Hinzurechnung von Mietzinsen bei fiktivem Anlagevermögen

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit Erlass vom 6. April 2022 ihre Auffassung an die Folgen der jüngeren BFH-Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei unterjähriger Veräußerung von hergestelltem Umlaufvermögen sowie zum Vorliegen von fiktivem Anlagevermögen angepasst.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in jüngerer Zeit in mehreren Urteilen zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG entschieden. Hierzu haben die obersten Finanzbehörden der Länder mit Erlass vom 6. April 2022 Stellung genommen und ihre gleich lautenden Erlasse vom 2. Juli 2012 (BStBl. I 2012, 654) angepasst.

Keine Hinzurechnung bei unterjähriger Veräußerung (vgl. Rn. 2, 13)

Grundsätzlich unterbleibt eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen, die am Bilanzstichtag als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlage- oder Umlaufvermögens aktiviert wurden. Losgelöst hiervon unterbleibt in Fällen bereits unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung für solche Aufwendungen, die als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte (BFH vom 30. Juli 2020 – III R 24/18; vom 12. November 2020 – III R 38/17). Hingegen sollen Aufwendungen, die i. Z. m. der Herstellung eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens stehen, aufgrund des Aktivierungsverbots in § 5 Abs. 2 EStG stets hinzuzurechnen sein. Mit Erlass vom 6. April 2022 übernimmt die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung des BFH.

Vorliegen von sog. fiktivem Anlagevermögen (Rn. 29b)

Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen bzw. unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, unterliegen gem. § 8 Nr. 1 lit. d und e GewStG mit ihrem Finanzierungsanteil anteilig der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Miet- und Pachtzinsen werden dann für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gezahlt, wenn die Wirtschaftsgüter für den Fall, dass sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären. Diese Fiktion muss sich jedoch, so weit wie möglich, an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren und richtet sich nach dem jeweiligen konkreten Geschäftsgegenstand im betreffenden Einzelfall (BFH vom 8. Dezember 2016 – IV R 24/11).

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen bspw. auch die von einem Bauunternehmer für die einmalige Anmietung von Baumaschinen geleisteten Mietaufwendungen grundsätzlich der Hinzurechnung unterliegen, selbst wenn die Anmietung lediglich stunden- oder tageweise erfolge. Auch seien Mietaufwendungen des Unternehmers für die Anmietung von Unterkünften, die unmittelbar der originären Tätigkeit zuzuordnen sind (z. B. Baumontage, Reisedienstleistungen), grundsätzlich hinzuzurechnen. Bei Verträgen über kurzfristige Hotelnutzungen oder bei kurzfristigen Pkw-Mietverträgen unterbleibe jedoch aus Vereinfachungsgründen eine Hinzurechnung.

Schließlich nimmt die Finanzverwaltung noch einige, vom BFH entschiedene Konstellationen als „Einzelfälle aus der Rechtsprechung“ zum fiktiven Anlagenvermögen mit auf (Filmhersteller, BFH vom 12. November 2020 – III R 38/17; Konzertveranstalter, BFH vom 8. Dezember 2016 – IV R 24/11; Messedurchführungsgesellschaft, BFH vom 25. Oktober 2016 – I R 57/15; Pauschalreiseveranstalter, BFH vom 25. Juli 2019 – III R 22/16).

Die Grundsätze der gleich lautenden Erlasse vom 6. April 2022 sollen auf alle offenen Fälle anzuwenden sein.

Hinweis für die Praxis

Die grundsätzliche Anerkennung der BFH-Rechtsprechung zum fiktiven Anlagevermögen durch die Finanzverwaltung ist zu begrüßen. Soweit noch nicht erfolgt, sollen diese Urteile nun auch im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. In einem weiteren Verfahren betreffend die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von fiktivem Anlagevermögen, das bislang beim BFH anhängig war (III R 15/19 zur Hinzurechnung von Messestandskosten), hat die Finanzverwaltung die Revision zurückgenommen, und in einem anderen derzeit noch beim BFH anhängigen Verfahren (III B 83/20) ist davon auszugehen, sodass zu hoffen ist, dass diese Aufzählung in der Folgezeit noch erweitert wird. Entsprechende Verfahren sollten weiterhin offengehalten bzw. mit Blick auf die Anpassungen im gleich lautenden Ländererlass überprüft werden.

Autoren

Bernd Keller
+49 221 28 20 2453

Philipp Canisius
+49 221 28 20 2558

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.