Lesen Sie mehr zu folgenden Themen: +++ FG Rheinland-Pfalz: Die nachträglichen Einkünfte einer nicht mehr bestehenden
ausländischen Betriebsstätte werden im Betriebsstättenstaat besteuert +++ Mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten möglich +++ Veränderungen durch das Inkrafttreten des Zollkodex der Europäischen Union zum 01.05.2016 und Auswirkungen auf die Verrechnungspreisdokumentation +++

FG Rheinland-Pfalz: Die nachträglichen Einkünfte einer nicht mehr bestehenden ausländischen Betriebsstätte werden im Betriebsstättenstaat besteuert

Mit Urteil vom 16.09.2014 (5 K 1717/13) hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass der Gewinn aus der Auflösung einer Rückstellung, die für die Tätigkeit einer nicht mehr bestehenden ausländischen Betriebsstätte gebildet worden war, aufgrund des Veranlassungsprinzips der Betriebsstätte zuzurechnen ist und somit der Besteuerung im Betriebsstättenstaat unterliegt.

 Die Klägerin unterhielt in Belgien eine Betriebsstätte, die im Jahr 2000 aufgelöst worden war. Das Finanzamt war der Ansicht, dass Aktiva und Passiva der Betriebsstätte nach der Auflösung der Betriebsstätte dem Stammhaus zuzurechnen seien. Mangels einer im Zeitpunkt der Auflösung der Rückstellung in Belgien bestehenden Betriebsstätte sei der entstandene Ertrag somit der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte einer aufgelösten Betriebsstätte dem ehemaligen Betriebsstättenstaat zusteht und demnach die Erträge in Deutschland von der Besteuerung freizustellen sind.

Der BFH hatte bereits in einem Urteil vom 28.10.2009 (I R 99/08) entschieden, dass das Besteuerungsrecht für nachträglich entstandene Erträge aus der Aufdeckung stiller Reserven einer vormaligen Betriebsstätte beim Betriebsstättenstaat verbleibt. Nach Auffassung des BFH (Urteil vom 26.02.2014, I R 56/12) sind auch vorweggenommene Aufwendungen im Zusammenhang mit einer später noch zu errichtenden Betriebsstätte dieser Betriebsstätte zuzurechnen. Unter Bezugnahme auf die BFHRechtsprechung übertrug das FG diese Grundsätze auf den Streitfall und vertrat die Auffassung, dass nicht ein zeitlicher, sondern ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Betriebsstätte auf der Grundlage des Veranlassungsprinzips für die Zuordnung von Einkünften entscheidend sei. Insbesondere treffe das in Art. 7 DBA Belgien verankerte Betriebsstättenprinzip keine Aussage dazu, nach welchen Kriterien die Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte vorzunehmen sei.

Das Urteil ist im Hinblick auf die konsequente Auslegung des Veranlassungsprinzips zu begrüßen. Das FG folgt damit der bestehenden BFH-Rechtsprechung und widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, die bei Outbound-Fällen nachträgliche Einkünfte dem inländischen Stammhaus zurechnet. Zu beachten ist, dass das beklagte Finanzamt gegen das Urteil Revision beim BFH eingelegt hat (I R 75/14).

Mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten möglich

Der BFH hatte in seinem Urteil IV R 30/11 vom 05.11.2014 darüber zu entscheiden, ob eine Gesellschaft mehrere Orte der Geschäftsleitung haben kann. Der Ort der Geschäftsleitung ist im Steuerrecht sehr wichtig, da viele steuerrechtliche Vorschriften daran anknüpfen. So ist beispielsweise nach § 1 Abs. 1 KStG eine Körperschaft in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Nach § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dieser bestimmt sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Grundsätzlich ist der Ort der Geschäftsleitung dort, wo die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten. Dies kann praktisch überall sein, z.B.in den Geschäftsräumen der Gesellschaft, am Wohnsitz des Geschäftsführers, am Sitz von Kunden, die regelmäßig aufgesucht werden.

Bislang ist der BFH davon ausgegangen, dass der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung sich nur an einem Ort befinden kann. In dem aktuellen Urteil IV R 30/11 kommt er jetzt zu einer anderen Auffassung. Sofern mehrere Orte der Geschäftsleitung in Betracht kommen, ist nach Ansicht des BFH zunächst eine Gewichtung der Tätigkeiten vorzunehmen und damit der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung zu bestimmen. Falls aber mehrere Personen gleichwertige Geschäftsführungsaufgaben von verschiedenen Orten aus wahrnehmen, sei eine Gewichtung nicht möglich und es beständen dann mehrere Orte der Geschäftsleitung. In dem zu entscheidenden Fall war die Frage nach dem Ort der Geschäftsleitung von Bedeutung für die Zerlegung der Gewerbesteuer einer Gesellschaft auf einzelne Gemeinden. Über die Gewerbesteuerzerlegung hinaus kann das Urteil aber auch Folgen für ausländische Gesellschaften haben. Hat beispielsweise eine GmbH ihren Sitz in Wien (Österreich) und zwei Geschäftsführer, wobei der eine Geschäftsführer seinen Wohnsitz ebenfalls in Wien und der andere Geschäftsführer seinen Wohnsitz in München (Deutschland) hat, kann die österreichische GmbH in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig werden, wenn beide Geschäftsführer jeweils von ihrem Wohnsitz aus gleichwertige Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen. Um Schwierigkeiten in Bezug auf die Bestimmung des Ortes der geschäftlichen Oberleitung zu vermeiden, sollten die jeweiligen Geschäftsführeraufgaben eindeutig definiert werden. Darüber hinaus sollte stets dokumentiert werden, wo konkret wichtige Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen werden.

