Energiepreisbremsen: Schwierigkeiten bei Umsetzung von Meldepflichten bei Unternehmen mit Entlastungsvolumen von mehr als 2 Mio. €

Seit dem März 2023 sind Energieversorger grundsätzlich verpflichtet, Entlastungen für den Strom-, Gas- und Wärmebezug (sog. Energiepreisbremsen) nach dem StromPBG und dem EWPBG zu gewähren. Die Umsetzung läuft mitunter etwas holprig, was verschiedenste Gründe hat. Die meisten Energieversorger dürften mit den komplexen Regelungen, die sie bei der Umsetzung zu beachten haben, schlichtweg überfordert sein.

Als besonders schwierig erweist sich in der Praxis die Entlastung sog. Großverbraucher, die hohe Entlastungssummen erwarten. Denn diese Entlastungssummen werden auf Höchstgrenzen gedeckelt. Insgesamt darf aus Gründen des europäischen Beihilfenrechts in einem Unternehmensverbund nur ein gesetzlich bestimmter Betrag an Entlastungen in Anspruch genommen werden. Diese Höchstgrenzen waren bis zum 31. März 2023 im Rahmen einer Selbsterklärung zu melden. Derartige Selbsterklärungen der Unternehmen sind dann bereits in den unterjährigen Abschlagszahlungen vom Energieversorger zu berücksichtigen.

Während die bestehenden Regelungen des StromPBG und des EWPBG von vielen Marktakteuren noch nicht umgesetzt wurden, arbeitete die Politik bereits an einem „Reparaturgesetz“, der sog. Anpassungsnovelle. Das neue „Gesetz zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes, zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes sowie zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher, umweltrechtlicher und sozialrechtlicher Gesetze“ wurde am 2. August 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Sowohl die sog. Anpassungsnovelle, aber auch die in regelmäßigen Abständen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland (BMWK) veröffentlichten „Häufig gestellte Fragen zu § 18 EWPBG bzw. § 9 StromPBG (Höchstgrenzen), § 22 EWPBG bzw. § 30 StromPBG (Selbsterklärungen) und § 29a EWPBG bzw. § 37a StromPBG (Boni- und Dividendenverbot)“ (FAQ) stellen gerade die Unternehmen als Letztverbraucher von Energie vor besondere Herausforderungen. Einige Probleme, die Unternehmen bei ihren Meldungen haben, wenn sie mehr als 2 Mio. € Entlastungen beanspruchen, stellen wir nachfolgend dar.

1. Arbeitsplatzerhaltungspflicht bei Entlastungen über 2 Mio. €

Die Arbeitsplatzerhaltungspflicht aus § 29 EWPBG bzw. § 37 StromPBG betrifft Arbeitgeber, die finanzielle Entlastungen von über 2 Mio. € nach StromPBG und EWPBG im Jahr 2023 erwarten. Etwas verkürzt gesagt bedeutet dies für die Unternehmen, dass durch schriftliche Erklärung und Selbstverpflichtung zugesichert wird, 90 Prozent der zum 1. Januar 2023 vorhandenen Vollzeitäquivalente an Arbeitsplätzen bis zum 30. April 2025 zu erhalten.

Meldung an eine (noch nicht ernannte) Prüfbehörde?

Die Nachweise über die Einhaltung der Arbeitsplatzerhaltungspflicht waren bis zum 31. Juli 2023 an die Prüfbehörde im Sinne des StromPBG und EWPBG zu übermitteln. Problematisch hieran war, dass eine Prüfbehörde seitens des BMWK bislang nicht ernannt wurde. Als sich dann gegen Ende des Monats Juli 2023 abzeichnete, dass es auch bis zum 31. Juli 2023 keine Prüfbehörde geben wird, herrschte große Unsicherheit in der Branche. Kann eine rechtliche Pflicht, deren Erfüllung unmöglich ist, überhaupt bestehen?

Die Pflicht zur fristgerechten Übermittlung von Unterlagen an eine Behörde, die es nicht einmal gibt, müsste u. E. eigentlich verneint werden. Jedoch sah das BMWK hierzu sehr kurzfristig, ca. eine Woche vor Fristablauf, dennoch eine Möglichkeit: Das BMWK als Behörde, die der künftigen Prüfbehörde übergeordnet ist, sollte nun selbst die Aufgabe übernehmen, die an die Prüfbehörde zu richtenden Erklärungen entgegenzunehmen. Für die Entgegennahme dieser Erklärungen hat sich das BMWK des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) als Verwaltungshelfer bedient. Die Nachweise sollten dann an eine De-Mail-Adresse von PwC übermittelt werden.

Form- und fristgerechte Meldung an eine De-Mail- Adresse des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC)?

Dass die Unternehmen ihre mitunter sensiblen Daten zur Arbeitsplatzerhaltungspflicht nun an das Postfach eines Beratungsunternehmens übermitteln sollten, wurde seitens der Unternehmen teilweise kritisiert. Aber eine echte Alternative hatten die Unternehmen leider nicht. Denn ein Fristversäumnis bzw. das bewusste Absehen von einer Meldung an das De-Mail-Postfach birgt das Risiko, dass hohe Entlastungsbeträge zurückzuerstatten sind, jedenfalls soweit sie 2 Mio. € übersteigen. Hieran änderte es auch nichts, dass das BMWK in seinen FAQ wenige Tage vor Fristablauf zusicherte, dass es Fristversäumnisse jedenfalls bis zum 30. September 2023 nicht beanstanden werde. Denn inzwischen wissen auch die Unternehmen, dass derartige Aussagen des BMWK keinen rechtsverbindlichen Charakter haben. Mit anderen Worten: Sich auf die FAQ zu verlassen, ist eindeutig mit rechtlichen Risiken verbunden.

