Zinsen auf Steuernachzahlungen verfassungswidrig? – Eine FAQ für NPOs

06.08.2018 – Zinsen auf Steuernachzahlungen verfassungswidrig? – Eine FAQ für NPOs

Worum geht es?

Gemäß §§ 233–239 AO sind Steuerzahlungen mit 6 % zu verzinsen, soweit sie nicht innerhalb von 15 Monaten nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes festgesetzt und gezahlt werden. Wurde etwa die Körperschaftsteuererklärung im Dezember 2017 abgegeben und die Bescheide erst im Juni erlassen, ist die Abschlusszahlung oder die Abschlusserstattung für die (vollen) Monate April und Mai zu verzinsen. Wird Jahre später eine Betriebsprüfung durchgeführt, die zu weiteren Nachzahlungen führt, so ist auch dieser Betrag zu verzinsen. Da teilweise Betriebsprüfungen weit zurückliegende Jahre betreffen, können die Zinsen erheblich sein. Werden die Bescheide etwa 6 Jahre nach einem Veranlagungszeitraum festgesetzt, beträgt die Zinslast schnell 30 % der Steuernachzahlung. Dieses gilt übrigens auch andersherum im Erstattungsfall zugunsten des Steuerpflichtigen.

Was ist bisher passiert?

Vor dem Hintergrund der seit 2008 anhaltenden Niedrigzinsphase hat der BFH mit Beschluss vom 25.4.2018 in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) die Höhe der Zinsen als möglicherweise verfassungswidrig angesehen und dem Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung von Nachzahlungszinsen gewährt. Der Steuerpflichtige muss die Zinsen also zunächst nicht zahlen.

Dem Bundesverfassungsgericht liegen aktuell gleich zwei Verfassungsbeschwerden bezüglich der Höhe der Nachzahlungszinsen (Aktenzeichen 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) vor. Am 26.4.2018 hat auch das IDW in einer zu diesen Verfahren angeforderten und auf seiner Internetseite allgemein veröffentlichten Stellungnahme ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dargelegt. Bereits Anfang 2017 hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Kurzgutachten eine Rechtssprechungsänderung nicht mehr für ausgeschlossen gehalten.

Kurzum: Es bestehen begründete Zweifel, ob die derzeitige Zinshöhe Bestand haben wird.

Um welche Zinsen geht es eigentlich?

Es geht um alle Zinsen, die unter Anwendung der §§ 233–239 AO festgesetzt werden. Neben dem Klassiker der Nachzahlungszinsen sind also auch Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen und Aussetzungszinsen ggfs. verfassungswidrig. Grund ist, dass für alle diese Zinsen der Zinssatz nach § 238 AO festgesetzt wird. Zudem sind Zinsen auf alle Steuerarten betroffen, beispielsweise auch auf die Gewerbesteuer, die häufig von den Kommunen festgesetzt werden.

Wie geht es weiter?

Derzeit ist nicht bekannt, wann (und natürlich auch wie) das Bundesverfassungsgericht in den beiden anhängigen Verfahren entscheiden wird.

Welche Szenarien gibt es?

Viele. In der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht teilweise Gesetze rückwirkend für unwirksam erklärt, teilweise den Gesetzgeber rückwirkend zur Schaffung einer verfassungskonformen Regelung angehalten, teilweise aber eine solche auch erst mit Wirkung ab einem späteren Veranlagungszeitraum gefordert.

Zu beachten ist, dass nicht die Zinsfestsetzung an sich zur Diskussion stehen dürfte, sondern nur die Höhe des anzusetzenden Zinssatzes. Es könnte im besten Fall dazu kommen, dass sich die Zinslast reduziert.

Wie reagiert die Finanzverwaltung?

Mit Schreiben vom 14.6.2018 hat sich das Bundesministerium für Finanzen in Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder zum Thema geäußert. Es bringt zum Ausdruck, dass es selbst keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsen hat. Gleichwohl werden die Finanzämter mit Blick auf den AdV-Beschluss des BFH angewiesen, auf Antrag Aussetzung der festgesetzten Zinsen ab 2015 zu gewähren. Für Zinsfestsetzungen aus früheren Jahren müsste eine besondere Härte nachgewiesen werden. Ansonsten würde es in solchen Fällen nur zu einer teilweisen Aussetzung kommen, soweit die Zinsen auf 2015 ff. entfallen.

Ich habe einen Steuerbescheid bekommen, in dem Zinsen festgesetzt wurden. Was ist zu tun?

Zinsfestsetzungen sind eigenständige Verwaltungsakte, gegen die Einspruch eingelegt werden kann. Vorab ist zu prüfen, ob sich ein Einspruch im Einzelfall lohnt. Bei Kleinbeträgen wird dieses eher nicht wirtschaftlich sein. Bei größeren Beträgen, zum Beispiel nach Betriebsprüfungen, könnte eine Absenkung des Zinssatzes dagegen schon deutliche Auswirkungen haben.

Voraussetzung für eine Aussetzung der Vollziehung ist, dass innerhalb der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist unter Hinweis auf die vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren Einspruch gegen die Zinsfestsetzung eingelegt und unter Hinweis auf das genannte BMF-Schreiben AdV beantragt wird.

Quizfrage: Sind die ausgesetzten Zinszahlungen wiederum zu verzinsen?

Nein, die Zinsfestsetzung nach §§ 233–239 AO bezieht sich ausschließlich auf Steuernachzahlungen. Steuerliche Nebenleistungen, zu denen die Zinsen gehören, sind hiervon ausdrücklich ausgenommen (§ 233 Satz 2 AO i. V. m. § 3 Abs. 4 Nr. 4 AO). Für den Steuerpflichtigen entsteht insoweit kein weiteres Risiko.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

* mandatory fields

Ich stimme zu, dass meine Angaben zur Kontaktaufnahme und für die Zuordnung für eventuelle Rückfragen gespeichert werden. Ich habe die Erklärung zum Datenschutz gelesen und akzeptiere diese.

Dies ist ein Beitrag aus unserem NPO-Newsletter 1-2018. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier.