BFH-Urteil zur gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung von Mieten für Mehrwegbehältnisse im Handel

Eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mieten für Mehrwegbehältnisse scheidet aus, wenn das Vertragsverhältnis neben der Gebrauchsüberlassung auch umfangreiche Werk-, Dienstleistungs- und Transportvertragselemente enthält und das Mietvertragselement dem gesamtvertraglichen Leistungsbündel nicht das Gepräge gibt. Hingegen unterliegen Entgelte für die Gebrauchsüberlassung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Wird hingegen im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung wiederholt ein bestimmter Typ von sog. Mehrwegsteigen (Gemüsekisten) angemietet, unterliegen die Entgelte der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung (Annahme von sog. fiktivem Anlagevermögen).

Hintergrund

Für Zwecke der Gewerbesteuer ist gemäß § 8 Nr. 1 d) GewStG ein Viertel aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, dem Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) wieder hinzuzurechnen. Voraussetzung ist, dass diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt wurden (Aufwand) und aus einem Miet- oder Pachtverhältnis i. S. d. bürgerlichen Rechts (§§ 535 ff. BGB) stammen. Enthält eine Vereinbarung wesentliche miet- oder pachtfremde Elemente, kommt es darauf an, ob mehrere trennbare Hauptpflichten vorliegen oder ob die Hauptpflichten miteinander verschmelzen und damit ein Vertrag eigener Art gegeben ist.

Entscheidung des BFH

In dem der Entscheidung des BFH vom 1. Juni 2022 (IIII R 56/20) zugrunde liegenden Fall nutzte die Klägerin, die Obst- und Gemüseprodukte vertrieb, sog. Mehrwegsteigen (Gemüsekisten), die ihr von zwei Lieferanten entgeltlich zur Nutzung überlassen wurden. Der erste Lieferantenvertrag regelte umfassend die Verwendung eines Pools von Steigen, Bigboxen und Poolpaletten für den mehrmaligen Gebrauch und sog. Systemleistungen, wie den Transport der leeren Steigen zum Erzeuger sowie deren Rücktransport vom Einzelhandel, die Müllentsorgung, Sortierung, Reparatur und Reinigung der Steigen sowie deren Zwischenlagerung. Der zweite (mündliche) Lieferantenvertrag regelte lediglich die Zurverfügungstellung der Steigen (nutzungsbereite Überlassung). Die Mehrwegsteigen waren i. d. R. ein bis drei Tage im Umlauf.

Der BFH entschied, dass gezahlte Entgelte im Rahmen eines ,,Voll-Logistik-Konzepts“ keine nach § 8 Nr. 1 d) GewStG hinzuzurechnenden Miet- und Pachtzinsen seien. Voraussetzung sei jedoch, dass ein umfassender Vertrag bestehe und die Mietvertragselemente des Vertrags nicht die prägende Komponente darstellten. Im konkreten Fall machte das Mietvertragselement kalkulatorisch lediglich ca. 14 % des Gesamtentgelts des ersten Lieferantenvertrags aus.

Dahingegen stellen Gebühren für die reine Gebrauchsüberlassung von Mehrwegbehältnissen ein hinzuzurechnendes Entgelt i. S. d. § 8 Nr. 1 d) GewStG dar. Laut dem BFH kann ein Gegenstand auch dann dem fiktiven Anlagevermögen zugeordnet werden, wenn sich das Miet- und Pachtverhältnis nur auf Stunden oder Tage erstreckt. Entscheidend sei im vorliegenden Fall, dass die Steigen vom selben Geschäftspartner nicht nur gelegentlich bezogen, sondern permanent rotierend zur Verfügung gestellt wurden.

Bedeutung für die Praxis

Der Fall zeigt, dass sich bei der wiederholten kurzfristigen Überlassung gleichartiger und somit austauschbarer beweglicher Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung vor allem dann vermeiden lässt, wenn neben der Gebrauchsüberlassung umfangreiche Zusatzleistungen vereinbart werden, aufgrund derer der Gesamtvertrag nicht als Mietvertrag, sondern als Vertrag eigener Art zu qualifizieren ist.

Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Beurteilung von Leistungsbündeln ist daher deren vertragliche Ausgestaltung. Eine genaue Beurteilung beim Abschluss von Voll-Logistik-Verträgen sollte auch die tatsächliche Kostengewichtung bzw. Aufteilung beinhalten. Übersteigen, wie im vom BFH entschiedenen Fall, bspw. die auf Transport- und Depotdienstleistungen entfallenden Kosten die reinen Leergutkosten, die das Mietvertragselement betreffen, handelt es sich nicht um Miet- oder Pachtzinsen i. S. d. § 8 Nr. 1 d) GewStG. Neben kaufmännischen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Kauf oder Mietverhältnis vorteilhafter ist, sollte auch dieses Kriterium in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Ferner enthält die Entscheidung weitere „Schärfungen“ zum Begriff des fiktiven Anlagevermögens. Die Definition für Anlagevermögen, wonach es „dauernd“ dem Geschäftsbetrieb dient, ist nicht im Sinne von ,,für alle Zeiten“ zu verstehen, sondern dass die Wirtschaftsgüter für den Gebrauch im Betrieb dauerhaft benötigt werden. Im vorliegenden Fall wurde eine nur punktuelle Benötigung verneint, da stets derselbe Steigentyp überlassen wurde und eine dauerhafte Lieferbeziehung bestand.

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Autor

Philipp H. Canisius
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.