Zytostatika: Erste Entscheidungen von BGH und BSG

06.05.2019 – Am 24.9.2014 entschied der BFH, dass die Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke im Rahmen einer ambulant im Krankenhaus durchgeführten Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit ist. Mit BMF-Schreiben vom 28.9.2016 schloss sich die Finanzverwaltung dieser Rechtsprechung an. Bis dahin wurden diese Umsätze als umsatzsteuerpflichtig angesehen und abgerechnet. Im Nachgang der BFH-Entscheidung fordern die Kostenträger die gezahlte Umsatzsteuer zurück. Nach divergierenden erst- und zweitinstanzlichen Urteilen entschieden im Februar bzw. April 2019 erstmals die zuständigen Bundesgerichte.

Für die privaten Krankenkassen entschied der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs in vier Urteilen vom 20.2.2019, dass in bestimmten Fällen ein Rückforderungsrecht der Kostenträger besteht und wie dessen Höhe zu ermitteln sei. Die Abgabe der Zytostatika wurde in allen Fällen anhand einer Bruttopreisvereinbarung abgerechnet. Die Vertragsparteien seien übereinstimmend fehlerhaft von einer Umsatzsteuerpflicht der Lieferungen ausgegangen und trafen keine Regelungen für den Fall der Umsatzsteuerfreiheit. Für den Interessenausgleich sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für den Fall der Umsatzsteuerfreiheit vereinbart hätten.

Im typischen Fall, dass keine Rechnungen im umsatzsteuerlichen Sinne (§ 14 UStG) gestellt wurden und dass die Steuerveranlagung änderbar ist, wirkt der Wegfall der Umsatzsteuerpflicht unmittelbar auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung zurück. Unter Berücksichtigung des mit der Umsatzsteuerfreiheit einhergehenden Wegfalls der Vorsteuerabzugsberechtigung (§ 15 Abs. 2 UStG) hätten die Vertragsparteien daher nach Auffassung des BGH eine Rückzahlung der berechneten Umsatzsteuer abzüglich des Betrages der entfallenen Vorsteuer vereinbart.

Soweit jedoch Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gestellt wurden wird die Umsatzsteuer im Fall der nachträglichen Umsatzsteuerfreiheit bis zum Zeitpunkt einer Rechnungsberichtigung gemäß § 14c UStG geschuldet. Die Vorsteuerabzugsberechtigung würde hiervon abweichend bereits im Jahr des Leistungsbezugs entfallen und die Nachzahlung gemäß § 233 a UstG zu verzinsen sein. Sich hiernach ergebende Zinsschulden sind zugunsten des Krankenhauses zu berücksichtigen.

Einwendungen der Krankenhäuser, dass Steuerberichtigungen gegenüber dem Finanzamt mit erheblichen Aufwand verbunden sind ließ der BGH ebenso wenig wie eine Berufung auf eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB aufgrund Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt unter Verweis auf den hypothetischen Parteienwillen nicht gelten. Auch die Einrede der Verjährung greife nicht, da die maßgeblichen Ansprüche erst mit dem BMF-Schreiben 2016 entstanden seien. Erst hiernach hätten die Krankenhäuser die sichere Möglichkeit der Rückforderung der vereinnahmten Umsatzsteuer vom Finanzamt ohne etwaige finanzgerichtliche Durchsetzung gehabt. Die regelmäßige Verjährung würde damit erst mit Verstreichen des 31.12.2019 enden.

Für die gesetzlichen Krankenversicherungen lagen dem BSG am 10.4.2019 zwei Fälle zur Entscheidung vor. Während die Parteien in dem umfassenden Fall einen Vergleich schlossen wurde in dem zweiten Fall aus 2010 das Krankenhaus verpflichtet Umsatzsteuer an die Krankenkasse zurückzuzahlen. Streitig war hier (nur) die Umsatzsteuer auf die vertragliche Herstellungspauschale von 16 Euro pro Zubereitung. Nicht zur Entscheidung stand ob und in welcher Höhe (ggfs. nach Abzug von nicht abzugsfähigen Vorsteuer) ein Rückzahlungsanspruch für Umsatzsteuer auf Materialkosten besteht.

Gemäß dem veröffentlichten Terminbericht bejaht das BSG einen Rückzahlungsanspruch. Für Zeiträume deren Steuerveranlagung noch änderbar ist, leite sich dieser aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ab. Seien die maßgeblichen Steueranmeldungen dagegen nicht mehr abänderbar, beruhe der Anspruch auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch. Eine detaillierte Entscheidungsbegründung liegt noch nicht vor.

Das Thema Zytostatika wird die betroffenen Krankenhäuser weiterhin beschäftigen. Der Tenor des BGH, dass Krankenhäuser nur die tatsächlich vom Finanzamt zurückerhaltene Umsatzsteuer nach Abzug der Vorsteuerminderung an die Kassen auszukehren haben dürfte sowohl dem wirtschaftlich sinnvollen, wie auch dem Sinn und Zweck der Umsatzsteuer entsprechen.

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