Die Wettbewerbsregister-Abfragepflicht: eine Bilanz

Wen betrifft die Abfragepflicht?

Für öffentliche Auftraggeber besteht gemäß § 6 des Wettbewerbsregistergesetzes (WRegG) seit dem 1. Juni 2022 ab einem Auftragswert von 30.000 € netto die Pflicht, vor Zuschlagserteilung eine Abfrage beim Wettbewerbsregister im Hinblick auf den anvisierten Vertragspartner durchzuführen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass bezüglich des geplanten Auftragnehmers keine Eintragungen vorliegen, aufgrund derer das Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen ist.

Für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber greift die Abfragepflicht ab Erreichen der Schwellenwerte, die auch für die Anwendbarkeit des EU-Vergaberechts maßgeblich sind. Die aktuell geltenden Schwellenwerte für Vergaben im Sektorenbereich sind 431.000 € für Liefer- und Dienstleistungsaufträge und 1.000.000 € für soziale und besondere Dienstleistungen. Für Konzessionsvergaben liegt der Schwellenwert bei 5.382.000 €. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Schwellenwerte turnusmäßig zum 1. Januar 2024 für die Jahre 2024 und 2025 angepasst werden.

Projektbezogene Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 4 GWB dürfen und müssen Abfragen nur in Vergabeverfahren im Rahmen des Projekts durchführen, aus dem sich ihre jeweilige Auftraggebereigenschaft nach § 99 Nr. 4 GWB ableitet.

Unternehmen und natürliche Personen haben die Möglichkeit, auf Antrag eine Auskunft über den sie betreffenden Inhalt des Wettbewerbsregisters (Selbstauskunft) zu erhalten. Stellen, die ein amtliches Verzeichnis nach Artikel 64 der EU-Vergaberichtlinie (Richtlinie 2014/24/EU) für die Zwecke der Präqualifizierung führen, erhalten auf Antrag und mit Zustimmung des betroffenen Unternehmens eine Auskunft über den das Unternehmen betreffenden Inhalt des Wettbewerbsregisters.

Wie ist die bisherige Abfragepraxis zu bewerten?

In einer Pressemitteilung vom 1. Juni 2023 bilanziert Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Das Wettbewerbsregister leistet einen wichtigen Beitrag zur effizienten Durchführung von Vergabeverfahren und zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs im öffentlichen Auftragswesen. Seit Beginn der Abfragepflicht vor einem Jahr haben Auftraggeber über 220.000 Abfragen durchgeführt; in den letzten Monaten waren es im Durchschnitt täglich deutlich über 1.000 Abfragen. Regelmäßig werden Informationen zu Eintragungen übermittelt, die es Auftraggebern erleichtern, den Ausschluss eines Unternehmens vom Vergabeverfahren zu prüfen. Für die Unternehmen ist das Wettbewerbsregister somit ein wichtiger Anreiz zur Verstärkung von Compliance-Maßnahmen.“

Aus der Pressemitteilung geht auch hervor, dass derzeit rund 7.000 Unternehmen auf Grundlage von Sanktionsentscheidungen der Strafverfolgungs- und Ordnungswidrigkeitenbehörden im Wettbewerbsregister eingetragen sind.

Die Zwischenbilanz zur Abfragefrequenz fällt seitens des Bundeskartellamtes positiv aus. Wie die Abfragezahl von 220.000 Abfragen in einem Jahr zu bewerten ist, ergibt sich aus einem Abgleich mit der Anzahl der Aufträge, die von der Abfragepflicht in einem vergleichbaren Zeitraum betroffen waren. Nach der aktuellen Vergabestatistik des Statistischen Bundesamtes von April 2023 wurden in Deutschland im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2021 insgesamt 86.978 öffentliche Aufträge und Konzessionen vergeben. Davon wurden 5.001 öffentliche Aufträge und Konzessionen freiwillig gemeldet, das heißt, diese lagen im Bereich von 1.001 bis 25.000 € und waren von der Abfragepflicht somit nicht betroffen. In einem Zeitraum von sechs Monaten wurden danach 81.977 Aufträge vergeben, für die nach § 6 WRegG eine Abfragepflicht besteht.

Ausgehend von dieser Statistik kann die Anzahl der öffentlichen Aufträge, die in Deutschland durchschnittlich einem Jahr vergeben werden und für die die Abfragepflicht gilt, auf 163.954 geschätzt werden. Daran gemessen kann die vom Bundeskartellamt genannte Abfragezahl von 220.000 als positives Signal dafür gewertet werden, dass öffentliche Auftraggeber das Wettbewerbsregister im Sinne des Gesetzgebers verwenden.

Die Praxis hat aber gezeigt, dass der Abfragevorgang insgesamt aufwendig ausgestaltet ist und vielen Auftraggebern, die von der Abfragepflicht betroffen sind, erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Dies betrifft vor allem den Registrierungsprozess: Vor einer Abfrage müssen Auftraggeber bei der Registerbehörde einen aufwendigen Registrierungsprozess durchlaufen. Hierfür werden auf der Webseite des Bundeskartellamtes gleich vier Leitfäden zur Verfügung gestellt, die zwar die Bedienung vereinfachen sollen, den*die Leser*in aber allein aufgrund der Informationsmasse zunächst eher überfordern als unterstützen.

Für die Registrierung müssen Auftraggeber einen sog. „sicheren Übermittlungsweg“ verwenden. Damit ist die Nutzung des besonderen elektronischen Behördenpostfachs (beBPo) oder ein De-Mail-Postfach nach dem De-Mail-Gesetz gemeint. Bereits diese Voraussetzung bereitet in der Praxis erste Schwierigkeiten. Denn viele öffentliche Auftraggeber werden sich entsprechende Kommunikationswege erst einmal einrichten müssen und sich mit der Nutzung vertraut machen. Auch für projektbezogene Auftraggeber stellt der aufwendige und mehrschrittige Registrierungsprozess eine bürokratische Hürde dar: Denn neben klassischen öffentlichen Auftraggebern, die behördlich organisiert sind und möglicherweise bereits deshalb über entsprechende technische Voraussetzungen verfügen, trifft die Abfrage- und damit auch die Registrierungspflicht auch funktionale Auftraggeber, die Gesellschaften des Privatrechtes sind und nur aufgrund einer öffentlichen Finanzierung das Vergaberecht anwenden müssen.

Dazu zählen insbesondere Start-ups der Technologie- und Innovationsbranche, die für die Entwicklung und Herstellung neuer Produkte oder Verfahren öffentliche Fördergelder erhalten.

Fazit

Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Zielsetzung formuliert hat, das Vergaberecht „vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen“ zu wollen, wäre es begrüßenswert, wenn digitale Plattformen wie das Wettbewerbsregister anwenderfreundlicher ausgestaltet werden; denn Auftraggebern sollte die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten nicht durch technisch vermeidbare Unannehmlichkeiten zusätzlich erschwert werden.

Autorin

Dr. Helena Sitz
Tel: +49 30 208 88 1025

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.