„Ziviler Ungehorsam“ als Ausschlussgrund für die Gemeinnützigkeit?

17.06.2019 – (Öffentliche Sachverständigenanhörung im Finanzausschuss am 13.2.2019 zum Antrag der FDP „Straftaten und Gemeinnützigkeit schließen sich aus“, BT-Drs. 19/2580 vom 6.6.2018)

Die Sachverständigen in der Anhörung des Bundestags- Finanzausschusses am 13.2.2019 vertraten unterschiedliche Auffassungen zum Antrag der FDP mit der Überschrift „Straftaten und Gemeinnützigkeit schließen sich aus“.

Als Sachverständige geladen waren: Prof. Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof (Deutscher Finanzgerichtstag e. V.), Dr. Ulf Buermeyer, LL. M. (Columbia University School of Law), Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Stefan Diefenbach- Trommer, Koordination der Allianz („Rechtssicherheit für politische Willensbildung“), Thomas Eigenthaler, Deutsche Steuer-Gewerkschaft e. V. und Dr. Walter Scheuerl, Rechtsanwalt.

DER ANTRAG DER FDP

Bereits im Juni 2018 forderte die FDP mit ihrem Antrag die Bundesregierung auf, Körperschaften die Gemeinnützigkeit zu verwehren, wenn deren Repräsentanten bei der Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der Körperschaft gegen die geltenden Strafgesetze verstoßen oder zu einem solchen Rechtsbruch aufrufen.

Die FDP bezieht sich in ihrem Antrag ausdrücklich auf die Tierrechtsorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals). PETA ist in der Vergangenheit wegen seiner umstrittenen Werbekampagnen (z. B. „Milk kills“) und der Verwendung zugespielten Materials aus Stalleinbrüchen in die Kritik geraten.

„MISSBRAUCH DES GEMEINNÜTZIGKEITSPRIVILEGS“

RA Dr. Scheuerl ist der Auffassung, dass das Begehen oder Ausnutzen von Straftaten ein Missbrauch des Gemeinnützigkeitsprivilegs darstelle. Das Einbrechen in Ställe stehe im Widerspruch zur Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet. Das Kriterium der Unmittelbarkeit schließe grundsätzlich eine andere Zweckverfolgung als die der Gemeinnützigkeit und damit die Begehung von Straftaten aus.

„AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM STRAFRECHT FÖRDERUNGSWÜRDIG“

Richter Dr. Ulf Buermeyer widersprach der Aussage, dass Stalleinbrüche im Regelfall eine Straftat seien, vehement und gibt zu bedenken, dass ein Stalleinbruch durch das Konstrukt des Notstandes gerechtfertigt sein könne.

In einer lebendigen Demokratie sei die kritische Auseinandersetzung mit dem geltenden Strafrecht und seiner Anwendung in jedem Fall wünschenswert und förderungswürdig. Außerhalb des „Kernstrafrechts“ sei das Strafrecht relativ und müsse offen verhandelt werden. Man könne sich zwar nicht „einfach so“ ständig strafbar machen. Aber es müsse möglich sein, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Normen nicht mehr den geltenden Moralvorstellungen entsprechen. Die Auswirkung auf die Gemeinnützigkeit dürfe Organisationen nicht davon abhalten, an diesem Diskurs teilzuhaben.

PRAXISHINWEIS

Der Deutsche Finanzgerichtstag erkannte in der Anhörung des Finanzausschusses zwar keinen konkreten Handlungsbedarf für gesetzgeberische Maßnahmen. Die Grenzen des strafrechtlich Zulässigen sollten durch NPOs dennoch nicht überschritten werden, da dies auch nach aktuellem Recht in Bezug auf die Gemeinnützigkeit problematisch sein kann. Grundsätzlich ist die juristische Zurechnung von Straftaten einzelner Mitglieder zur gesamten Organisation aber sehr schwierig. Teil des politischen und gesellschaftlichen Diskurses ist zudem auch die Frage, wann etwas strafbar ist, und die Aushandlung des als strafbar geltenden Verhaltens durch die Zivilgesellschaft. Außerdem kann strafrechtlich relevantes Verhalten im Einzelfall gerechtfertigt sein.

Autor:

Dr. Katarina Günther
Tel: +49 30 208 88-1076
katarina.günther@mazars.de

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Dies ist ein Beitrag aus unserem NPO-Newsletter 1-2019. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier .