Gilt noch deutsches Erbrecht? Achtung – EU-Erbrechtsverordnung für Erbfälle seit dem 17.8.2015 in Kraft!

Bislang war für die Anwendung des nationalen Erbrechts die Staatsangehörigkeit entscheidend. Besaß der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit, wurde sein Vermögen grundsätzlich nach deutschem Recht vererbt – und zwar unabhängig davon, wo der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. Befanden sich Vermögenswerte wie Immobilien im Ausland, konnte dies zu einer sogenannten Nachlassspaltung führen. Das bedeutete, dass sich die Erbfolge für die einzelnen Teile des Nachlasses nach verschiedenen Rechtsordnungen richtete.

Die EU-Erbrechtsverordnung vom 4. Juli 2012 (ABl. EG L 201 vom 27. Juli 2012, Seite 107, anwendbar auf Erbfälle seit dem 17.8.2015) vereinheitlicht an dieser Stelle, welches Erbrecht auf einen Erbfall mit Auslandsbezug anzuwenden ist. Allerdings wird durch die Verordnung auch der Automatismus „deutsches Erbrecht bei deutscher Staatsangehörigkeit“ aufgehoben:

Stattdessen hängt gem. Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO die Anwendbarkeit des nationalen Erbrechts seit dem 17.8.2015 davon ab, wo der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Maßgebend ist der „Daseinsmittelpunkt“ oder auch Mittelpunkt der Lebensinteressen. Damit wird zwar einerseits das anwendbare nationale Erbrecht auf einen Erbfall vereinheitlicht; andererseits kann dies dazu führen, dass aufgrund eines längeren Auslandsaufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Drittstaat, nicht das (deutsche) Erbrecht des Heimatlandes, sondern das Erbrecht des jeweiligen Mitglied- oder Drittstaates zur Anwendung kommt.

Das Erbrecht des jeweiligen Aufenthaltsortes kann jedoch dem Willen des Erblassers widersprechen und gewählte Gestaltungen für die Vermögensnachfolge zunichtemachen, da sich das Erbrecht der anderen Mitglied- und Drittstaaten erheblich vom deutschen Erbrecht unterscheidet: Maßgebliche Unterschiede bestehen dabei insbesondere in der Möglichkeit, Abkömmlinge (aber auch Ehegatten) vom Nachlass auszuschließen. Auch Pflichtteilsverzichte werden keinesfalls von allen Rechtsordnungen anerkannt.

Um derartige unerwünschte Folgen zu vermeiden und dem Willen des Erblassers weiterhin zur Geltung zu verhelfen, räumt die Erbrechtsverordnung dem Erblasser auch die Möglichkeit ein, das Erbrecht des Heimatlandes für den Nachlass zu wählen. Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts wird dadurch unerheblich; auf den gesamten Nachlass ist das Erbrecht des Heimatlandes anzuwenden.

Für eine derartige „Rechtswahl“ ist eine ausdrückliche Formulierung in einem formwirksamen Testament erforderlich. Wie das Testament selbst auch kann eine solche Rechtswahl handschriftlich oder notariell erfolgen. Sie ist nicht zwingend an weitere testamentarische Regelungen geknüpft. Eine solche Formulierung kann wie folgt lauten:

„In Ergänzung zu meinem Testament vom __.__.____ wähle ich für die materielle Wirksamkeit meiner Verfügungen von Todes wegen das deutsche Recht. Mein gesamter Nachlass soll nach deutschem Recht vererbt werden. Diese Rechtswahl soll auch dann Gültigkeit haben, wenn ich meinen Wohnsitz oder letzten gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands habe.“

Im Hinblick auf diese erhebliche Änderung des Erbrechts durch die EU-Erbrechtsverordnung sollten auch bestehende Testamente entsprechend überprüft werden. Zu beachten ist dabei auch, dass gemeinschaftliche Testamente in einigen EU-Ländern (u. a. Italien und Frankreich) nicht anerkannt werden. Sollten Auslandsbezüge gegeben oder zu erwarten sein, so ist das Testament sowohl nach ausländischem als auch nach deutschem Recht auf seine Wirksamkeit und seine Rechtsfolgen hin zu prüfen. Sollten nach Analyse der nationalen Rechtsordnungen die ausländischen Regelungen nicht gewünscht sein, so empfiehlt es sich, eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts vorzunehmen.

Fazit:

Die EU-Erbrechtsverordnung ist mittlerweile für alle Erbfälle, die nach dem 17.8.2015 eingetreten sind, anwendbar. Vor diesem Hintergrund sollte bei allen, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort aus beruflichen oder privaten Gründen verlegt haben oder dies planen, dringend geprüft werden, ob deutsches Erbrecht noch anwendbar ist. Gegebenenfalls muss durch eine Rechtswahl die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts wieder hergestellt werden.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.