Erbschaftsteuer und Unternehmensnachfolge: jetzt noch derzeitige Rechtslage ausnutzen

Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17.12.2014 muss der Gesetzgeber das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) bis zum 30.6.2016 anpassen.

Das BVerfG hatte moniert, dass die Steuerbegünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen nach den §§ 13a und 13b ErbStG teilweise nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz vereinbar sind.

Zum Jahresanfang hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein zweiseitiges Eckpunktepapier vorgelegt, in dem es seine ersten Pläne zur Anpassung des ErbStG umrissen hat. Diese Pläne hatten in der Öffentlichkeit zu kontroversen Diskussionen geführt, da sie eine erhebliche Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmensnachfolge bedeuten. Am 2.6.2015 hat das BMF seinen Referentenentwurf zur Anpassung des ErbStG an die Vorgaben des BVerfG an die Wirtschaftsverbände zur Stellungnahme übersendet. Es ist nach dem derzeitigen Zeitplan beabsichtigt, dass die Bundesregierung am 8.7.2015 über den Gesetzesentwurf beschließt und daraufhin das Gesetzgebungsverfahren einleitet.

Der Referentenentwurf setzt im Wesentlichen die bereits aus dem Eckpunktepapier des BMF aus dem Februar 2015 bekannten Änderungspläne um, enthält mit einer besonderen Freigrenze, die am ehesten große Familienunternehmen betreffen könnte, sowie einem Modell der Abschmelzung der Steuerbegünstigungen auf eine Mindestbegünstigung auch ganz neue Regelungsansätze.

Nachfolgend werden die wichtigsten inhaltlichen Änderungen des ErbStG durch den Referentenentwurf dargestellt:

