Eineinhalb Jahre Corona: Tendenz der Gerichte bzgl. Reduzierung von Miete zeichnet sich ab, bleibt jedoch Frage des Einzelfalls

1. Hintergrund

Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Coronapandemie gibt es zahlreiche Entscheidungen, in denen Gerichte über das Recht von Gewerberaummietern, die Miete mit Blick auf Corona-bedingte Einschränkungen zu reduzieren, urteilen mussten. Auch wenn noch nicht von einer lang gefestigten Rechtsprechung gesprochen werden kann, lassen die Landgerichte bundesweit eine Tendenz erkennen, die zwischenzeitlich bereits durch mehrere Oberlandesgerichte bestätigt wurde: Ein Gewerberaummieter kann sich nur unter sehr engen Voraussetzungen darauf berufen, dass die Miete wegen Corona-bedingter Einschränkungen zu reduzieren sei.

2. Rechtliche Erwägungen (Überblick)

Dreh- und Angelpunkt der rechtlichen Bewertung ist die gesetzliche Risikoverteilung im Gewerberaummietrecht. Während es die Hauptleistungspflicht des Vermieters ist, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten, trägt der Mieter das Verwendungs- und Ertragsrisiko. Der Vermieter hat demnach für objektbezogene Mängel einzustehen. Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich dagegen aus betriebsbezogenen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter ohne eine anderslautende vertragliche Vereinbarung hingegen nicht zu verantworten. Vor diesem Hintergrund scheiden nach Auffassung der ganz überwiegenden Mehrheit der Gerichte im Ergebnis eine Minderung der Miete und ein Entfall der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit grundsätzlich aus, während eine Anpassung der Miete nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt.

2.1. Keine Minderung wegen eines Mangels

Zwar ist ein Mieter grundsätzlich von der Mietzahlungspflicht befreit, wenn während der Mietzeit ein Mangel entsteht, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt bzw. erheblich mindert (§ 536 BGB). Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dabei kann auch ein von außerhalb der Mietsache kommender Umstand einen Mangel darstellen (sog. „Umfeldmangel“). Die behördlich angeordneten Beschränkungen in Zusammenhang mit der Coronapandemie weisen die Gerichte jedoch dem Betriebsrisiko des Mieters zu, sofern es keine abweichenden vertraglichen Vereinbarungen gibt. Denn diese Beschränkungen fänden ihre Ursache weder in der konkreten Lage, dem Zustand oder der Beschaffenheit der Mietsache, sondern vielmehr darin, dass Mitarbeiter und Kunden zur weiteren Ausbreitung des Virus beitragen könnten. Die Mietsache sei in ihrer baulichen Beschaffenheit nach wie vor für den vertragsgemäßen Gebrauch geeignet.

2.2. Kein Entfall der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit

Die Gerichte lehnen darüber hinaus auch einen Entfall der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit der Überlassung der Mietsache in gebrauchstauglichem Zustand ab (§§ 326, 275 BGB). Teils wird vertreten, dass das Unmöglichkeitsrecht nach Überlassung der Mietsache an den Mieter schon gar nicht anwendbar, sondern durch die spezielleren Vorschriften des Mängelgewährleistungsrechts verdrängt sei. Jedenfalls aber läge aber in typischen Konstellationen mit Corona-bedingten Einschränkungen kein Fall der Unmöglichkeit vor. Denn ein Vermieter könne gleichermaßen wie zuvor eine Mietsache überlassen, die sich baulich für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch eigne.

2.3. Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage möglich

Die Musik spielt daher bei der Frage, ob die Corona- bedingten Einschränkungen eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB darstellen, die zu einer Anpassung der Miete berechtigen kann. Mittlerweile hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Vorschriften zur Störung der Geschäftsgrundlage in diesem Zusammenhang anwendbar sind (Art. 240 § 7 EGBGB).

Ein Mieter hat jedoch insbesondere nur dann ein Recht zur Anpassung des Mietvertrags, wenn die wesentliche Veränderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände nicht in seinen Risikobereich fällt und ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zuzumuten ist (sog. normatives Element). Zwar trägt der Mieter nach dem gesetzlichen Leitbild grundsätzlich das Ertrags- und Verwendungsrisiko. Für das Gewerberaummietrecht darf jedoch davon ausgegangen werden, dass das Pandemierisiko außerhalb der gesetzlichen Risikoverteilung liegt.

Für die Frage, was dem Mieter zumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu beachten. Uneinheitlich wird beurteilt, ob eine Existenzgefährdung des Mieters drohen muss. Zuletzt hat jedoch das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (Urteil vom 17. September 2021 – 2 U 18/21 festgestellt), dass die Vertragsanpassung zur „Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht (mehr) zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich“ erscheinen muss.

Als Ausgangspunkt der Risikoverteilung bietet sich – angelehnt an eine Rechtsprechungslinie des BGH zu sog. Zweckstörungen – eine Quote von 50 : 50 an. Für die Bestimmung der Quote im konkreten Fall sind insbesondere folgende Aspekte zu würdigen und zu gewichten und es ist danach zu fragen,

  • ob vom Mieter verlangt werden kann, dass er angemessene Rücklagen bildet und diese in Krisenzeiten einsetzt. Während insbesondere das Landgericht München I Rücklagen umfassend in Abzug bringt (Urt. v. 12. Februar 2021 – 31 O 11516/20 und Urt. v. 25. Januar 2021 – 31 O 7743/20), sieht das Kammergericht keine Pflicht, sofort jegliche Reserven aufzubrauchen (Beschl. v. 11. März 2021 – 8 U 1106/20);
  • ob der Umsatzrückgang unmittelbar auf den behördlichen Beschränkungen oder nur mittelbar auf dem veränderten Kundenverhalten beruht (Letzteres betrifft eher das Geschäftsrisiko des Mieters);
  • ob dem Mieter anderweitige Nutzungen (Lagerzwecke, Inventur etc.) und Einnahmen (Online-Handel, Außer-Haus-Lieferungen etc.) möglich waren;
  • ob der Mieter staatliche Zuschüsse erhalten oder Aufwendungen (Kurzarbeit, weggefallene Wareneinkäufe etc.) erspart hat;
  • ob es sich um einen einzelnen Betrieb oder einen Konzern handelt;
  • inwiefern das Risiko versicherbar war;
  • wie lang das Vertragsverhältnis bereits besteht und
  • welche Intensität und Dauer die behördlichen Einschränkungen hatten.

3. Handlungsempfehlung

Sofern keine vertraglichen Vereinbarungen zur Risikoverteilung getroffen wurden, ist der Ausgang eines Rechtsstreits in Zusammenhang mit der Pflicht zur Zahlung von Gewerberaummiete während Corona-bedingter Einschränkungen noch immer recht ungewiss und eine Frage des Einzelfalls. Insbesondere die vom Gericht zu beurteilende Frage nach einzusetzenden Rücklagen und/oder staatlichen Hilfsleistungen kann das Ergebnis maßgeblich beeinflussen. Ratsam erscheint daher, in Streitfällen eine außergerichtliche Lösung anzustreben. Dabei ist zu beachten, dass hierin eine abschließende Anpassung des Vertrags im Sinne des § 313 BGB zu sehen sein könnte. Daher sollte die Vereinbarung auch zukünftige Umstände umfassend regeln oder ganz klar und einvernehmlich den Zeitraum festhalten, für den die Anpassung gelten soll.

Autoren

Christoph von Loeper
Tel: +49 30 208 88 1422
David Pamer
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnierenund erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.