OLG Düsseldorf (Urt. v. 3. Mai 2023 – I –26 U 6/22): Zur Reichweite des Bestandsschutzes in der EEG-Eigenversorgung

Das OLG Düsseldorf hatte im Mai 2023 zu entscheiden, ob Betreiber von (älteren) Bestandsanlagen ihr Eigenversorgungskonzept verbrauchsseitig auch nach dem Stichtag des 1. September 2011 unter Netzdurchleitung auf andere Standorte ausweiten können.

Ausgangslage und Problemstellung

Die Beklagte ist ein energieintensives Unternehmen. Zur (teilweisen) Deckung des Energiebedarfs erzeugt sie Strom in einem Kraftwerk, das vor dem Stichtag des 1. September 2011 in Betrieb genommen wurde.

Für den in diesem Kraftwerk eigenerzeugten und selbst verbrauchten Strom entrichtete die Beklagte unter Berufung auf die Bestandsanlageneigenschaft des Kraftwerks keine EEG-Umlage. Dies gilt auch, soweit die Beklagte den erzeugten Strom an Verbrauchsstandorten entnommen hat, die erst nach dem Stichtag des 1. September 2011 an anderen Standorten hinzugekommen sind.

Die Klägerin ist als Übertragungsnetzbetreiberin (ÜNB) mit der Erhebung der EEG-Umlage betraut. Sie nimmt die Beklagte u. a. hinsichtlich der Zahlung der EEG-Umlage für die Jahre 2016 bis 2019 in Anspruch. Ihre Klage stützt sie auf eine Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur (BNetzA). Nach dem BNetzA-Leitfaden zur Eigenversorgung ist es den Betreibern von (älteren) Bestandsanlagen nicht möglich, ihr Eigenversorgungskonzept verbrauchsseitig nach dem Stichtag des 1. September 2011 unter Netzdurchleitung auf andere Standorte auszuweiten. Hiernach würde für Stromverbräuche an den nach dem Stichtag hinzugewonnenen Standorten die EEG-Umlage in voller Höhe anfallen. Das OLG hatte die Frage zu beantworten, ob der Betreiber einer (älteren) Bestandsanlage sein Eigenversorgungskonzept verbrauchsseitig auch nach dem Stichtag auf andere Standorte ausweiten kann.

Begründung des Gerichts (Zusammenfassung)

Das OLG kommt zu dem Ergebnis, dass der Strom, der mit einer (älteren) Bestandsanlage erzeugt wird, ebenfalls von der EEG-Umlage befreit ist – selbst dann, wenn der Eigenversorger nach dem Stichtag des 1. September 2011 neue Standorte in sein Versorgungskonzept einbezieht.

Der Wortlaut des § 61 f EEG 2017 n. F. lasse keinen Raum für die einschränkende Auslegung der BNetzA, wonach der Bestandsschutz auf das zum Stichtag bestehende Eigenversorgungskonzept beschränkt ist und die nachträgliche Erschließung weiterer Verbrauchsstandorte vom Bestandsschutz ausgenommen ist. Denn anders als der Begriff der „Eigenversorgung“, der einen versorgungs- und damit verbrauchsbezogenen Bezugspunkt aufweise, habe der Begriff der „Eigenerzeugung“ einen erzeugungsanlagenbezogenen Bezugspunkt.

Daneben spreche für den anlagenbezogenen Bestandsschutz die Gesetzeshistorie. Insbesondere aus den Gesetzesbegründungen zum EEG 2014 ergebe sich, dass es für den Bestandsschutz (nur) auf die Stromerzeugungsanlage ankomme und nicht auf die Verbrauchseinrichtungen. Mit den Regelungen bezüglich der Bestandsanlagen sei außerdem keine Änderung gegenüber der Rechtslage nach dem EEG 2014 beabsichtigt, die wiederum für Bestandsanlagen die Rechtslage früherer EEG-Fassungen fortschreibe.

Auch der Wille des Gesetzgebers könne nicht zugunsten der Rechtsauffassung der Klägerin und der BNetzA ins Feld geführt werden. Insbesondere sei der Vortrag der Klägerin, wonach sich der Gesetzgeber die Sichtweise der BNetzA zu Standortbeschränkungen für ältere Bestandsanlagen zu eigen gemacht haben soll, nicht nachvollziehbar.  

Weiterhin erstrecke sich der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht nur auf die Stromerzeugungsanlagen, sondern auch auf die Standortbestimmung der Verbrauchsanlagen, sodass jede staatliche Beschränkung des Verbrauchs ein Eingriff in den Erzeugungsbestandsschutz wäre, weil er – und darauf komme es eigentumsgrundrechtlich an – von den Nutzungsmöglichkeiten her entwertet würde.

Schließlich stellt das Gericht fest, dass es sich bei den Äußerungen der BNetzA lediglich um Verlautbarungen handelt, mit der die Behörde ihre Haltung zu bestimmten Themenkomplexen und den davon betroffenen Rechtsfragen bekannt macht.

Wie ist diese Entscheidung zu bewerten?

Die EEG-Umlage wurde im Sommer 2022 für Stromverbraucher abgeschafft. Jedoch sind zumindest die Gerichte noch eine Weile mit den Altfällen befasst. Dabei ist der Entscheidung des OLG Düsseldorf vollumfänglich zuzustimmen. Das Gericht arbeitet überzeugend heraus, dass sich Bestandsschutz in der EEG-Eigenversorgung auf die Eigenerzeugung und gerade nicht nur auf bestimmte Verbrauchskonstellationen bezieht, die vor dem 1. September 2011 bestanden haben. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Jedoch könnte es aufgrund eines weiteren OLG-Verfahrens zur selben Thematik (OLG Hamm, Az. I-2 U 76/21) noch zu einer BGH-Entscheidung kommen.

Sehr zu begrüßen sind zudem die Aussagen des OLG Düsseldorf zum BNetzA-Leitfaden. Zutreffend stellt das OLG fest, dass die Behörde „ihre Haltung zu bestimmten Themenkomplexen“ veröffentlicht. Unterdessen fragen sich viele andere Rechtsanwender: Sollte eine Regulierungsbehörde ungefragt Meinungen kundtun, wenn eigentlich niemand etwas davon hat, weil die Aussagen ohnehin keine rechtliche Verbindlichkeit haben? Zu bedenken ist hier, dass die Unternehmen am Ende mit den Rechtsunsicherheiten allein zurückbleiben. Dass das Konzept der spontan veröffentlichten, rechtlich unverbindlichen Behördenmeinung eher schadet als es nutzt, zeigt aktuell das Beispiel der „Frequently Asked Questions“ (FAQ) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Bereich der sog. Energiepreisbremsen. Diese werden fast wöchentlich neu veröffentlicht und das stetige Anwachsen der Fragen und Antworten verunsichert die Betroffenen in hohem Maße.

Autoren

Tarek Abdelghany
Tel: +49 69 967 65 1613

Julius Keil
Tel: +49 69 967 65 1810

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.