Rechtssache Wächtler.

Sachverhalt

Der Kläger verzog im Jahr 2011 in die Schweiz und war seitdem dort wohnhaft. Zum Zeitpunkt des Wegzugs hielt der Kläger eine Beteiligung i. H. v. 50 Prozent an einer deutschen GmbH und löste somit beim Wegzug in die Schweiz die deutsche Wegzugsbesteuerung (§ 6 Abs. 1 AStG a. F.) aus. Das Finanzamt setzte daraufhin einen fiktiven steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn auf die GmbH-Beteiligung fest. Entgegen den Regelungen bei Wegzügen in einen EU-/EWR-Staat fand die sog. Ewigkeitsstundung auf die festgesetzte Wegzugsteuer (§ 6 Abs. 5 AStG a. F.) bei Wegzügen in die Schweiz (Drittstaat) keine Anwendung. Der Kläger wandte sich gegen den Einkommensteuerbescheid, da die Besteuerung nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz vereinbar sei. Durch die fehlende Regelung zur Ewigkeitsstundung im Verhältnis zur Schweiz sei eine Person ggf. davon abgeneigt, in die Schweiz zu verziehen, und somit in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt.

Der Ansicht des Klägers folgte der BFH in seiner Urteilsentscheidung. Somit war entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch beim vorliegenden Wegzug in die Schweiz die Wegzugsteuer von Amts wegen dauerhaft und zinslos zu stunden.

Hintergrund

Die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) greifen u. a., wenn eine natürliche Person mit Kapitalgesellschaftsanteilen von mindestens einem Prozent unter Aufgabe ihrer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in einen ausländischen Staat verzieht. Für Wegzüge vor dem 1. Januar 2022 wurde bei einem Wegzug in einen EU-/EWR-Staat die festgesetzte Steuer von Amts wegen dauerhaft, zinslos und ohne Sicherheitsleistung gestundet (sog. Ewigkeitsstundung). Bei Wegzügen in Drittstaaten kam allenfalls eine Ratenzahlung der festgesetzten Wegzugsteuer in Betracht.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des BFH ist aufgrund der seit dem 1. Januar 2022 geltenden neuen Rechtslage nur für Wegzüge in die Schweiz bis zum 31. Dezember 2021 relevant. Wurde bei einem Wegzug in die Schweiz eine Wegzugsteuer festgesetzt und diese Steuer bereits gezahlt, ist die gezahlte Wegzugsteuer rückwirkend zu stunden bzw. der bereits gezahlte Betrag zu erstatten.

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Autor

Marcus Repp

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.