  • Verschonungsbedarfsprüfung: Wie vom BVerfG gefordert, soll die Gewährung der Steuerbegünstigungen bei größeren Unternehmen an eine Prüfung der Bedürftigkeit für die Steuerverschonung gekoppelt werden. Beim Erwerb von begünstigtem Vermögen mit einem Wert von mehr als 20 Millionen Euro (Freigrenze) wird die Erbschaftsteuer mit einer nur noch geminderten Begünstigung erhoben. Der Verschonungsabschlag beträgt in Abhängigkeit vom Wert des Erwerbes bei der Regelverschonung zwischen 85 % und 25 %, bei der Optionsverschonung zwischen 100 % und 40 %. Nur wenn der Erwerber nachweist, dass er die Erbschaftssteuer nicht aus 50 % seines miterworbenen oder bereits vorhandenen Privatvermögens leisten kann, kann er auf Antrag anstelle der geminderten Begünstigung einen Erlass unter der Bedingung der Unternehmensfortführung mit Mindestlohnsumme erhalten. Alternativ besteht die Möglichkeit einer Steuerstundung von bis zu 6 Monaten, wenn der Erwerber einen Kredit aufnehmen oder Privatvermögen veräußern muss, um die Steuer zu zahlen. Der Unternehmensnachfolger muss dem Finanzamt im Rahmen der Bedürfnisprüfung also künftig seine persönlichen Vermögensverhältnisse vollständig offenlegen.
  • Besondere Freigrenze für streng vinkulierte Gesellschaftsanteile: Gänzlich neu ist eine besondere Freigrenze, die vorwiegend bei großen Familienunternehmen zur Anwendung kommen könnte. Anstelle der vorgenannten Freigrenze von 20 Millionen Euro gilt eine besondere Freigrenze von 40 Millionen Euro, wenn 10 Jahre vor der Übertragung und 30 Jahre nach der Übertragung enge Bindungen im Gesellschaftsvertrag für die übertragenen Gesellschaftsanteile kumulativ gelten (Beschränkungen für Entnahme/Gewinnausschüttung, Verfügungsmöglichkeiten nur an Angehörige, Abfindung deutlich unter Wert bei Ausscheiden).
  • Mindestverschonung für große Vermögen: Ebenfalls gänzlich neu ist eine Mindestverschonung für Großunternehmen, bei deren Übertragung die Freigrenze von 20 bzw. 40 Millionen Euro beim einzelnen Erwerber überschritten wird. In diesen Fällen wird eine Mindestverschonung von 25 % bei der Regelverschonung und 40 % bei der Optionsverschonung gewährt. Im Wertintervall zwischen 20 Millionen/40 Millionen Euro und 110 Millionen Euro schmilzt der Verschonungsabschlag auf die vorgenannte Mindestverschonung ab. Diese Mindestverschonung wird ohne Verschonungsbedarfsprüfung gewährt. Es besteht bei großen Vermögen also ein Wahlrecht zwischen Steuererlass aufgrund Verschonunsbedarfsprüfung und Mindestverschonung.
  • Neue Abgrenzung des begünstigten Vermögens: Die bisherige Kategorie des Verwaltungsvermögens, dass sich je nach seinem Umfang als schädlich für die Steuerbegünstigungen auswirken kann, wird abgeschafft. Zukünftig soll nur das Vermögen begünstigt werden, dass seinem Hauptzweck nach überwiegend einer originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Eine gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 EStG) oder Gewerblichkeit aufgrund Rechtsform (§ 8 Abs. 2 KStG) reicht für eine Begünstigung nicht mehr aus. Nicht dem Hauptzweck des Unternehmens dient das Vermögen, das man aus dem Unternehmen herauslösen kann, ohne die eigentliche betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Für das Unternehmen nicht notwendiges Vermögen bis zu 10 % des Nettowertes des begünstigten Vermögens soll für die Steuerbegünstigung unschädlich sein. Künftig drohen also Diskussionen mit dem Finanzamt, ob einzelne Vermögensgegenstände für den Betrieb notwendig oder entbehrlich sind.
  • Konsolidierung des Vermögens: Zur Vermeidung von Gestaltungen, die die Finanzverwaltung als missbräuchlich einstuft (Cash-GmbH, Kaskadeneffekt) soll künftig zum einen das Nettovermögen für die Besteuerung maßgeblich sein, indem die Schulden quotal dem Begünstigten und dem nichtbegünstigten Vermögen zugeordnet werden. Zum anderen wird das Nettovermögen bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen konsolidiert ermittelt (Konzernbetrachtung).
  • Neue Grenzen für die Lohnsummenregelung: Künftig sollen nur noch Unternehmen mit bis zu 3 Beschäftigten (statt bisher bis zu 20) von der Einhaltung der Lohnsummenregelung ausgenommen sein. Für Unternehmen mit 4-10 Mitarbeitern soll eine geringere Mindestlohnsumme (bei der Regelverschonung 250 % und bei der Optionsverschonung 500 %) gelten, als für Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern (bei der Regelverschonung 400 % und bei der Optionsverschonung 700 %).
  • Grundsätzlich keine Rückwirkung: Die Neufassung des Gesetzes soll am Tage nach ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Es ergibt sich allerdings in den Fällen eine Ausstrahlung auf die Vergangenheit und auf die Besteuerung früherer Erwerbe in den letzten 10 Jahren, in denen die vorgenannten Freigrenzen durch Übertragungen nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes überschritten werden. In diesen Fällen wirkt sich nachteilig aus, dass die unentgeltlichen Übertragungen einer Person auf einen Erwerber innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren steuerlich zu einen Gesamterwerb zusammengezogen werden.

 

Fazit: Der Referentenentwurf ist zwar in einigen Punkten gegenüber dem Eckpunktepapier abgemildert worden, insbesondere durch die Mindestverschonung und die zumindest theoretisch mögliche höhere Freigrenze für Familienunternehmen mit streng vinkulierten Gesellschaftsanteilen. Allerdings gilt unverändert, dass sich die derzeitige Rechtslage grundsätzlich als günstiger erweist. Es gilt daher weiterhin die Empfehlung, dass bei anstehenden Unternehmensübergaben überlegt werden sollte, diese noch nach aktueller Rechtslage umzusetzen, um dadurch in den Genuss der günstigeren steuerlichen Regelungen zu kommen.

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