Nachweis der Erbenstellung gegenüber Kreditinstituten auch ohne Erbschein möglich

30.08.2016 – Mit Urteil vom 5. April 2016 (Az.: XI ZR 440/15) hat der BGH entschieden, dass ein Erbe sein Erbrecht gegenüber einem Kreditinstitut auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments nachweisen kann, soweit dieses die im Rechtsverkehr erforderliche Eindeutigkeit aufweist.

Der BGH attestierte einer Sparkasse einen Verstoß gegen die ihr obliegende vertragliche Leistungstreuepflicht, indem sie die Freigabe der Konten eines Verstorbenen von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht hatte. Die mit der Erteilung des Erbscheins verbundenen Kosten wurden vom Kreditinstitut unnötigerweise verursacht, sodass dafür Schadenersatz zu leisten war.

Damit führt der BGH seine Rechtsprechung insoweit fort, dass der Erbe grundsätzlich nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht ausschließlich durch einen kostenintensiven Erbschein nachzuweisen. Vielmehr besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in Form eines öffentlichen oder eigenhändigen Testaments oder im Falle gesetzlicher Erbfolge durch Urkunden, aus denen sich eine Erbenstellung ergibt, zu erbringen.

Der BGH differenziert hinsichtlich der Nachweiskraft jedoch ausdrücklich zwischen notariellen und privatschriftlichen Testamenten: Während ein eröffnetes notarielles Testament regelmäßig als ausreichender Nachweis für die Rechtsnachfolge anzusehen ist, kommt einem eigenhändigen Testament nach §§ 2247, 2267 BGB eine solche widerlegbare Vermutung nicht zu, da aufgrund von Rechtsunkenntnis, unklarer Formulierungen sowie möglicher Urkundenunterdrückung und -fälschung die Gefahren beim privatschriftlichen Testament erheblich höher sind als bei einem durch einen Notar errichteten Testament. Daher ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein eigenhändiges Testament nebst einer beglaubigten Abschrift eines Eröffnungsprotokolls die im Rechtsverkehr erforderliche Eindeutigkeit aufweist. Lediglich bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der aus dem eigenhändigen Testament folgenden Erbfolge kann die Bank berechtigt sein, einen Erbschein zu fordern.

Praxishinweis

Mit dem Urteil stärkt der BGH insbesondere die Position von Erben von Kapitalvermögen. Die Entscheidung ist daher aus Beraterperspektive zu begrüßen, da sie dem Trend einer pauschalen Forderung von Banken nach einem legitimierenden Erbschein entgegentritt.

Sofern in der Vergangenheit ein Erbschein lediglich zum Nachweis der Erbenstellung gegenüber der Bank beantragt wurde, sollte überprüft werden, inwieweit die angefallenen Gerichtskosten als Schadenersatz der Bank in Rechnung gestellt werden können.

Bei künftigen Erbfällen sollten entsprechende Anforderungen von Kreditinstituten im Hinblick auf die ergangene Entscheidung sorgfältig geprüft werden, um ggf. Kosten und Zeit für einen Erbschein zu sparen.

Soweit der Erbberechtigungsnachweis auf AGBs in den jeweiligen Kontoverträgen gestützt wird, sind auch diese umfassend auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Bereits in einer Vorentscheidung aus 2013 hat der BGH (Az.: XI ZR 401/12) dazu verbraucherfreundlich umfassend Stellung bezogen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.