Klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln in Europa nach der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 – was ändert sich?

Am 31. Januar 2022 trat die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 (Clinical Trials Regulation – CTR) über die Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln in Kraft. Die CTR löst die Richtlinie 2001/20/EG ab und sorgt nunmehr durch ihre unmittelbare Geltung in den EU-Mitgliedstaaten für ein einheitliches Einreichungs-, Bewertungs- und Überwachungsverfahren bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln.

Wesentliche Änderungen

Die Kernelemente der Neuregelung für das Genehmigungsverfahren sind:

  • Entwicklung eines EU-Informationssystems für klinische Prüfungen

Bisher waren Sponsoren angehalten, in jedem Mitgliedstaat, in dem sie eine klinische Prüfung durchzuführen beabsichtigten, einen Genehmigungsantrag einzureichen. Nach Art. 5 Abs. 1 der CTR erfolgt die Antragstellung nunmehr vollständig auf elektronischem Weg über das gemeinsame europäische elektronische Portal (EU-Portal) als Teil des EU-Informationssystems für klinische Prüfungen – (Clinical Trials Information System – CTIS) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Über das CTIS wird gleichzeitig auch jegliche Kommunikation im Verfahren, z. B. die Meldung unerwünschter Ereignisse nach Art. 53 der CTR durch den Sponsor, geführt. Die Durchführung multizentrischer klinischer Prüfungen wird durch die Einführung von CTIS erleichtert, weil der Antragsteller mit einem einzigen Antrag die Autorisierung klinischer Prüfungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU und den Staaten des EWR beantragen kann. Die EU-Mitgliedstaaten und die EWR-Staaten werden die klinischen Prüfungen im CTIS bewerten und überwachen.

  • Aufteilung des Antragsdossiers in Teil I und Teil II

Das Antragsdossier (Clincial Trial Application Dossier – CTA-Dossier) und der Bewertungsbericht der Mitgliedstaaten sind von nun an in zwei Teile aufgeteilt. Teil I ist für alle beteiligten Mitgliedstaaten identisch und umfasst insbesondere Prüfplan, Prüfarzneimittel- Dossiers (IMPD) und Prüferbroschüren (Investigator’s Brochure) (vgl. Art. 6 der CTR). Teil II soll die nationalen Belange der jeweiligen Mitgliedstaaten berücksichtigen, z. B. die nach Art. 7 Abs. 1 lit. a und b der CTR erforderliche Einhaltung der Voraussetzungen für die Einwilligung nach Aufklärung und Vergütung oder Aufwandsentschädigung der Prüfungsteilnehmer.

  • Gemeinschaftliche fachliche Bewertung von Teil I des Antragsdossiers durch alle beteiligten Mitgliedstaaten unter Koordination eines berichterstattenden Mitgliedstaates

Nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 der CTR schlägt der Sponsor im Rahmen des Antragsverfahrens einen Mitgliedstaat als berichterstattenden Mitgliedstaat (Reporting Member State – RMS) vor. Der RMS agiert als sog. berichterstattender Mitgliedstaat und koordiniert die klinische Prüfung. Nach Art. 6 Abs. 2, 8 der CTR obliegt es ihm, den ersten Bewertungsbericht (Assessment Report) für die gemeinsame Bewertung durch alle beteiligten Mitgliedstaaten zu entwerfen und eine verbindliche Entscheidung über Teil I zu treffen. Die Kommunikation zwischen berichterstattendem Mitgliedstaat, Sponsor, den betroffenen Mitgliedstaaten und der EU-Kommission erfolgt über das EU-Portal.

  • Verkürzte Bearbeitungs- und Stellungnahmefristen

Nach Art. 5 Abs. 3 der CTR ist der berichterstattende Mitgliedstaat verpflichtet, innerhalb von zehn Tagen nach Einreichung des Antragsdossiers den Antrag zu validieren. Gemäß Art. 7 Abs. 2 der CTR nimmt jeder betroffene Mitgliedstaat innerhalb von 45 Tagen nach Validierung des Antrags seine Bewertung vor und übermittelt über das EU-Portal Teil II des Bewertungsberichts, einschließlich seiner Entscheidung, dem Sponsor. Für den Sponsor gilt nach Art. 7 Abs. 3 S. 1 der CTR, dass die Anforderung zusätzlicher Informationen innerhalb von einer von dem betroffenen Mitgliedstaat gesetzten Frist von bis zu 12 Tagen zu erfolgen hat. Die behördliche Bearbeitungszeit von Anträgen darf unter Berücksichtigung sämtlicher Fristen 60 Tage nicht überschreiten.

Übergangsfristen

Nach Art. 98 der CTR dürfen klinische Prüfungen, die nach dem bisherigen Recht begonnen wurden, noch bis zum 31. Januar 2025 nach bisherigem Recht fortgeführt werden und müssen anschließend in das CTIS übertragen werden. Ab dem 31. Januar 2023 müssen alle Anträge auf neue klinische Prüfungen in der EU und im EWR über das CTIS eingereicht werden.

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