Gemeinnützigkeit von Servicegesellschaften und „planmäßiges Zusammenwirken“ – Neues aus der Finanzverwaltung

Mit Schreiben vom 12. Januar 2022 (BStBl. I 2022, Seite 82) wurde der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) in Hinblick auf die Auslegung der Vorschriften zur Gemeinnützigkeit und insbesondere auch zur Beurteilung von Kooperationen geändert. Hieraus ergeben sich neue Anwendungsmöglichkeiten in Hinblick auf die Zusammenarbeit gemeinnütziger Körperschaften sowie gewisse Erleichterung bei der Überführung von Servicegesellschaften in die Gemeinnützigkeit.

Hintergrund

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber (u. a.) die Abgabenordnung (AO) wie folgt geändert:

  • Nach § 57 Abs. 3 AO kann die Gemeinnützigkeit einer Gesellschaft und/oder die Zweckbetriebseigenschaft einer Tätigkeit auch durch das satzungsgemäße planmäßige Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren gemeinnützigen Körperschaft begründet werden. Dieses ermöglicht insbesondere, bisher gewerbliche Servicegesellschaften künftig ebenfalls gemeinnützig zu führen.
  • Für Mittelzuwendungen i. S. d. § 58 Nr. 1 AO von einer gemeinnützigen Körperschaft an eine andere wurde das Verständnis der Rechtsprechung, dass alle Vermögenswerte der gemeinnützigen Körperschaft als Mittel gelten, in die AO übernommen.

Mit Schreiben vom 6. August 2021 hat das BMF erstmals die Sichtweise der Finanzverwaltung zu diesen Gesetzesänderungen wie folgt dargelegt:

  • § 57 Abs. 3 AO kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn in den Satzungen aller Beteiligten die Kooperationspartner namentlich und zusätzlich die Art und Weise der Zusammenarbeit benannt werden.
  • Als Mittelzuwendungen i. S. d. § 58 Nr. 1 AO gelten auch die Erbringung von Dienstleistungen oder Nutzungsüberlassungen an andere gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke. Sie sind dem Zweckbetrieb bzw. der ideellen Sphäre zuzurechnen, wenn sie unentgeltlich oder höchstens gegen Kostenübernahme erbracht werden.

Mit dem neuen Schreiben vom 12. Januar 2022 hält die Finanzverwaltung an dieser grundsätzlichen Auffassung fest, modifiziert diese aber leicht:

  • Beim planmäßigen Zusammenwirken nach § 57 Abs. 3 AO im gemeinnützigen Konzern oder Unternehmensverbund soll nunmehr der satzungsgemäße Hinweis auf den Konzernkreis ausreichen. Eine namentliche Benennung aller Einzelgesellschaften in der Satzung soll in diesen Fällen nicht mehr erforderlich sein. Allerdings ist dem Finanzamt vorab bei Begründung des Zusammenwirkens eine Aufstellung vorzulegen, Änderungen der Kooperationspartner sind mitzuteilen. Weiterhin muss bei der Körperschaft, die sich für ihre Leistungen auf § 57 Abs. 3 AO beruft, die entsprechende Satzung zivilrechtlich wirksam sein, z. B. durch Registereintrag. Bei dem Leistungsempfänger soll es ausreichen, wenn ein wirksamer Organbeschluss vorliegt und das Verfahren zum Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit eingeleitet wurde.
  • Als Mittelzuwendungen, die nach § 58 Nr. 1 AO zur Annahme eines Zweckbetriebs führen, gelten nunmehr explizit auch Warenlieferungen. Das heißt, sofern die Lieferung unentgeltlich oder höchstens gegen Kostenübernahme erfolgt, kann sie nach dieser Vorschrift einem Zweckbetrieb bzw. der ideellen Sphäre zugerechnet werden.

Die Änderungen führen zu einer gewissen Erleichterung bei der Anwendung der Vorschriften. Allerdings bleibt die Finanzverwaltung bei ihrem Kurs, die durch den Gesetzgeber gewollte Möglichkeit der Überführung bisher gewerblich tätiger Servicegesellschaften in die Gemeinnützigkeit durch formelle Hürden zu erschweren und andererseits quasi im Billigkeitsweg bisher steuerpflichtige Leistungen zwischen gemeinnützigen Einrichtungen bei genehmer Preisgestaltung in die Steuerbefreiung einzubeziehen. In jedem Fall bedarf es zur Anwendung beider Möglichkeiten einer intensiven Auseinandersetzung mit den Regelungen und typischerweise einer Abstimmung mit der Finanzverwaltung, allein schon da durchgängig unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden. Beispiel: Können im Rahmen einer „Kostenübernahme“ nur die Einzel- oder auch die Gemeinkosten weiterbelastet werden?

Unabhängig vom AEAO steht es dem Steuerpflichtigen natürlich frei, sich hinsichtlich § 57 Abs. 3 AO unmittelbar auf den sehr viel weniger restriktiven Gesetzestext zu berufen. Die Verwaltungsvorschrift ist lediglich für die Finanzämter, nicht aber für den Steuerpflichtigen oder die Finanzgerichte bindend. Nach einhelliger Meinung der bisher veröffentlichten Literatur finden die restriktiven Anforderungen der Finanzverwaltung keine Grundlage im Gesetz. Im Fall einer ablehnenden Haltung des Finanzamtes stehen damit ausreichend Materialien für die Begründung von Rechtsbehelfen zur Verfügung. Davon ausgehend, dass die Finanzverwaltung im Einspruchsverfahren weiterhin die Auffassung der Verwaltungsvorschriften vertreten wird, könnte dabei die Sprungklage nach § 45 FGO ein geeignetes Mittel sein, um eine zügige Klärung herbeizuführen.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autor:

Jens Krieger
Tel: + 49 30 208 88 1280

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.