OLG Frankfurt zur einseitigen Änderung von Preisänderungsklauseln durch öffentliche Bekanntgabe

03.07.2019 – Zwei Fernwärmeversorger beliefern ihre Kunden in ihren Versorgungsgebieten mit Fernwärme auf Grundlage von Fernwärmelieferverträgen, die Preisänderungsklauseln enthalten. Diese haben, wie in der Branche üblich, (Erstvertrags-) Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren. Im Herbst 2015 änderten die Fernwärmeversorger ihr Preissystem und die Preisänderungsklauseln auf Grundlage des § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV durch öffentliche Bekanntgabe. Hiergegen klagte ein Verbraucherschutzverband, der die mitgeteilte einseitig vorgenommene Änderung der Preisänderungsklausel für unwirksam hielt. In seinen Urteilen vom 21.3.2019 (Az. 6 U 190/17 und 6 U 191/17) entschied das OLG Frankfurt am Main, dass ein entsprechendes Änderungsrecht auf Grundlage des § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV nicht bestehe.

Das OLG Frankfurt am Main stützt sich dabei vor allem auf das Urteil des BGH vom 19.7.2017 (Az. ZR 268/15, dort Rn. 57), wonach Ansprüche eines Fernwärmeversorgers aus einer geänderten Preisänderungsregelung nur dann zugrunde gelegt werden könnten, wenn diese Preisänderungsregelung gemäß §§ 145 ff. BGB durch aufeinander bezogene korrespondierende Willenserklärungen der Parteien (Angebot und Annahme) Vertragsbestandteil geworden sei. Hieraus folgert das OLG Frankfurt am Main, dass ein Fernwärmeversorger zu einer einseitigen Änderung der Preisänderungsregelung, auch wenn diese Versorgungsbedingungen im Sinne des § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV darstellen, nicht befugt sei.

§ 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV stelle nur eine formelle Voraussetzung für das Wirksamwerden von geänderten Versorgungsbedingungen dar. Andernfalls bedürfe es zur Durchsetzung einer Preisänderung keiner Vereinbarung von Preisänderungsklauseln. Etwas anderes ergebe sich nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main nicht aus der Verordnungsbegründung, da danach einseitige Änderungen nur möglich seien, soweit die Verordnung solche zulasse. Dass die Preisänderungsklauseln selbst einseitig geändert werden könnten, lasse sich aus der Verordnungsbegründung nicht ableiten.

Die Ausführungen des OLG Frankfurt sind u. E. kritisch zu sehen. Die Erwägung des BGH in dem Urteil vom 19.7.2017 kann u. E. nicht so verstanden werden, dass damit die Frage, ob § 4 AVBFernwärmeV ein Vertragsänderungsrecht regelt, abschließend entschieden wurde. Dies hätte vorausgesetzt, dass sich der BGH im Wege der Gesetzesauslegung eingehend mit der AVBFernwärmeV auseinandersetzt, insbesondere in systematischer und historischer Hinsicht. Daneben hätte der BGH die zahlreichen Quellen aus Literatur und Rechtsprechung gewürdigt, die sich bereits mit dem Vertragsänderungsrecht aus § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV befasst bzw. ein solches bejaht haben. Beides hat der BGH aber nicht getan.

§ 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV mag daneben zwar als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung eingeordnet werden. Das OLG Frankfurt am Main verkennt jedoch, dass die Befugnis zur gesetzlichen Anpassung durch § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBFernwärmeV anerkannt wird. In Abs. 1 ist die Rede von den „jeweiligen“ Versorgungsbedingungen, woraus sich eine zeitliche Komponente ergibt, aus der ersichtlich ist, dass sich die Versorgungsbedingungen (in Verbindung mit Abs. 2 auch einseitig) ändern können. Die AVBFernwärmeV ermächtigt (mit Ausnahme des § 18 Abs. 1 Satz 5 Hs. 2 AVBFernwärmeV) ferner an keiner Stelle ausdrücklich zur Anpassung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen gemäß § 4 AVBFernwärmeV. Die Regelung würde nach der Lesart des OLG Frankfurt insofern insgesamt leerlaufen und keinen Anwendungsbereich haben.

Vor dem Hintergrund der häufig lang laufenden Wärmelieferverträge ist ein Anpassungsrecht des Fernwärmeversorgers – insbesondere bei wesentlichen Änderungen seiner Erzeugung – geboten, das nicht durch die Möglichkeit einer Änderungskündigung kompensiert werden kann. Damit steht die Rechtsprechung in Widerspruch zu den nationalen und internationalen Bestrebungen einer klimafreundlicheren Energieerzeugung, die in vielen Fällen eine Umstellung der Erzeugung erfordert.

Gegen die Urteile des OLG Frankfurt am Main wurde die Revision eingelegt, sodass die Reaktion des BGH gespannt abgewartet werden darf.

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