Aktuelle Regulierungsvorschläge im Zusammenhang mit Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)

Die Diskussionen um bzw. die Forderungen nach einer strengeren Regulierung von sog. Investoren-MVZ sind nicht neu. Insbesondere die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) und verschiedene Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) und Ärztekammern, Ärztetag sowie vereinzelte Abgeordnete sind immer wieder mit Rufen nach mehr Regulierung und den bekannten Vorschlägen, wie diese zu erfolgen haben, zu vernehmen. Gleichzeitig werden auch differenziertere Debattenbeiträge publik. Aus diesem Grund wollen wir uns einmal die am häufigsten vorgetragenen Vorschläge ansehen und ob entsprechende Umsetzungsbestrebungen aufseiten des Gesetzgebers wahrzunehmen sind.

Fachlicher Bezug

Bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) empfahl der Gesundheitsausschuss des Bundesrates Einschränkungen der Gründungsberechtigung. MVZ sollten nur noch solche Fachgebiete vorhalten dürfen, für die der Gründer einen krankenhausplanerisch festgestellten Versorgungsauftrag besitzt. Wir hatten darüber im Newsletter 2/2018 berichtet. Dieser Vorschlag wurde zuletzt nur noch vereinzelt aufgegriffen. Für ihn werden die vom Gesetzgeber intendierten Synergieeffekte angeführt. Es bedürfte aber einer dezidierten Regelung, da sich krankenhausplanerische und ambulante Versorgungsaufträge nicht entsprechen. So wird z. B. die Radiologie und auch anderen Funktionsbereiche im stationären Bereich nicht beplant und auch einen stationären Versorgungsauftrag für Zahnheilkunde gibt es nicht.

Räumlicher Bezug

Ebenfalls bereits zu Zeiten des TSVG wurde eine räumliche Einschränkung der Gründungsberechtigung postuliert. Vorbehaltlich einer vom betreffenden Landesausschuss festgestellten (zumindest: drohenden) Unterversorgung sollten Krankenhäuser MVZ ausschließlich in demjenigen Planungsbereich betreiben dürfen, in dem das Krankenhaus seinen Sitz hat. Auch dieser Regelungsvorschlag wirft zahlreiche Fragen auf. Zum einen stellt sich die Frage, ob auf den KV-Bezirk (so z. B. die GMK) oder den Planungsbereich abgestellt werden soll. Der Planungsbereich entspricht für die meisten Fachgruppen einem oder mehreren Landkreisen und kreisfreien Städten. Anders ist dies bei der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (z. B. Anästhesist*innen oder Radiolog*innen), wo die Planungsbereiche größer zugeschnitten sind und der gesonderten fachärztlichen Versorgung (Neurochirurg* innen oder Strahlentherapeut*innen), bei der der Planungsbereich dem KV-Bezirk entspricht. Dann wäre die MVZ-Gründung in der allgemeinen fachärztlichen Versorgung für Investoren kaum noch möglich.

Das Kriterium „räumlicher Bezug“ wird gerne mit den seinerzeit gewollten Synergien zwischen Krankenhaus und MVZ begründet. Dagegen sprechen u. a. folgende Erwägungen: Versorgungsbedarfe enden nicht an den Grenzen von Planungsbereichen oder KV-Bezirken. Sind MVZ-Gründungen nur noch in unmittelbarer Nähe möglich und steht in Planungsbereichen ohne eigenes Krankenhaus ein solcher Gründer überhaupt nicht zur Verfügung, ist der Gesundheitsversorgung auch nicht gedient. Schließlich würden große Klinikgruppen bevorzugt, die Krankenhäuser in mehreren Planungsbereichen haben. Für eine solche Ungleichbehandlung gibt es keine Rechtfertigung, zumal die Ungleichbehandlung von Investoren im stationären und im ambulanten Sektor nach Worten von Prof. Ulrich Wenner, Richter am Bundessozialgericht a. D., ohnehin die „größte juristische Hürde“ für ein „Verbot von Investoren-MVZ“ sei. Es leuchtet auch nicht ohne Weiteres ein, dass Investoren zwar mittelbar Krankenhäuser betreiben dürfen, aber keine MVZ. Der Vorschlag wurde von der GMK im Juni 2022 gleichwohl wieder aufgegriffen, immerhin mit der Erweiterung, dass die MVZ-Gründung neben dem KV-Bezirk, in dem das Krankenhaus seinen Standort hat, auch in einem unmittelbar benachbarten KV-Bezirk zulässig sein soll. Verkannt wird schließlich, dass sogar weltweit übergreifende Fachkonferenzen, Experten-Boards und Telemedizin längst Realität sind. Braucht es da eines räumlichen Bezugs?

Regelungen in den Landeskrankenhausgesetzen

Der Niedersächsische Landtag hat im Gesetz zur Neufassung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes eine sog. „Change-of-Control-Klausel“ normiert, die ersichtlich dazu dienen soll, einem Investor, der ein Plankrankenhaus in Niedersachsen erwerben will, die Gründereigenschaft für MVZ nehmen zu können. Einen Beitrag hierzu finden Sie im letzten Newsletter 03/2022. Es wird sich zeigen, ob solch ein Vorgehen Schule macht.

