Führt die nachträgliche Pauschalbesteuerung von Arbeitsentgeltbestandteilen zu deren Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung?

In der Praxis kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob eine nachträgliche bzw. verspätete Pauschalbesteuerung von Entgeltbestandteilen mit 15 % oder 25 % noch zu deren Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung führen kann. Besonders relevant wird diese Frage, wenn erst im Anschluss an Betriebsprüfungen mit erheblicher Verzögerung eine Pauschalbesteuerung von Entgeltbestandteilen durchgeführt wird.
Diese höchst praxisrelevante Frage ist bisher keineswegs abschließend geklärt. So ist dazu aktuell ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig (B 12 BA 3/22 R).

Hintergrund

Bezüge, die mit einem festen Pauschsteuersatz von 15 % oder 25 % nach § 40 Abs. 2 EStG pauschal versteuert werden, sind grundsätzlich sozialversicherungsfrei. Dabei handelt es sich beispielsweise um Vorteile anlässlich von Betriebsveranstaltungen, Fahrtkostenzuschüsse, arbeitstägliche Mahlzeiten oder Erholungsbeihilfen. Früher genügte die bloße Möglichkeit zur Pauschalversteuerung bereits für die Sozialversicherungsfreiheit Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2015 ist dies nicht mehr ausreichend. Seitdem wird vielmehr verlangt, dass die Lohnsteuer tatsächlich für den jeweiligen Abrechnungszeitraum erhoben wurde. Das Arbeitsentgelt muss also im Abrechnungszeitraum tatsächlich pauschal besteuert werden (§ 1 Abs. 1 S. 2 SvEV, so auch das Besprechungsergebnis der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 20. April 2016 zu TOP 5).

Dementsprechend vertreten die Prüfer der Deutschen Rentenversicherung regelmäßig die Auffassung, dass sich eine erst im Nachhinein vorgenommene Pauschalbesteuerung auf die beitragsrechtliche Behandlung der Arbeitsentgeltbestandteile nur bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung auswirke. Dies sei längstens bis zum 28. Februar des Folgejahres möglich.

Sachverhalt

In dem beim BSG anhängigen Verfahren geht es um Vorteile anlässlich einer Betriebsveranstaltung im September 2015. Bei der Lohnsteueranmeldung für September 2015 berücksichtigte der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsveranstaltung zunächst nicht. Im März des Folgejahres übermittelte er dem Finanzamt dann eine korrigierte Lohnsteueranmeldung. Mit dieser meldete er die Lohnsteuer auf den Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung, soweit er den Freibetrag von 110 € je Teilnehmer überstieg, mit einem Pauschalsteuersatz von 25 % an. Auf den sich daraus ergebenden Betrag führte er keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Das wurde später im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgegriffen und führte zu entsprechenden Nachforderungen. Dagegen erhob der Arbeitgeber zunächst Widerspruch und dann erfolgreich Klage. Auf die vom Rentenversicherungsträger eingelegte Berufung bestätigte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 24. März 2022 (L 12 BA 3/20) die Beitragsfreiheit. Abschließend wird nun das BSG im Rahmen der anhängigen Revision entscheiden müssen.

Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen

Das zuständige LSG entschied, dass sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Arbeitslohns aus Anlass von Betriebsveranstaltungen nach dem Steuerrecht richte. Bestätige das Finanzamt die Pauschalbesteuerung, dann seien die Rentenversicherungsträger an die Entscheidung der Finanzverwaltung gebunden. Deshalb sei die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf den Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung im entschiedenen Fall rechtswidrig gewesen.

Nachträgliche Pauschalversteuerung nach Ausstellung Lohnsteuerbescheinigung

Wurden Vorteile weder beim Lohnsteuerabzug noch in der Lohnsteuerbescheinigung berücksichtigt, sondern werden solche bislang unversteuerte, in der Lohnsteuerbescheinigung nicht ausgewiesene Arbeitsentgeltbestandteile erstmals erfasst, ist eine rückwirkende Anmeldung pauschaler Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 EStG möglich, solange dies die allgemeinen Korrekturvorschriften erlauben. Das heißt, zumindest solange der Vorbehalt der Nachprüfung noch besteht.

Allerdings kann eine Lohnsteuerbescheinigung einer nachträglichen Pauschalierung entgegenstehen, wenn der Arbeitgeber – was bei Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen in der Praxis äußerst selten vorkommen dürfte – schon im Regelbesteuerungsverfahren abgerechnet hat. Denn in diesem Fall sind die betroffenen Arbeitsentgeltbestandteile als regelbesteuerter Arbeitslohn des jeweiligen Arbeitnehmers bereits in der (ab März des Folgejahres grundsätzlich nicht mehr zu ändernden) Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen.

Bedeutung für die Praxis

In ähnlich gelagerten Fällen, in denen nach Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung Sozialversicherungsbeiträge auf nachträglich pauschal besteuerte Lohnbestandteile nachgefordert werden, sollten betroffene Arbeitgeber prüfen, ob mit Blick auf das beim BSG anhängige Revisionsverfahren Widerspruch eingelegt werden sollte.

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Autorin

Ines Otte
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.