Das Entgelttransparenzgesetz – Inhalte, Auswertung, Ausblick

Das zum 06.07.2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) enthält erstmals ausdrücklich das Gebot der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer. Unmittelbare und mittelbare Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts sollen im Einklang mit Art. 157 AEUV beseitigt werden.

Laut Veröffentlichung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit Stand vom 31.01.2022 beträgt die Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) 18 %; bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen gibt es noch immer einen Unterschied von 6 %. Das Gesetz tritt neben das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das als weiter gehendes Antidiskriminierungsgesetz vom EntgTranspG unberührt bleibt. Ebenfalls unberührt bleiben sonstige Benachteiligungsverbote und Gebote der Gleichbehandlung.

1. Anwendungsbereich

Das Entgeltgleichheitsgebot ist von allen privaten und öffentlichen Arbeitgebern zu beachten. Weitere Rechtsfolgen greifen erst ab bestimmten Betriebsgrößen. Damit besteht in Bezug auf Auskunftsansprüche der Beschäftigten, die Durchführung von Prüfverfahren und die Einhaltung spezifischer Berichtspflichten eine Schonung der Kleinbetriebe mit bis zu 200 Beschäftigten. Zudem sind Privilegien für tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber geregelt.

Betroffen ist das Entgelt bzw. sind Ansprüche von Beschäftigten. Darunter fallen u. a. gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntTranspG Arbeitnehmer*innen. Nach Auffassung des BAG in der Entscheidung vom 25.06.2020 – 8 AZR 145/19 ist der (weite) europarechtliche Arbeitnehmerbegriff der Gleichbehandlungsrichtlinie RL 2006/54/EG maßgeblich. Danach können auch arbeitnehmerähnliche Personen Beschäftigte sein – im entschiedenen Fall eine freie Mitarbeiterin bei einer Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts.

Entgelt im Sinne des Gesetzes sind das Grundgehalt und alle sonstigen Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar als Geld- oder Sachleistung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Darunter fallen zum Beispiel auch Bonuszahlungen, Dienstwagen oder Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Bei Verwendung eines Entgeltsystems muss auch dessen Ausgestaltung insgesamt die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.

Die Zahlung gleichen Entgelts gilt nicht nur bei der Ausführung gleicher Arbeit, sondern auch bei gleichwertiger Arbeit. Zur Ermittlung der Gleichwertigkeit wird geprüft, ob inhaltlich verschiedene Tätigkeiten insgesamt gleiche Anforderungen und Belastungen aufweisen. Dabei sind bezogen auf die Tätigkeit unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen zu betrachten.

2. Regelungsinhalte

Entgeltgleichheitsgebot

Nach dem Entgeltgleichheitsgebot in § 7 EntgTranspG darf für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Person des jeweils anderen Geschlechts. Das bedeutet umgekehrt, dass bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten ist (Entgeltbenachteiligungsverbot, § 3 EntgTranspG).

Individueller Auskunftsanspruch

In Betrieben oder Dienststellen mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten haben diese einen Auskunftsanspruch zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots. Wird die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt, ist das Vergleichsentgelt nicht anzugeben, sodass personenbezogene Informationen geschützt sind. Eine einmal erteilte Auskunft muss grundsätzlich nicht vor Ablauf von zwei Jahren wiederholt werden.

Auskunftsbegehrende haben in zumutbarer Weise die gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen, wobei sich die Auskunft außer auf das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt auf bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile zusätzlich beziehen kann. Hier ist nach dem gesetzgeberischen Willen eine Gruppenbildung vergleichbarer Entgeltbestandteile zulässig, zum Beispiel „Zulagen mit Bezug zur Tätigkeit“ und „Zulagen ohne Bezug zur Tätigkeit“ (BAG, Urteil vom 25.06.2020 – 8 AZR 145/19).

Die Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers erstreckt sich auf die Angaben zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung sowie auf die Angaben zum Vergleichsentgelt. Das Vergleichsentgelt ist als der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete statistische Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts sowie der benannten Entgeltbestandteile kalenderjahrbezogen anzugeben (§§ 10 ff. EntgTranspG).