Veränderungen durch das Inkrafttreten des Zollkodex der Europäischen Union zum 01.05.2016 und Auswirkungen auf die Verrechnungspreisdokumentation

Die Europäische Kommission hat in Zusammenarbeit mit dem Rat das Inkrafttreten des Zollkodex der Europäischen Union, Verordnung 952/13 (im Folgenden neue Fassung ZK VO), mit Wirkung vom 09.10.2013 auf den 01.05.2016 festgelegt. Dieser wird die bis dato gültige Verordnung über den Zollkodex der EWG 2913/92 (im Folgenden alte Fassung ZK VO) ebenso wie die Verordnungen (EWG) 3925/91 und (EG) 1207/2001 und 450/2008 ablösen. Er soll eine weitgehende Vereinheitlichung der europäischen Zollpolitik gegenüber Drittländern nach sich ziehen. Dies soll durch eine Straffung und Vereinfachung der zollrechtlichen Verfahren erfolgen. Des Weiteren soll die so geschaffene innereuropäische Rechtssicherheit den nationalen Zollbehörden als auch den importierenden Unternehmern gleichermaßen zugutekommen. Insbesondere der Fokus auf die stärkere Verwendung des Titels „zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“ dürfte zu effizienteren Verfahren führen.

Als Verordnung der Europäischen Union wird die ZK VO n.F. auch in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit entfalten.

Im unmittelbaren Spannungsfeld zwischen Zollrecht und dem Recht der Verrechnungspreise steht die Zollwertermittlung. Vorrangig erfolgt diese nach aktueller und zukünftiger Gesetzeslage im Wege der Transaktionswertmethode, gemäß Art. 29 Abs. 1 ZK VO a.F. bzw. Art. 70 Abs. 1 ZK VO n.F. Hierbei wird angenommen, dass der durch den Käufer zu zahlende Preis dem tatsächlich gezahlten Preis bzw. dem noch zu zahlenden Preis entspricht. Die Konkurrenz zwischen Zollbehörden und Finanzaufsicht wird deutlich: Die Steuerbehörden sind zur Vermeidung von verdeckten Gewinnausschüttungen ins Ausland bei Einfuhrlieferungen an niedrigen Preisen interessiert, die Zollbehörden zur Maximierung des Zollwertes an hohen Einfuhrpreisen.

Die alte und neue Fassung des Zollkodex unterscheiden sich besonders in der Ausformulierung der Anforderungen an eine erforderliche Anpassung. Während Art. 29 ZK VO a.F.auf die Art. 31, 32 ZK VO a.F.verweist und hierdurch eindeutig der Handlungsspielraum der Zollbehörden eingeschränkt wird, wird in Art. 70 ZK VO n.F. lediglich auf „(…) de(n) zu zahlende(n) Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist“ verwiesen, ohne einen Verweis darauf, was diese Anpassung erforderlich macht.

Insbesondere im Fall der verbundenen Unternehmen ist besondere Vorsicht geboten. Denn beeinflusst diese Verbindung die Preisbildung negativ, so wird der Preis von der Zollbehörde anhand von Vergleichsdaten festgelegt. Die Bestimmung der Schädlichkeit einer solchen Verbindung wird durch die ZK VO n.F.erleichtert, da auf eine genaue Beschreibung dessen, was die Verbindung preisschädigend macht, verzichtet wird.

Insgesamt ist zu beobachten, dass den Zollbehörden ein erweiterter Spielraum eingeräumt wird. Deshalb ist es für jede international agierende Unternehmensgruppe ratsam zu versuchen, den Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten zu erlangen.

Hierbei handelt es sich um einen von den mitgliedstaatlichen Behörden verliehenen Titel, den Unternehmen erhalten, wenn sie die Zollbestimmungen in der Vergangenheit eingehalten haben, eine zufriedenstellende Geschäftsbuchhaltung besitzen und zahlungsfähig sind. Des Weiteren muss ein standardisierter Fragenkatalog ausgefüllt und bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Da dieser zum Teil mit der Sachverhaltsdokumentation gemäß § 4 GAufzV übereinstimmt, ist eine Abstimmung mit dieser essenziell.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

Sie reichen von geringeren Informationspflichten über bessere Informierung über geplante Warenkontrollen seitens der Zollbehörden bis zu verminderten Überprüfungen der ex- oder importierten Waren sowie zur Selbstkontrolle durch den zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten.

Insofern stellt die ab 01.05.2016 geltende Verordnung insbesondere für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte eine Chance dar, sie birgt aber auch Risiken für alle anderen Exund Importeure, da der Handlungsspielraum der Zollbehörden vergrößert wird.