Einschränkung des Outsourcings von Krankenhausleistungen

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 15/21R entschieden, dass Krankenhäuser wesentliche Leistungen ihres Versorgungsauftrags nicht auf Dritte auslagern dürfen und zur „Bereitstellung“ der Ausstattung für die im Krankenhausplan vorgesehenen Leistungen verpflichtet sind.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommenen Plankrankenhauses, dass u. a. über einen Versorgungsauftrag für Strahlentherapie verfügt. Die entsprechende Abteilung wurde allerdings geschlossen. Die Leistungen für stationäre Patient*innen werden auf Grundlage eines Kooperationsvertrags zwischen der Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin (Krankenhaus-Holding) und einer strahlentherapeutischen Berufsausübungsgemeinschaft, deren Ärzt*innen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind und die auf dem Gelände des Krankenhauses eine strahlentherapeutische Praxis betreibt und dafür die apparativen und räumlichen Voraussetzungen schafft, geschlossen.

Beklagte ist eine Krankenkasse, deren Versicherte an Brustkrebs erkrankt ist. Die Behandlung erfolgte zunächst mittels ambulant durchgeführter Bestrahlung in der strahlentherapeutischen Praxis. Die Patientin wurde sodann stationär aufgenommen und weiterhin in der Praxis bestrahlt. Die Klägerin stellte der Beklagten zunächst 3.486,29 € für die DRG 165B „Bösartige Neubildung des Bindegewebes einschließlich pathologischer Fraktur“ in Rechnung. Mit korrigierter Rechnung machte die Klägerin Leistungen einer Vergütung i. H. v. insgesamt 7.413,80 € für die DRG I39Z „Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe, mehr als 8 Bestrahlungen“ geltend. Die Beklagte zahlte den Unterschiedsbetrag zur ursprünglichen Rechnung nicht. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung war der Auffassung, die während einer stationären Krankenhausbehandlung erbrachten ambulanten Leistungen könnten nicht abgerechnet werden.

Das Sozialgericht Stuttgart verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Unterschiedsbetrags. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies die Berufung der Beklagten zurück. Auf die Revision der Beklagten wurde die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Kern der Entscheidung ist die Frage, ob es sich bei den von der strahlentherapeutischen Praxis erbrachten Leistungen um vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG handelt. Das Berufungsgericht hatte argumentiert, dass der Vergütung nicht entgegenstünde, dass die Klägerin die strahlentherapeutischen Leistungen nicht durch eigenes Personal erbracht habe. Es handele sich um vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter im Sinne der Norm.

Dem ist das BSG entgegengetreten. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG erlaube nicht, dass das Krankenhaus wesentliche der vom Versorgungsauftrag umfassten Leistungen regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagert, die nicht in seiner Organisation eingebunden sind. Das Krankenhaus habe für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche, Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme etc. die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Wesentliche Leistungen seien dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Labor- oder radiologische Untersuchungen. Das Krankenhaus, das mit einer Fachabteilung für Strahlentherapie im Krankenhausplan ausgewiesen war, hätte die Bestrahlungen, die für ein Krankenhaus mit einem Versorgungsauftrag für Strahlentherapie wesentlich sind, selbst erbringen müssen.

Unser Praxishinweis

Outsourcing-Überlegungen beschäftigen Krankenhäuser und auch Gerichte seit vielen Jahren, z. B. in den Bereichen Physio-, Ergo- und Logopädie. Die Auslagerung von bestimmten Leistungen vor allem in den Bereichen Radiologie und Strahlentherapie scheint verbreitet. Die Möglichkeiten des Outsourcings werden durch die Festlegung der Fachabteilungen im Krankenhausplan definiert, wozu auch die therapeutischen Fachabteilungen gehören, die in einem Krankenhaus verfügbar sein müssen, aber im Krankenhausplan bzw. dem Feststellungsbescheid nicht explizit genannt werden. Vor diesem Hintergrund vermag die Entscheidung, die hier die Auslagerung von Bereichen, für die ein Versorgungsauftrag besteht, nicht unbedingt zu überraschen.

Die Entscheidung wird gleichwohl erhebliche Konsequenzen haben. Die Kostenträger werden sich die Kooperationen zukünftig sehr viel genauer ansehen und zunehmend die Vergütung von Leistungen, die auf Grundlage von Kooperationsverträgen erbracht wurden, verweigern. Es wird für Krankenhausträger weniger attraktiv, bestimmte Bereiche auszulagern, und für Kooperationspartner weniger lukrativ, mit Krankenhäusern zu kooperieren. Ob sich der frühere Trend zum Outsourcing gar umkehren wird bleibt abzuwarten. Die wirtschaftliche Belastung von Krankenhäusern wird sich jedenfalls weiter erhöhen, da die Möglichkeiten, Kosten zu sparen, verringert werden.

Die Entscheidung steht außerdem im Konflikt zu der gängigen Handhabung in den für die Krankenhausplanung zuständigen Bundesländern, wie sich z. B. im aktuellen Krankenhausplan 2022 für Nordrhein-Westfalen, der nur einen Tag nach dem Terminbericht veröffentlicht wurde (vgl. hierzu den Beitrag im Heft), zeigt. Unter der Überschrift „Erfüllung von Anforderungen am Standort oder in Kooperation“ heißt es dort, dass die personellen und apparativen Mindestanforderungen durch eine im geforderten Umfang am Standort verfügbare personelle/apparative Dienstleistung im Sinne eines verbindlichen, auf Dauer angelegten Versorgungsvertrages erfolgen können. Diese Dienstleistung könne z. B. durch eine am Standort befindliche Praxis, ein MVZ oder telemedizinische Strukturen gewährleistet werden. Nicht abschließend genannt werden radiologische, strahlentherapeutische, nephrologische, hämatoonkologische oder physiotherapeutische Einrichtungen.

Krankenhausträger sind jedenfalls gut beraten, ihre bestehenden Strukturen und Kooperationen auf (ggf. auch weit zurückliegende) Auslagerungsvorgänge zu überprüfen und die damit einhergehenden Risiken zu evaluieren. Auch die Machbarkeit bzw. Wirtschaftlichkeit angedachter Auslagerungsvorgänge ist vor dem Hintergrund der Entscheidung zu überprüfen. Dabei unterstützen wir Sie gerne.

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Autor:

Dr. Moritz Ulrich
Tel: + 49 30 208 88 1408

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.