Die Neuregelung ist verfassungsrechtlich angezählt – das Ende der Grundsteuer?

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat am 23. November 2023 in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (V 1295/23 und 4 V 1429/23) zu den Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden.

Hintergrund

Der Bundestag und Bundesrat haben Ende 2019 einem Gesetzespaket aus Grundgesetzänderung sowie Änderung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts mit einer Option für die Gemeinden für eine sog. Grundsteuer C zugestimmt. Die wichtigste Neuerung ist die sog. Länderöffnungsklausel, die im Grundgesetz verankert wurde. Somit können die Bundesländer die Grundsteuer abweichend vom Bundesrecht z. B. durch Anwendung eines wertunabhängigen Modells gesondert regeln, wovon drei Länder Gebrauch gemacht und eigene Modelle verabschiedet haben.

Das Grundsteuergesetz sieht im Bundesmodell (weiterhin) vor, dass an den Wert des Grundstücks angeknüpft wird – nunmehr zu den Wertverhältnissen zum 1. Januar 2022. Die Neuregelung beinhaltet neben dem Ansatz der pauschalierten Mieten im Ertragswertverfahren und pauschalierten Herstellungskosten im Sachwertverfahren hinsichtlich des Grund und Bodens ein Anpassungsverbot der Bodenrichtwerte, sodass objektspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt werden dürfen. Wie bisher wird die jeweilige Grundsteuerzahllast ermittelt durch Multiplikation des Grundbesitzwertes mit der Grundsteuermesszahl und dem individuellen Grundsteuerhebesatz. Letzterer wird im Laufe des Jahres 2024 von den Gemeinden bekannt gegeben und gilt ab 2025.

Das FG hat in seinen Beschlüssen vom 23. November 2023 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bundesmodells geäußert.

Inhalt des Beschlusses

Der Bodenrichtwert ist ein wesentlicher Faktor für die Bestimmung des Grundsteuerwerts. Er wird von den Gutachterausschüssen der Länder ermittelt, die jedoch unterschiedliche Methoden und Daten verwenden. Dadurch entstünden erhebliche Schwankungen und Ungenauigkeiten bei den Bodenrichtwerten, die zu einer Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen führten. Hierbei hat das FG ernstliche Bedenken bezüglich der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse geäußert, weil nach der rheinland-pfälzischen Gutachterausschussverordnung Einflussnahmemöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden könnten.

Das FG führt des Weiteren an, dass die Unzulässigkeit des Nachweises, dass der tatsächliche Verkehrswert niedriger ist, gegen das Verfassungsrecht verstößt. Dies leitet das FG aus einer verfassungskonformen Auslegung des Bewertungsrechts ab, da anderenfalls aufgrund der nahezu vollständig typisierten Besteuerung erhebliche Härten entstehen könnten.

Bedeutung der Beschlüsse für den Steuerzahler

Das aktuelle Vorgehen sah in der Praxis bisher so aus, dass gegen jeden Grundsteuerbescheid und gegen jeden Grundsteuermessbescheid Einspruch eingelegt werden sollte, überwiegend mit dem Ziel, diese Einspruchsverfahren ruhen zu lassen, bis in (wenigen) Musterverfahren die vorgenannten Bedenken geklärt sind.

Nunmehr kann durch die Beschlüsse des FG ernsthaft in Erwägung gezogen werden, neben dem Verfahren in der Hauptsache (Einspruch oder Klage) auch eine Aussetzung des Verfahrens beziehungsweise Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Ein solcher Antrag ist wie in den entschiedenen Fällen jedenfalls dann Erfolg versprechend, wenn konkrete Hinweise vorliegen, dass im Einzelfall eine besondere Wertabweichung vorliegt. Dies würde bedeuten, dass, sofern es bis zum Jahr 2025 keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerregelung gibt, die Steuer nicht gezahlt werden muss.

In zwei weiteren Verfahren für die Ländermodelle Bayern (FG Nürnberg, Beschluss vom 8. August 2023 – 8 V 300/23) und Sachsen (FG Sachsen Urteil vom 24. Oktober 2023, 2 K 574/23) vertraten die Finanzgerichte eine andere Auffassung. Danach sei das Ländermodell für Bayern nicht verfassungswidrig, da dem Gesetzgeber eine weite Typisierungskompetenz zustehe. Das FG Sachsen vertritt in seinem Urteil die Auffassung, dass das Bundesmodell nicht verfassungswidrig sei. Insbesondere geht es auf die vom FG aufgegriffenen Punkte nur kurz ein und kommt zu dem Schluss, dass die getroffenen Regelungen sämtlich von dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt seien.

Diese im Ergebnis sehr verschiedenen Entscheidungen verdeutlichen unseres Erachtens die Notwendigkeit, dass das Grundsteuerrecht durch das Bundesverfassungsgericht überprüft wird, um – jedenfalls für das Bundesmodell – eine in allen Ländern einheitliche Behandlung sicherzustellen. Es ist daher zu empfehlen, weiterhin Einspruch gegen die Grundsteuerbescheide aufgrund drohender Verfassungswidrigkeit einzulegen. Ob es darüber hinaus sinnvoll ist, auch die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, bleibt u. E. eine Frage des Einzelfalls. Nicht zuletzt sowohl aufgrund der Komplikationen, die sich hier für die Weiterbelastung der Grundsteuer bei Mietern und Pächtern ergeben, als auch im Hinblick auf die Verzinsung des ausgesetzten Betrages in Höhe von sechs Prozent p. a. sollte ein Antrag wohlüberlegt sein.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autorin

Julia Wunderlich
+49 30 208 88 1953

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.