Gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2c GrEStG (Börsenklausel)

Die obersten Finanzbehörden der Länder veröffentlichen mit Datum vom 4. Oktober 2022 Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG.

Hintergrund

Gemäß § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor, wenn innerhalb von zehn Jahren 90 % oder mehr der Anteile an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen.

Mit dem zum 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) wurde u. a. in § 1 Abs. 2c GrEStG eine sog. Börsenklausel eingeführt. Danach bleiben bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i. S. v. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften außer Ansatz, wenn die Anteile zum Handel an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG (EU/EWR-Raum) oder einem von der EU-Kommission als gleichwertig anerkannten Drittlandhandelsplatz zugelassen sind und der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an einem solchen Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem (MTF) i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der EU-Verordnung Nr. 600/2014 erfolgt.

Eckpunkte der Gleich lautenden Erlasse

  • Die Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG kommt sowohl in Betracht, wenn Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmittelbar übergehen, als auch, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft übergehen, die an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.
  • Unter § 1 Abs. 2c GrEStG fallende Kapitalgesellschaften sind Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften, deren Anteile an Wertpapierhandelsplätzen zugelassen werden können. Dabei werden nur solche Anteile erfasst, die zum Handel an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder einem gleichwertigen Drittlandhandelsplatz zugelassen sind. Multilaterale Handelssysteme (MTF), z. B. der Freiverkehr i. S. d. § 48 BörsenG, stellen keinen organisierten Markt dar. Aktuell als gleichwertig anerkannte Drittlandhandelsplätze sind nur geregelte Märkte mit Sitz in den USA, Hongkong und Australien. Die Börsen in der Schweiz und im Vereinigten Königreich sind derzeit nicht als gleichwertiger Drittlandhandelsplatz anerkannt.
  • Ein nach § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigter Anteilsübergang muss aufgrund eines Geschäfts über einen organisierten Markt, einen gleichwertigen Drittlandhandelsplatz oder ein multilaterales Handelssystem (MTF) erfolgen. Als Beispiele für in der Regel nicht über einen begünstigten Wertpapierhandelsplatz erfolgende Geschäfte werden die erstmalige Ausgabe von Anteilen einer Kapitalgesellschaft bei Börsengang (IPO), die Ausgabe neuer Anteile aufgrund einer Kapitalerhöhung sowie die Wertpapierleihe, -darlehen und -pensionsgeschäfte aufgezählt.

Die Erlasse sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Praxishinweis

Die kurz gehaltenen Ländererlasse bieten nur grundsätzliche Orientierung und wenig Neues. Der Anwendungsbereich der Börsenklausel ist eng und benötigt in der Praxis ein Monitoring der Anteilsbewegungen börsennotierter Unternehmen. Aufgrund der Anwendung auf Anteilsübertragungen vor dem 1. Juli 2021 kann im Einzelfall auch eine Überprüfung bereits abgeschlossener Vorgänge erforderlich sein.

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Autor

Eike Christian Horsch
+49 221 28 20 2578

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.