BVerfG prüft rückwirkende Neuregelung der Unterschiedsbetragsbesteuerung

Das Finanzgericht Hamburg hält die rückwirkende gesetzliche Neuregelung der Besteuerung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a Abs. 4 EStG in Schenkungs- und Erbfällen für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt (FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 24.11.2022, 6 K 68/21).

Dies hat den folgenden Hintergrund: Nach der langjährigen früheren Gesetzesfassung musste ein Mitunternehmer den auf ihn entfallenden Unterschiedsbetrag in dem Jahr seines Ausscheidens aus der Schiffsgesellschaft versteuern (§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a. F.). Dazu hatte der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung mehrfach entschieden, dass ein Ausscheiden in diesem Sinne auch dann vorliegt, wenn der Mitunternehmeranteil unentgeltlich im Wege der Schenkung oder Erbfolge übergeht (BFH 28.11.2019, IV R 28/19; BFH/NV 2020, 412; BFH 29.04.2020, IV R 17/19, BFH/NV 2020, 1058). Dies hätte bedeutet, dass der Schenker bzw. Erblasser den Unterschiedsbetrag versteuern muss, wohingegen auf den Erwerber keine Steuerbelastung aus dem Unterschiedsbetrag übergeht.

Durch Gesetz vom 02.06.2021 (BGBl. I, S. 1259) hat der Gesetzgeber in § 5a Abs. 4 Sätze 5, 6 EStG n. F. daraufhin für die Fälle des § 6 Abs. 3 EStG, also für die Erb- und Schenkungsfälle, geregelt, dass der Unterschiedsbetrag insoweit auf den Rechtsnachfolger übergeht. Diese Regelung wurde mit einer weitreichenden zeitlichen Rückwirkung für anwendbar erklärt, und zwar für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1998 beginnen bzw. begonnen haben (§ 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n. F.). Hierdurch sollte die entgegenstehende Rechtsprechung des BFH rückwirkend ausgehebelt werden.

Das Finanzgericht Hamburg ist davon überzeugt, dass diese zeitliche Rückwirkungsanordnung verfassungswidrig ist, weil sie das schutzwürdige Vertrauen der Erwerber einer Schiffsbeteiligung in das zuvor bestehende Recht verletzt. Die Neuregelung habe konstitutiven Charakter und stelle eine unzulässige sogenannte echte Rückwirkung dar, weil dem Erben bzw. Beschenkten nachträglich der Unterschiedsbetrag zugeordnet werde und dessen Einkommensteuerbelastung für ggf. lange zurückliegende Veranlagungsjahre nachträglich erhöht werde. Keine der vom BVerfG anerkannten Fallgruppen, in denen eine echte Rückwirkung ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein könne, liege vor.

Zu demselben Fragenkreis sind beim BFH mehrere Revisionen gegen Urteile des Finanzgerichts Schleswig-Holstein und des Niedersächsischen Finanzgerichts anhängig (Az. des BFH: IV R 12/22, IV R 13/22, IV R 14/22, IV R 31/22, IV R 32/22, IV R 33/22, IV R 34/22, IV R 35/22, IV R 38/22 und IV R 39/22).

Sofern Sie eine mit Unterschiedsbeträgen behaftete Schiffsbeteiligung vererbt oder geschenkt bekommen haben, sprechen Sie uns gerne an. Um darauf hinzuwirken zu können, dass Ihnen bereits geleistete Einkommensteuern auf den Unterschiedsbetrag zu erstatten sind, sind sowohl die verfahrensrechtliche Ausgangsituation im Jahr der Schenkung bzw. im Jahr des Erbfalls als auch das Jahr der Einstellung des Schiffsbetriebs bzw. des Schiffsverkaufs oder in Ausnahmefällen die Einbringung in andere Gesellschaften wie GmbH & Co. KG oder GmbH entscheidend. Die Autoren dieses Beitrags stehen Ihnen gerne zur Verfügung.

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