Fremdbesitzverbot(e) auf dem Prüfstand

Nicht nur bei Ärztegesellschaften, MVZ-Trägergesellschaften oder Apotheken ist der Kreis der Gesellschafter gesetzlich beschränkt. Gleiches gilt für Rechtsanwaltskanzleien. Vor dem Hintergrund der aktuellen Regulierungsdebatte im Zusammenhang mit den sog. Investoren-MVZ ist eine Entscheidung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs (BayAGH) von besonderem Interesse.

Der BayAGH hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob das deutsche Fremdbesitz - bzw. Fremdkapitalverbot betreffend Rechtsanwaltskanzleien mit europäischem Recht vereinbar ist. Im Zusammenhang mit Apotheken wurde dies vom EuGH noch bejaht (EuGH, Urt. v. 19. Mai 2009, verb. Rs. C-171/07 und C-172/07 – Apothekerverband des Saarlandes u. a.). In diesem Fall könnte die Sache aber anders ausgehen, was weitreichende Folgen auch für den ärztlichen Bereich haben kann. 

Sachverhalt

Der Gründer einer Rechtsanwaltsgesellschaft (UG), deren Satzung umfangreiche Regelungen enthält, die die anwaltliche Berufsausübung in der Gesellschaft von einer Einflussnahme durch die Gesellschafter weitgehend ausschließt, trat Geschäftsanteile an der UG an eine österreichische GmbH ab und zeigt dies der Rechtsanwaltskammer München (RAK München) an. Die RAK München widerrief die Zulassung der UG als Rechtsanwaltsgesellschaft. Gegen den Widerruf erhob die UG Klage vor dem BayAGH mit der Begründung, dass das grundsätzliche Fremdkapitalverbot gegen Verfassungs- und Europarecht verstoße und es Finanzinvestoren möglich sein müsse, sich an Anwaltsgesellschaften zu beteiligen, wenn die Einflussnahme auf die Berufsausübung durch den Finanzinvestor ausgeschlossen sei.

Vorlagebeschluss

Das Gericht legten dem EuGH die Frage vor, ob das deutsche Verbot der Beteiligung von Dritten an einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit Europarecht vereinbar sei, da es zweifelhaft sei, ob die Unabhängigkeit der Rechtsberatung, eine Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs und anderer Rechte rechtfertige bzw. überhaupt erforderlich sei, wenn der Ausschluss der Einflussnahme auch durch Regelungen in der Satzung erreicht werden könne.

Übertragbarkeit

Sowohl im Falle einer Anwaltsgesellschaft als auch im Falle von Ärzte- oder MVZ-Trägergesellschaften geht es um Zusammenschlüsse von Freiberuflern zur gemeinsamen Berufsausübung. Soll einerseits die Unabhängigkeit der Rechtspflege gewahrt bleiben, geht es andererseits um die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung. Bereits jetzt sind in vielen Satzungen von MVZ-Gesellschaften Regelungen enthalten, die sicherstellen, dass bestimmte Einflussnahmen durch die Gesellschafter und/oder die nichtärztlichen Geschäftsführer ausgeschlossen sind, so wie es hier betreffend die anwaltliche Berufsausübung der Fall war.

Fazit

Die Entscheidung des EuGHs könnte eine Bedeutung erlangen, die weit über den Bereich der Rechtsanwaltsgesellschaften hinausgeht, da die Argumente für die Zulässigkeit einer Kapitalbeteiligung bei Kanzleien und Medizinischen Versorgungszentren die gleichen und die gesetzlichen Regelungen betreffend Ärzteund MVZ-Trägergesellschaften ähnlich sind. Die derzeitige Regulierungsdebatte bei Investoren- MVZ weist dagegen in eine komplett andere Richtung. Der Gesetzgeber wäre daher gut beraten, die Entwicklung in Luxemburg genau zu beobachten. Wir tun das auch.

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Autor

Dr. Moritz Ulrich
Tel: +49 30 208 88 1445

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