Geeigneter Träger

Der Landtag von Schleswig-Holstein hat sein Krankenhausgesetz gerade erst novelliert und geht daher den zumindest formal vorzugswürdigen Weg. Der Bund wird aufgefordert, Maßnahmen gegen den Kauf von Arztpraxen und MVZ durch Konzerne und Finanzinvestoren zu treffen. Auch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ist ein Konzern, in dessen Verbund sich zahlreichen MVZ befinden. Die Trägerin der MVZ ist in diesem Fall eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Vor diesem Hintergrund vermag es kaum zu überraschen, dass ein FDP-Abgeordneter und früherer Gesundheitsminister vorschlägt, Neugründungen von MVZ nur noch in Trägerschaft einer gGmbH zuzulassen. Das Hauptziel, so sein „Argument“, dürfe nicht die Gewinnerzielung sein. Da drängt sich doch die Frage auf, welches Hauptziel eigentlich Ärzt*innen im Allgemeinen haben. Gute Gesundheitsversorgung anzubieten ist sicherlich ein Anliegen aller Ärzt*innen, rein altruistisch unterwegs sind dabei wohl die wenigsten.

Teilweise wird auch eine Eignungsprüfung für Gründer von Investoren-MVZ durch den Zulassungsausschuss gefordert. Tatsächlich findet diese schon statt. Es muss sich um einen Vertragsarzt oder ein zugelassenes Krankenhaus handeln. Besteht ein solcher Status, kann die Eignung unterstellt werden, weil diese ja bei Begründung des Status belegt und zum Erhalt des Status aufrechterhalten werden muss. Wie und nach welchen Kriterien die Zulassungsausschüsse dann den Investor hinter dem Krankenhaus auf Eignung überprüfen sollen und wofür, bleibt schleierhaft.

Wiedereinführung des Kriteriums „fachübergreifend“

Ein ebenfalls bemerkenswerter Vorschlag, nicht weil inhaltlich neu und überzeugend, ist die Wiedereinführung des Kriteriums „fachübergreifend“. Das Kriterium ist mit dem Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) zum 23. Juli 2015 entfallen, sodass ab diesem Zeitpunkt auch „fachgleiche“ MVZ zulässig waren. Das Kriterium wurde bereits damals umgangen, z. B. unter Hinzunahme eines Hausarztsitzes. Wem nun mit der Wiedereinführung gedient wäre, ist daher zweifelhaft. Ein solches Kriterium empfinden die meisten Investoren wohl allenfalls als lästig. Die kleinere Praxis, die die Vorzüge des MVZ z. B. aus Gründen der Flexibilität im Hinblick auf die Nachbesetzung, Anstellungsmöglichkeiten oder der Haftungsabschirmung der Trägergesellschaft wählt, einen Verkauf an einen Investor aber gar nicht in Erwägung zieht, wird da schon vor größere Hürden gestellt. Schließlich kann man sich die Frage stellen, ob nicht viele sog. Investoren-MVZ das Kriterium ohnehin erfüllen. In vornehmlich operativ tätigen MVZ, z. B. im Bereich der Augenheilkunde, sind häufig auch Anästhesist*innen angestellt. Zahnärztliche MVZ beschäftigen MKG-Chirurg*innen und im Bereich der interventionellen Radiologie sind auch Kardiolog*innen häufig unverzichtbar.

Definition von Leistungsspektren im BMV-Ä

Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab „im Bundesmantelvertrag- Ärzte (BMV-Ä) fachgruppenbezogen Leistungsspektren festzulegen und so den durch eine volle vertragsärztliche Zulassung vermittelten Sicherstellungsauftrag zu definieren“. Wird dieses Leistungsspektrum unterlaufen, soll das bis hin zum Zulassungsentzug sanktioniert werden können. Abgesehen davon, dass dieser Vorschlag reichlich vage bleibt, ist auch ein Mehrwert nicht erkennbar. Ein ambulanter Versorgungsauftrag, in welchem Fachbereich auch immer, wird wie auch ein stationärer Versorgungsauftrag in aller Regel mithilfe der Weiterbildungsordnungen für Ärzte ausgelegt. Daneben bestimmt im GKV-Bereich der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM), welche Leistungen in welcher Höhe abgerechnet und damit auch erbracht werden können. Eine darüber hinausgehende Einschränkung auf bestimmte Leistungsspektren, was auch immer das sein soll, führt eher zur Förderung einer Zwei-Klassen-Medizin, da dem privatärztlich tätigen Arzt und dem Selbstzahler die Einschränkungen aus dem GKV-Bereich, und dazu gehört der BMV-Ä, schlicht egal sein können.

Weisungsfreiheit der ärztlichen Leitung auch im nicht medizinischen Bereich

Schließlich soll die ärztliche Leitung eines MVZ nicht nur medizinisch vollumfänglich, sondern auch betreffend die wirtschaftliche Einflussnahme durch einen Investor weisungsfrei sein. Als Beispiel wird das Verbot von umsatzabhängigen Boni und die Sicherstellung der Weisungsfreiheit angestellter Ärztinnen und Ärzte in medizinischen Fragen genannt. Beides ist in vielen „Investoren-MVZ“ der Standard. Im Übrigen sei daran erinnert, dass zwar eine MVZ-Trägergesellschaft nach herrschender Meinung nicht dem Berufsrecht unterworfen ist, aber der einzelne Arzt. Diesem ist es aus berufsrechtlichen Gründungen untersagt, in ärztlichen Entscheidungen Weisungen von Nichtärzten entgegenzunehmen. Weisungen durch leitendes ärztliches Personal sind dagegen nicht nur sinnvoll, sondern erforderlich, und selbst diese kann der angestellte Arzt unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Musterberufsordnung- Ärzte (MBO-Ä) ignorieren. Damit unterstellt der Vorschlag sog. Investoren-MVZ eine fehlende Sensibilität für Compliance-Themen, für die in erster Linie der Arzt selbst verantwortlich ist. Der Ansatz ist damit nicht nur ungeeignet, sondern geht auch an der Realität vorbei. Das Bewusstsein für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben ist in einer großen MVZ-Struktur im Übrigen deutlich ausgeprägter als gemeinhin angenommen.

Zahlenmäßige Beschränkung der Gründereigenschaft

Ebenfalls im Zuge des TSVG wurde mit § 95 Abs. 1b SGB V eine zahlenmäßige Beschränkung der Anzahl der Versorgungsaufträge im vertragszahnärztlichen Bereich eingeführt. Zum einen hat der Gesetzgeber dadurch klargestellt, dass er im vertragsärztlichen Bereich gerade keine Notwendigkeit für eine Beschränkung gesehen hat. Allerdings könnte sich diese Bewertung zwischenzeitlich geändert haben. So wurde auch auf dem 126. Deutschen Ärztetag vom 24. bis 27. Mai 2022 in Bremen eine Begrenzung der kassenärztlichen Sitze pro Eigentümer und Fachrichtung vorgeschlagen. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob eine solche Regelung über alle Fachgruppen und Besonderheiten in den Ländern sinnvoll ist.

Ausblick

Es sind zahlreiche weitere Gesetzgebungsvorhaben auf dem Weg. Diese betreffen z. B. Änderungen am DRG-System, ein geplantes Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, Änderungen an E-Patientenakte und E-Rezept und die Einführung von Gesundheitskiosken in besonders benachteiligten Städten und Stadtteilen. Letztere Vorhaben betreffen zwar die ambulante Versorgung, sie zielen bislang aber nicht auf eine Regulierung von MVZ ab.

Häufig kommen Änderungen erst auf den letzten Metern in ein Gesetz – man nennt das Omnibusverfahren, weil noch Passagiere in Gestalt von Änderungsanträgen aufspringen. Der Gesetzgeber hatte allerdings seit dem TSVG zahlreiche Möglichkeiten verstreichen lassen, entsprechende Änderungsvorschläge aufzunehmen, zuletzt eine Forderung der GMK, die Gründungsbefugnis für MVZ auf die Kassenärztlichen Vereinigungen zu erweitern. Der entsprechende Änderungsantrag im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) hat es nicht in die Beschlussempfehlung geschafft.

Die MVZ-Regulierung schien im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) daher lange keine Priorität zu haben. Dies hat sich offenbar geändert. Auf den 21. Berliner Gesprächen zum Gesundheitswesen hat sich der Abteilungsleiter der Abteilung 2 „Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung“ des BMG, Herr Michael Weller, am 11. November 2022 dahingehend geäußert, dass kleinere Änderungen wie ein MVZ-Register und mehr Arztzentriertheit – wobei unklar bleibt, was damit genau gemeint sein könnte; zu denken wäre z. B. an eine Regelung ähnlich der in § 23a MBO-Ä – zeitnah umgesetzt werden können. Auch die von der GMK geforderte Bund-Länder-Gruppe sei nun eingesetzt. Größere Änderungen betreffend die Beschränkung der Gründereigenschaft seien dann in einem zweiten Schritt zu erwarten. Wegen der vielfältigen rechtlichen Hürden „habe man hier nur einen Schuss“, weswegen es einer sorgfältigen Abwägung und Vorbereitung bedürfe. Eine Festlegung auf die vorstellbaren Kriterien eines räumlichen und fachlichen Bezugs sei indes noch nicht erfolgt.

Es mag ein gutes Zeichen sein, dass sich der Gesetzgeber einmal die Zeit nimmt, um zu einer durchdachten Regelung zu gelangen. Fraglich erscheint indes, ob Änderungen im Vertragsarztrecht und vor allem die vorgeschlagenen Mechanismen überhaupt der richtige Anknüpfungspunkt sind und nicht vielmehr das Kartellrecht mit seinem (ggf. zu erweiternden) Instrumentarium. Auch in diese Richtung zielten Forderungen des 126. Deutschen Ärztetags in Bremen. Näher mit diesem Thema beschäftigt sich mein Kollege Tilman Braun in einem der nachfolgenden Beiträge.

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Autor

Dr. Moritz Ulrich
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.