Keine Vergütung für Krankenhausleistungen, an denen ein vermeintlicher Arzt mitgewirkt hat

Krankenkassen müssen keine operativen Eingriffe bezahlen, an denen ein vermeintlicher Arzt beteiligt war: BSG, Urteil vom 26. April 2022 – Az. B 1 KR 26/21 R.

Mit Urteil vom 26. April 2022 hat das BSG entschieden, dass das gemäß § 108 SBG V zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassene Krankenhaus keinen Anspruch auf Vergütungen für Behandlungen hat, an denen ein sog. Nichtarzt mitgewirkt hat.

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das betroffene Krankenhaus hatte in der Zeit von 2009 bis 2015 eine Person zunächst als Assistenzarzt (später als Facharzt) im Fachbereich Viszeralchirurgie beschäftigt, der weder die ärztliche Prüfung noch eine Facharztprüfung abgelegt hatte. Seine ärztliche Approbation erlangte er durch die Vorlage gefälschter Zeugnisse. Nach Bekanntwerden der Täuschung wurde die Approbation bestandskräftig zurückgenommen. Als die Krankenkasse vom Verhalten des Nichtarztes erfuhr, verlangte sie von dem Krankenhaus die vollständige Erstattung der Vergütung für 14 stationäre Behandlungen (38.904,02 €) zurück, an denen der vermeintliche Arzt teilgenommen hatte. Das Krankenhaus wendete ein, dass es auf die Richtigkeit der behördlichen Approbationserteilung habe vertrauen dürfen.

In dem darauf geführten Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Aachen – 13 KR 114/17 – wurde die Klage der Krankenkasse mit Urteil vom 6. Februar 2018 abgewiesen. Eine rechtsgrundlose Leistung liege nicht vor, da der Vergütungsanspruch des Krankenhauses von dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Beteiligten bestimmt werde. Auf die Berufung der Krankenkasse verurteilte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfallen (LSG) mit Urteil vom 17. Dezember 2020 – L 16 KR 128/18 – das Krankenhaus zur Erstattung der von der Krankenkasse zuletzt noch für zehn Behandlungsfälle (ab 2012) begehrten 31.595,44 €. Nach Auffassung des LSG habe das Krankenhaus seine Pflicht zur Behandlung der Versicherten dadurch verletzt, dass es die Behandlungen nicht von einem Arzt habe vornehmen lassen. Das Verschulden des Nichtarztes sei dem Krankenhaus hierbei zuzurechnen. Der Schaden sei in Höhe der gesamten gezahlten Vergütung entstanden und nicht auf den Anteil des Operateurs begrenzt. Die Behandlungen seien für die Krankenkasse wertlos gewesen. Hiergegen legte das beklagte Krankenhaus Revision ein.

Entscheidung

Das BSG sprach der Krankenkasse einen Erstattungsanspruch dem Grunde nach zu. Für Krankenhausbehandlungen, an denen ein vermeintlicher Arzt mitgewirkt hat, besteht wegen des geltenden Arztvorbehalts (§§ 15 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) kein Vergütungsanspruch. Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen ärztlichen Leistungen ist die Approbation und die fachliche Qualifikation als Arzt. Fehlt es an den durch ein Studium der Medizin und bestandenen ärztlichen Prüfung nachgewiesenen medizinischen Grundqualifikationen, ist der Arztvorbehalt und damit das im Rahmen einer Krankenhausbehandlung geltende Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) verletzt. Verstöße gegen die gesetzlichen Qualitätsvorgaben führen – so das BSG – zum Wegfall des Vergütungsanspruchs für die seitens des Krankenhauses erbrachten Leistungen. Hiervon ausgenommen sind jene eigenständigen und abgrenzbaren Behandlungsabschnitte, an denen der vermeintliche Arzt nicht mitgewirkt hat, weshalb das BSG den Rechtsstreit mangels hierzu getroffener Feststellungen der Instanzgerichte zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwies.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BSG hat jenseits vergütungsrechtlicher Fragestellungen von Krankenhausleistungen auch weitreichende Bedeutung für die ambulante Versorgung, da der Arztvorbehalt für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen gegenüber der KV ebenfalls zwingende Voraussetzung ist. Aufgrund der mit den fehlenden medizinischen Grundqualifikation (Studium der Medizin und ärztliche Prüfung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO) einhergehenden weitreichenden Folgen (u. a. Vergütungsausschluss, daneben berufs- und vertragsärztliche sowie strafrechtliche Sanktionen) ist zu empfehlen, die Entscheidung des BSG bei Einstellungsprozessen in Krankenhäusern etc. zu bedenken und ggf. geeignete Überprüfungen vorzunehmen.

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Autor

Alexander Greiff
Tel: +49 30 208 88 1305

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.