Der BFH und die umsatzsteuerliche Organschaft

Mit seinen Urteilen vom 2.12.2015 hat der Bundesfinanzhof die deutsche Gesetzeslage zur umsatzsteuerlichen Organschaft an EU-Recht angepasst. Demnach lässt der BFH nunmehr Organschaften mit Tochterpersonengesellschaften zu.

Ausgangssituation

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kommen nur juristische Personen als Organgesellschaften in Betracht. Darüber hinaus muss eine Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung vom 16.7.2015 festgestellt, dass die deutsche Gesetzeslage (Ausgrenzung der Personengesellschaften sowie das Erfordernis eines Über-Unter-Verhältnisses) nicht dem Unionsrecht (Art. 11 Abs. 1 MwStSystR) entspricht. Darüber hinaus kann nach deutscher Sicht nur ein Unternehmer i. S. d Umsatzsteuergesetzes Organträger sein. Für die Annahme der organisatorischen Eingliederung ist derzeit herrschende Auffassung, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft im Rahmen der laufenden Geschäftsführung der Tochtergesellschaft tatsächlich wahrgenommen werden muss. Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet.

Urteil V R 25/13

Im Wege der sog. „teleologisch erweiternden Auslegung“ lässt der BFH nunmehr Organschaften auch mit Tochterpersonengesellschaften zu. Dafür ist allerdings erforderlich, dass die Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind. Eine allgemeine Eingliederung von Personengesellschaften ergibt sich nach Sichtweise des BFH dagegen nicht aus dem Unionsrecht. Der Sichtweise des FG, dass der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Nr.2 UStG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen sei, dass der Begriff „juristische Personen“ auch Personengesellschaften umfassen könne, erteilte der BFH eine  Absage.

Urteil V R 15/14

In diesem Urteil stellt der BFH klar, dass für die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nach wie vor eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft erforderlich ist (finanzielle Eingliederung). Diese kann sich entweder über eine unmittelbare Beteiligung oder eine mittelbar über eine Tochtergesellschaft gehaltene Beteiligung ergeben. Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschaften an zwei Schwestergesellschaften sei dagegen nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen sich eine finanzielle Eingliederung herleiten lässt. Eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften war aus den im Entscheidungsfall vorliegenden Gründen (keine Mehrheitsbeteiligung) nicht möglich. Im Übrigen hält der BFH ausdrücklich an der Rechtsprechung zur rechtssicheren und einfachen Bestimmbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft fest.

Für die organisatorische Eingliederung wird weiterhin auf die personelle Verflechtung der Geschäftsführung der Organgesellschaft mit dem Organträger abgestellt. Ausdrücklich nicht ausreichend sind nach Auffassung des BFH Weisungsrechte, Berichtspflichten oder Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Mehrheitsgesellschafters oder der Gesellschafterversammlung.

Urteil V R 67/14

In einem weiteren Verfahren hat der BFH deutlich gemacht, dass Organträgerin in einem Organkreis ausschließlich ein Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuergesetzes sein kann. Ein Nichtunternehmer wird im Übrigen auch nicht durch die Begründung einer Organschaft zum umsatzsteuerlichen Unternehmer. Für dieses Erfordernis der eigenen Unternehmereigenschaft des Organträgers sieht der BFH eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht, da es hier um die Vermeidung missbräuchlicher Praktiken und Steuerhinterziehung geht.

Urteil V R 36/13

In diesem Verfahren, in dem es nur am Rande um das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ging, hat der BFH ebenfalls entschieden, dass Organträger in einem Organkreis ausschließlich ein Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuergesetzes sein kann. Im Übrigen urteilte der BFH, dass bei der Übertragung eines Einzelunternehmens auf eine Betriebsgesellschaft und eine Besitzgesellschaft (Betriebsaufspaltung) nur die Übertragung auf die Betriebsgesellschaft eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellen kann, die nicht umsatzsteuerbar ist.

Praxishinweise

Nachdem der EuGH mit seiner Rechtsprechung zu Larentia + Minerva die „Spielregeln“ der umsatzsteuerlichen Organschaft neu geschrieben hat, hat der V. Senat des BFH mit seinen gerade veröffentlichten Urteilen nunmehr „nachgelegt“.

Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheint die Herangehensweise des BFH zur Einbeziehung von Personengesellschaften als Organgesellschaften mittels „teleologischer Erweiterung“ des Begriffes „juristische Person“ fragwürdig.

Es wird davon auszugehen sein, dass die Finanzverwaltung zunächst die anhängigen Entscheidungen des XI. Senats des BFH abwarten und danach mit einem BMF-Schreiben aufwarten wird.

Unklar ist, ob bereits eine Änderung der Verwaltungsmeinung (BMF-Schreiben/Umsatzsteuer- Anwendungserlass) dazu führt, dass sich der Steuerpflichtige nicht mehr auf den klaren Gesetzeswortlaut berufen kann und die Auslegung des BFH zwingend auch entgegen der Interessen des Steuerpflichtigen anzuwenden ist.

Daher raten wir betroffenen Unternehmen dringend an, zur Vermeidung möglicher Rechtsstreitigkeiten mit der Finanzverwaltung eine Bestandsaufnahme ihrer Unternehmensstrukturen vorzunehmen und sich entsprechend dem jeweils Gewollten auf die weiteren Entwicklungen vorzubereiten sowie ggf. notwendige Anpassungen vorzunehmen.

Denn: Die Rechtsfolgen der umsatzsteuerlichen Organschaft treten alleine von Gesetzes wegen – und oft ohne Wissen und Willen der beteiligten Unternehmen – ein. Unerkannte Organschaften ziehen mögliche Haftungsthemen nach sich und haben nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Prozesse in den Unternehmen.

Nach unserer Einschätzung dürfte sich der Gesetzgeber den aktuellen Diskussionen nicht verschließen können und wird mittelfristig mit einer Änderung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufwarten müssen.

Nicht auszuschließen ist, dass das diskutierte Organschafts-Feststellungsverfahren schneller als gedacht Einzug halten wird.

Deutlich wird durch die neuesten Urteile allerdings auch, dass der BFH das Kapitel der umsatzsteuerlichen Organschaft nicht komplett neu schreiben oder gar ganz aufheben möchte.

Die Experten der Business Group „Indirekte Steuern“ von Roever Broenner Susat Mazars bieten gerne an, im Wege eines Organschafts-Cross-Checks die umsatzsteuerrechtliche Situation Ihres Unternehmens zu durchleuchten und Ihnen Handlungsempfehlungen für die Zukunft aufzuzeigen bzw. Sie bei der „Heilung“ der Vergangenheit zu begleiten. Bitte sprechen Sie uns gerne an, wenn diese Möglichkeit für Sie in Betracht kommt.

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Mandanteninformation Umsatzsteuerliche Organschaft