Anpassung des Zinssatzes bei Steuernachforderungen und Steuererstattungen

Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für Veranlagungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 verfassungswidrig (Beschluss vom 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17).

Das bisherige Recht (0,5 % pro vollem Monat – 6 % pro Jahr) ist aber für Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 weiterhin anwendbar.

Geplante Neuregelung zur Vollverzinsung

Der Gesetzgeber ist aufgrund des vorgenannten Urteils verpflichtet, für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 bis zum 31. Juli 2022 rückwirkend eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Vom Bundeskabinett wurde dazu am 30. März 2022 ein Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung beschlossen. Am 12. Mai 2022 erfolgte die erste Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag.

Vorgesehen ist, dass der Zinssatz zukünftig 0,15 % pro vollem Monat (1,8 % pro Jahr) beträgt und unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes wenigstens alle drei Jahre mit Wirkung für die nachfolgenden Verzinsungszeiträume überprüft werden soll. Die erstmalige Prüfung wird spätestens zum 1. Januar 2026 erfolgen.

Ebenso beraten wurde ein Entwurf der AfD-Fraktion zur Anpassung des Zinssatzes bei Steuernachzahlungen und Steuererstattungen. Dieser sieht vor, den Zinssatz an den Basiszinssatz des § 247 BGB zu koppeln (derzeit -0,88 %). Auf diesen Basiszins soll ein Aufschlag von 2 % erhoben werden.

Keine automatische Anpassung des Zinssatzes

Eine Orientierung des Zinssatzes für Steuerforderungen am Basiszins hat den Vorteil, dass eine automatische Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen erfolgt. Ein fester Zinssatz und eine regelmäßige Überprüfung bergen die Gefahr einer nicht rechtzeitigen Anpassung. Allerdings kann es bei einer Kopplung an den Basiszins in einem dynamischeren Zinsumfeld auch zu mehreren unterjährigen Anpassungen kommen. Die Höhe der einzelnen Anpassungen kann dabei sehr gering ausfallen. Dies führt zu zusätzlichen Herausforderungen für die Finanzverwaltung, diese Änderungen korrekt in den EDV-Systemen umzusetzen. Es entsteht dann auch zusätzlicher Kontrollaufwand für Steuerpflichtige und Berater*innen, die fehlerfreie Umsetzung zu prüfen.

Bedeutung für die Praxis

Die Änderung des Zinssatzes ist beschränkt auf die vom Verfassungsgericht geforderte Anpassung für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen. Der Gesetzgeber reagiert nicht mit einer Anpassung anderer steuerlicher Regelungen auf das geänderte Zinsumfeld. Dazu gehören z. B. die anderen Verzinsungstatbestände der Abgabenordung wie Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen. Auch die Zinssätze im Bewertungsrecht und bei der Abzinsung von Rückstellungen mit 5,5 % p. a. sowie der Rechnungszinsfuß bei der steuerrechtlichen Bewertung von Pensionsrückstellungen mit 6 % p. a. bleiben unverändert. Steuerpflichtige können nur versuchen, Vorteile aus einer Anpassung dieser Größen auf dem Rechtsweg durchzusetzen.

Autor

Steffen Rapp
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.