BGH bestätigt den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor für Gasnetzbetreiber

Der BGH bestätigt mit Beschluss vom 26. Januar 2021 – EnVR 101/19 – den von der Bundesnetzagentur (BNetzA) für Gasnetzbetreiber festgelegten generellen sektoralen Produktivitätsfaktor. Damit hebt der BGH den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 2019 auf und weist die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur zurück.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2018 hat die Bundesnetzagentur den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor für Betreiber von Gasversorgungsnetzen gemäß § 9 Abs. 3 ARegV für die dritte Regulierungsperiode auf 0,49 % festgelegt.

Der BGH beschreibt das Vorgehen der Bundesnetzagentur wie folgt: „Vor der Entscheidung holte die Bundesnetzagentur zur Ermittlung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors ein Gutachten ein, das die Anwendung zweier unterschiedlicher Methoden empfahl. Auf Grundlage dieses Gutachtens und nach Erhebung von Daten bei den Netzbetreibern aus der Gewinn- und Verlustrechnung, zum Sachanlagevermögen und zum Personalaufwand für die Jahre 2006 bis 2016 ermittelte die Bundesnetzagentur mithilfe eines Törnqvist-Indexes, der die Produktivität von Unternehmen als Verhältnis zwischen Ausbringungsmengen (Output) und den hierfür benötigten Produktionsfaktoren (Input) auf der Grundlage von Daten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abbildet, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor von 0,49 %. Auf der Grundlage eines weiteren, als Malmquist-Methode bezeichneten Verfahrens, bei dem die Änderungen statischer Effizienzwerte von Unternehmen für unterschiedliche Perioden verglichen werden, ermittelte die Bundesnetzagentur auf der Grundlage der Daten der für die ersten drei Regulierungsperioden durchgeführten Effizienzvergleiche einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor von 0,92 %. Da die Bundesnetzagentur keine der beiden Methoden als überlegen ansah, setzte sie zugunsten der Netzbetreiber den niedrigeren Wert fest.“

Der BGH begründet seine Entscheidung auf knapp 60 Textseiten sehr ausführlich. Das vollständige Urteil findet sich hier:

Die amtlichen Leitsätze des Urteils lauten:

a)     Der Bundesnetzagentur steht bei der Bestimmung der Methoden zur Ermittlung der ökonomischen Grundlagen für die Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors ein Beurteilungsspielraum zu.

b)     Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob und inwieweit die Bundesnetzagentur verpflichtet ist, bei der Ermittlung einer volks- oder netzwirtschaftlichen Größe ein nach einer anerkannten wissenschaftlichen Methode gewonnenes Ergebnis einer Überprüfung mittels anderer oder ergänzender methodischer Ansätze zu unterziehen.

c)     Die Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen oder die Ausübung eines der Bundesnetzagentur eingeräumten (Regulierungs-)Ermessens ist an dem Ziel der bestmöglichen Ermittlung wettbewerbsanaloger Entgelte auszurichten. Die Bundesnetzagentur ist, sofern sich nicht im Einzelfall aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, nicht verpflichtet, im Zweifel die den Netzbetreibern günstigere Entscheidung zu treffen. Dies gilt auch dann, wenn – wie beim generellen sektoralen Produktivitätsfaktor – eine in die Bestimmung der Erlösobergrenze einfließende Größe in Rede steht, die als Korrekturfaktor einer anderen (volkswirtschaftlichen) Größe einen positiven oder einen negativen Wert annehmen und sich dadurch sowohl erlössenkend als auch erlöserhöhend auswirken kann.

d)     Bedient sich die Bundesnetzagentur eines Törnqvist-Indexes zum Vergleich der netzwirtschaftlichen Produktivitäts- und Einstandspreisentwicklung mit der gesamtwirt­schaft­lichen Produktivitäts- und Einstandspreisentwicklung, ist sie von Rechts wegen nicht gehindert, die gesamtwirtschaftlichen Größen durch eine Residualbetrachtung aus der Geldwertentwicklung abzuleiten. Bei der Ermittlung der Entwicklung der netzwirtschaftlichen Einstandspreise und Ausbringungsmengen ist die Bundesnetzagentur nicht an die Vorgaben der Gasnetzentgeltverordnung gebunden.

e)     Ermittelt die Bundesnetzagentur die netzwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung als Verschiebung der netzwirtschaftlichen Effizienzgrenze aus den Daten der bisherigen (statischen) Effizienzvergleiche durch Dateneinhüllungsanalysen und stochastische Effizienzgrenzenanalysen (Malmquist-Methode), ist sie zu einer Bestabrechnung entsprechend § 12 Abs. 3 und 4a ARegV nicht verpflichtet.

Die vierte Regulierungsperiode für die Gasverteilernetzbetreiber beginnt am 1. Januar 2023. Durch die vollumfängliche Bestätigung kann die Bundesnetzagentur ihre Linie zur Ermittlung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors fortsetzen. Aus Sicht der Verteilnetzbetreiber hat dieser Faktor seine Berechtigung verloren. Er wurde eingeführt, um den Abbau vermuteter „Monopolrenten“ zu beschleunigen. Nach jetzt drei Regulierungsperioden mit drastischen Erlöskürzungen ist es durchaus fraglich, ob solche noch vorzufinden sind.

Für Unterstützung und Fragen bei energierechtlichen Fragen stehen wir gern zur Verfügung.