Das Angebot an die Unternehmen, die erforderlichen Nachweise an das De-Mail-Postfach von PwC zu übermitteln, birgt auch darüber hinaus rechtliche Risiken. Denn mit dem De-Mail-Postfach eröffnet das BMWK einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente im Sinne des § 3a Abs. 1 VwVfG. Für die Übermittlung der Unterlagen im Sinne des § 37 Abs. 2 StromPBG bzw. § 29 abs. 2 EWPBG wird man wohl Schriftform annehmen müssen. Zumindest geht offenbar auch das BMWK in seinen FAQ 10.0 hiervon aus. Da die postalische Zusendung der Schriftstücke an die Prüfbehörde aktuell nicht möglich ist, wird man wohl – um die Schriftform zu wahren – die Meldung elektronisch einreichen müssen und – weil die Schriftform angeordnet wird – § 3a Abs. 2 VwVfG beachten müssen. Danach genügt der elektronischen Form ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Dies bedeutet, dass die an die Prüfbehörde übermittelten Unterlagen und Schreiben eigentlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen wären.

Mit einer solchen qualifizierten elektronischen Signatur werden jedoch die wenigsten Unternehmen ihre Nachweisunterlagen versehen haben. Schlimmstenfalls könnte dies zu einer Verfristung der Meldung mangels formgerechter Einreichung der Unterlagen führen. Auch hier würde es im „Worst Case“ nichts nützen, dass das BMWK in seinen FAQ 10.0 meint, ersatzweise zur Schriftform sei die Übermittlung eines unterzeichneten Dokuments per E-Mail ausreichend. Ein Gericht wäre an derartige Aussagen des BMWK jedenfalls nicht gebunden.

2. Verbundmeldung bei Entlastungen über 2 Mio. €

Unternehmen, die im Unternehmensverbund Entlastungen von mehr als 2 Mio. € in Anspruch nehmen, müssen eine Meldung an die Prüfbehörde „unverzüglich“ übermitteln. In diesem Zusammenhang ist eine Liste aller verbundenen Unternehmen sowie deren Netzentnahmestellen aufgeschlüsselt nach

  • den die jeweilige Netzentnahmestelle beliefernden Elektrizitätsversorgungsunternehmen sowie
  • dem an der jeweiligen Netzentnahmestelle erhaltenen Entlastungsbetrag,

an die Prüfbehörde zu übermitteln.

Ob diese Vorgaben von Konzernen eingehalten werden können, die 100 oder 150 verbundene Unternehmen allein in Deutschland haben, ist fraglich. Zumindest stellt sich für solche Konzerne die Frage, wie sie unter diesen Umständen „unverzüglich“ melden sollen – und das auch noch vor dem Hintergrund, dass eine verspätete Meldung bußgeldbewährt ist. Es wird hier ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 €, im Falle von Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von mehr als 12,5 Mio. € sogar bis zu 4 % des weltweit erzielten Gesamtumsatzes angedroht.

Auch für diese Meldung hat das BMWK über PwC eine De-Mail-Adresse einrichten lassen. Es stellen sich damit grundsätzlich die gleichen Rechtsfragen wie bei der Meldung zur Arbeitsplatzerhaltungspflicht (siehe oben).

3. Besonderheiten für Schienenbahnen

Die umfassendsten Änderungen in der sog. Anpassungsnovelle betreffen die Schienenbahnen. Die Schienenbahnen mussten – so wie alle anderen Unternehmen – eine Selbsterklärung über ihre beihilferechtlichen Höchstgrenzen bereits bis Ende März 2023 abgeben.

Der neue § 30a StromPBG sieht nun vor, dass die Höchstgrenzen noch einmal an den Energieversorger zu übermitteln sind. Allerdings kann diese Meldung (anders als die Meldungen der übrigen Unternehmen nach § 30 Abs. 4 StromPBG) offenbar nicht korrigiert werden.

Schließlich kommt ein Verwaltungsverfahren bei der Prüfbehörde auf die Schienenbahnen zu. Der neue § 11a StromPBG sieht vor, dass die Prüfbehörde die Höchstgrenze feststellt. Hierzu sind umfangreiche Unterlagen sowie der Vermerk eines Wirtschaftsprüfers einzureichen.

Soweit die Feststellung der Höchstgrenze von der Selbsterklärung des Schienenbahnunternehmens abweicht, sind zu viel entlastete Beträge von den Energieversorgern zurückzufordern. Für dieses Verwaltungsverfahren ist (noch) keine De-Mail- Adresse vom BMWK bzw. von PwC vorgesehen. Wir rechnen hiermit erst zum Ende des Jahres. Im Übrigen hoffen wir für die Unternehmen, dass es bis dahin endlich ein elektronisches Portal der bis dahin ernannten Prüfbehörde gibt.

Autor

Tarek Abdelghany
Tel: +49 69 967 65 1613

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.