Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich: BT-Drucks. 20/5165

Nicht zuletzt beim stockenden Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich des erforderlichen Ausbaus der Stromnetze hat sich gezeigt, dass erheblicher Beschleunigungsbedarf für derartige Infrastrukturvorhaben besteht. Durch das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren im Infrastrukturbereich soll die Verfahrensdauer für diese Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung reduziert werden, ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen.

Diese Beschleunigung ist insbesondere wichtig, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung durch eine schnelle Umstellung auf nachhaltige Energieversorgung innerhalb der dafür verbleibenden Zeit zu erreichen. Dies folgt auch dem Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen dient.

Der Regierungsentwurf führt dazu aus:

Indem der Entwurf Maßnahmen zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren über besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben regelt, die auch erneuerbare Energien erfassen, leistet er einen Beitrag zur beschleunigten Umsetzung der Energiewende und damit zur rechtzeitigen Verwirklichung des Nachhaltigkeitsziels 7 der Agenda 2030 („Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern“), insbesondere von Unterziel 7.2 („Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen“). Eine beschleunigte Umsetzung von notwendigen Infrastrukturvorhaben sowie der Ausbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien, auch für die Industrie, leisten zudem einen Beitrag zu Ziel 9 der Agenda 2030 („Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen“), insbesondere zu Unterziel 9.4 („Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienterem Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse [...]“).

Soweit die mit dem Entwurf erreichten Verfahrensbeschleunigungen zur früheren Fertigstellung von Energie- und Infrastrukturprojekten und zur Vermeidung des Ausstoßes von Treibhausgasen führen, leistet dies einen Beitrag zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 13 („Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“). Eine hierdurch erreichbare Begrenzung der globalen Erwärmung ist Voraussetzung für die Erreichung aller übrigen Nachhaltigkeitsziele.

Indem der Entwurf das verwaltungsgerichtliche Verfahrensrecht so anpasst, dass eine beschleunigte Bearbeitung von Verfahren gefördert wird, die für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen besonderes Gewicht haben, leistet der Entwurf einen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitsziel 16 („Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“), insbesondere zur in Unterziel 16.6 erwähnten Leistungsfähigkeit von Institutionen. Da effektiver Rechtsschutz mit dem Entwurf nicht beeinträchtigt wird, steht der Entwurf auch im Einklang mit Unterziel 16.3 („Die Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene fördern und den gleichberechtigten Zugang aller zur Justiz gewährleisten“).

Der Gesetzentwurf enthält Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG), des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sowie des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz (NABEG).

Insbesondere wird in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 15 und § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe sowie des Bundesverwaltungsgerichts für besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben geregelt und um Streitigkeiten, die Vorhaben zur Errichtung und zur Anbindung von Terminals zum Import von Wasserstoff und Derivaten betreffen, sowie über die ihm nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz zugewiesenen Verfahren, ergänzt. Durch den neuen § 80c VwGO werden darüber hinaus die Vorgaben für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß den §§ 80 und 80a VwGO für Verfahren nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nr. 6 VwGO ergänzt und teilweise modifiziert. Die Regelungen sollen bewirken, dass der vorläufige Vollzug besonders bedeutsamer und äußerst dringlicher Infrastrukturvorhaben so weitgehend wie möglich zugelassen wird.

Gemäß dem neuen § 80c Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht bei der Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einen Mangel des angefochtenen Verwaltungsaktes außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass dieser in absehbarer Zeit behoben sein wird. Satz 2 stellt klar, dass ein solcher Mangel insbesondere eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften oder ein Mangel bei der Abwägung im Rahmen der Planfeststellung oder der Plangenehmigung sein kann. Gemäß Satz 3 soll das Gericht gegenüber der Behörde eine Frist zur Behebung des Mangels setzen. Bei einem erfolglosen Verstreichen der Frist gilt § 80 Abs. 7 VwGO entsprechend (Satz 4). Satz 5 regelt wiederum, dass Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 des UmwRG, mit dem der Bundesgesetzgeber das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. November 2013 (RS. C-72/12- Altrip) umgesetzt hat, nicht außer Acht gelassen werden können.

Mit dem neuen § 87c VwGO wird ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot (als Soll-Vorschrift) sowie eine Soll-Vorschrift zur Durchführung eines Erörterungstermins für die Verfahren nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 15 VwGO und § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, für Verfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, wenn sie Bauleitpläne mit Darstellungen oder Festsetzungen von Flächen für die in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 3a, 3b oder 5 VwGO genannten Vorhaben zum Gegenstand haben, sowie für Verfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, wenn sie Raumordnungspläne mit Festlegungen von Gebieten zur Nutzung von Windenergie zum Gegenstand haben, eingeführt.

Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in § 87c VwGO soll dann auch auf Normenkontrollverfahren gegen Bauleitpläne und Raumordnungspläne erstreckt werden, soweit für die Verwirklichung der umfassten Infrastrukturmaßnahmen eine Planung erforderlich sein kann. Normenkontrollverfahren zur Überprüfung von Bauleitplänen werden nur insoweit in den Anwendungsbereich des § 87c VwGO aufgenommen, als sie Bauleitpläne mit Flächenausweisungen für die genannten Vorhaben zum Gegenstand haben. Was Normenkontrollverfahren gegen Raumordnungspläne anbetrifft, werden nur solche Raumordnungspläne in den Anwendungsbereich des § 87c VwGO aufgenommen, die Festlegungen für Gebiete enthalten, die die Nutzung von Windenergie an Land und im Küstenmeer betreffen. Dazu zählen insbesondere sachliche Teilpläne zur Windenergienutzung.

Die zunächst vorgesehene Änderung des § 6 UmwRG zur Ergänzung der bereits vorhandenen Klagebegründungsfrist um eine Klageerwiderungsfrist von zehn Wochen ab Zustellung der Klagebegründung wurde durch eine Entsprechensregelung für Fälle, in denen das gerichtliche Verfahren zur Durchführung eines Planergänzungs- oder Planänderungsverfahrens ausgesetzt wurde und später fortgesetzt wird, auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ersetz; die Frist läuft nun ab Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens.

Auch die neuen Sätze 2 bis 5 des § 43e Abs. 3 EnWG ändern die Klagebegründungsfrist und verschärfen die Regelung der Folgen eines verspäteten Kläger*innenvortrags. Die Änderungen des NABEG folgenden Änderungen des EnWG und schließen damit auch eine Regelungslücke.

Um die Beschleunigungsmöglichkeiten für verwaltungsgerichtliche Verfahren über besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben der Praxis schnellstmöglich zur Verfügung zu stellen, soll das Gesetz schließlich am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

Hinweis:

Der Bundestag hat am 10. Februar 2023 den Gesetzentwurf auf Grundlage einer Beschlussempfehlung und eines Berichts des Rechtsausschusses beschlossen.

Autorin

Maria Elisabeth Grosch
Tel: +49 30 208 88 1174

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