BMF-Schreiben zur Auslegung des Substanztests gemäß § 8 Abs. 2 AStG in Drittstaatensachverhalten

19.03.2021 – Mit Schreiben vom 17. März 2021 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) Stellung zur Auslegung des Substanznachweises im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 8 Abs. 2 AStG) bezogen. Dabei schließt sich das BMF im Grundsatz der Rechtsprechung an, wonach der Substanznachweis auch für Gesellschaften in Drittstaaten eröffnet ist. Im Einzelnen vertritt das BMF dann aber eine restriktive Auslegung, der unionsrechtliche Bedenken begegnen dürften.

Hintergrund und Anwendungsbereich

Die Hinzurechnungsbesteuerung ist – nach überwiegender und vorzugswürdiger Auffassung – als Missbrauchsvermeidungsvorschrift anzusehen. Unionsrechtlich geht damit das Erfordernis einher, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, den Missbrauch zu widerlegen. Gemäß § 8 Abs. 2 AStG erfolgt dies durch Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft. Das Gesetz beschränkt die Möglichkeit des Nachweises dabei auf EU/EWR-Gesellschaften.

Nach Rechtsprechung von EuGH bzw. BFH fallen allerdings sowohl die allgemeine Besteuerung (§ 7 Abs. 1 AStG) als auch die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 6a AStG) unionsrechtlich in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt auch gegenüber Drittstaaten, weshalb ausweislich der Rechtsprechung auch in Drittstaatensachverhalten die Möglichkeit des Substanznachweis eröffnet ist. Dem schließt sich das BMF an.

Auslegung des Substanznachweises

Zur Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG finden sich in dem BMF-Schreiben einerseits Ausführungen zur Erbringung des Entlastungsbeweises im Allgemeinen und andererseits Anforderungen an die Amtshilfe in Drittstaatenfällen im Besonderen. Dem Kontext des BMF-Schreibens nach zu urteilen sollen die Ausführungen zum Entlastungsbeweis auch in EU/EWR-Sachverhalten gelten.

Der Entlastungsbeweis soll nach Auffassung des BMF die Existenz der angemessenen personellen und sachlichen Ausstattung voraussetzen, ferner aber auch „die gezielte Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat“ sowie das dortige Entscheiden über die wesentlichen unternehmerischen Belange. Angesichts der jüngst vom EuGH getroffenen Aussage, ein Missbrauch liege nicht zwingend vor, wenn eine Gesellschaft in dem Gründungsmitgliedstaat keine Tätigkeit ausübt, dürften die Anforderungen des BMF-Schreibens die unionsrechtlich zulässigen Anforderungen deutlich überschreiten. Gleiches dürfte gelten, soweit das BMF ausgelagerte Substanz nicht anerkennen will.

Als zusätzliche Bedingung soll der Entlastungsbeweis die Widerlegung des Vorliegens einer „rein künstlichen Gestaltung“ durch den Steuerpflichtigen voraussetzen. Dies soll durch Nachweis triftiger wirtschaftlicher Gründe erfolgen. Nach Rechtsprechung des EuGH ist eine „rein künstliche Gestaltung“ allerdings bereits bei Vorliegen von Substanz im Ausland nicht gegeben. Den Motiven des Steuerpflichtigen kommt dann keine Bedeutung mehr zu. Auch insoweit sind die Anforderungen des BMF-Schreibens – die im Übrigen vom Wortlaut des § 8 Abs. 2 AStG nicht gedeckt sind – unionsrechtlich nicht haltbar.

Schließlich setzt die Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG die rechtliche Möglichkeit der Amtshilfe voraus. Diese Möglichkeit wird in hinreichendem Umfang neben der EU-Amtshilferichtlinie (2011/16/EU) auch durch sog. große Auskunftsklauseln (Art. 26 OECD-MA) oder andere völkerrechtliche Vereinbarungen gewährleistet. Die rechtliche Möglichkeit des Informationsaustauschs soll aber nur dann genügen, wenn sie auch „tatsächlich“ und „störungsfrei“ funktioniert.

Praxishinweis

Wenngleich die Anerkennung des Substanznachweises in Drittstaatensachverhalten durch das BMF zu begrüßen ist, offenbart das BMF-Schreiben ein sehr enges Verständnis zur Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG. Dies begegnet unionsrechtlichen Bedenken. Steuerpflichtigen ist daher anzuraten, in Zweifelsfällen ihren unionsrechtlichen Anspruch einzuklagen. Die Erfahrungen der Vergangenheit stützen dies.

Zu beachten sind anstehenden Änderungen des AStG durch das sog. ATAD-Umsetzungsgesetz. Im Rahmen der AStG-Reform soll auch § 8 Abs. 2 AStG Änderungen erfahren.

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