Kommen nicht tarifgebundene oder nicht tarifanwendende Arbeitgeber der Auskunftsverpflichtung nicht nach, tragen sie im Streitfall die Beweislast dafür, dass kein Gesetzesverstoß vorliegt (Beweislastumkehr). Erteilen sie die Auskunft und erkennen Auskunftsbegehrende darin eine vermeintliche Benachteiligung, könnten sie gegen ihre Arbeitgeber einen Prozess auf diskriminierungsfreie Bezahlung führen. Ein solcher Anspruch besteht zwar aus dem EntgTranspG nicht, jedoch dient der Auskunftsanspruch der Durchsetzung des Entgeltgleichheitsanspruchs, so das BAG in seiner zweiten großen Entscheidung zum EntgTranspG vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19. Die – heftige Kritik auslösende – weitere Schlussfolgerung des BAG ist, dass ein geringeres Entgelt als das der Vergleichsperson regelmäßig die vom Arbeitgeber widerlegbare Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts nach § 22 AGG begründet. Um die Vermutung zu widerlegen, hat der Arbeitgeber vorzubringen, dass die unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren zu erklären ist und die Ungleichbehandlung auch tatsächlich ausschließlich auf einem geschlechtsunabhängigen Unterschied beruht. Die Entgeltgleichheitsklage ist auf Nachzahlung gleichheitswidrig vorenthaltener Vergütung im Sinne eines Anspruchs auf Zahlung des höheren Entgelts gerichtet. Das stützt das BAG auf Art. 157 AEUV. Dabei ist jeder einzelne Entgeltbestandteil für sich zu betrachten und keine Gesamtbewertung des gezahlten Entgelts vorzunehmen.

Prüfverfahren

Private Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind „aufgefordert“, mithilfe betrieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen gezahlten Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung regelmäßig auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen (§§ 17 ff. EntgTranspG). Dieses freiwillige Prüfverfahren besteht aus Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht. Bei der Durchführung sind die Beteiligungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungen zu wahren. Die Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens „können betriebsintern veröffentlicht werden“. Diese Regelungen sollen betriebsintern Transparenz schaffen und dienen der Selbstkontrolle privater Arbeitgeber.

Berichtspflichten

Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind, müssen einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit erstellen (§§ 21 f. EntgTranspG). Der Bericht enthält

  • nach Geschlecht aufgeschlüsselt die durchschnittliche
    • Gesamtzahl der Beschäftigten und die
    • Zahl der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sowie
  • Maßnahmen
    • zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen,
    • zur Herstellung von Entgeltgleichheit für Frauen und Männer
  • bzw. eine Begründung, weswegen solche Maßnahmen nicht durchgeführt werden.

Tarifgebundene und -anwendende Arbeitgeber erstellen den Bericht alle fünf Jahre, alle anderen alle drei Jahre. Der Bericht ist dem nächsten Lagebericht als Anlage beizufügen und im Unternehmensregister offenzulegen.

3. Bisherige Auswertung

In dem Bericht der Bundesregierung zur Wirksamkeit des EntgTranspG und der Umsetzung des Entgeltgleichheitsgebots in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten vom 10.07.2019 wurde das EntgTranspG erstmalig evaluiert. Hiernach zeigten befragte Akteur*innen eine grundsätzliche Unterstützung für die Ziele des Gesetzes, was als solide Grundlage für eine zielführende Umsetzung gewertet werden könne. Allerdings ergäben sich zahlreiche Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung. So sei das Gesetz nur wenig bekannt, einen Auskunftsantrag hätten nur 2 % der Beschäftigten eingereicht. Überdies werden unternehmensseitig ein administrativer Mehraufwand sowie punktuelle Unklarheiten als Herausforderungen dargestellt.

Der Evaluationsbericht formuliert konkrete Vorschläge, die die Anwendbarkeit des EntgTranspG erleichtern könnten. So sollten die Kriterien zur Feststellung von „gleicher“ und „gleichwertiger“ Arbeit bzw. der Tätigkeitsbegriff präzisiert werden. Auch sei eine Überprüfung der Privilegierungen tariflicher Regelungen anzuraten. Hinsichtlich des freiwilligen betrieblichen Prüfverfahrens könnten entweder eine Verpflichtung oder weniger eingriffsintensiv gesetzliche Privilegierungen als Anreize geregelt werden. Viele Unternehmen kämen zudem trotz bestehender Pflicht der Erstellung eines Berichts zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit gem. § 21 EntgTranspG nicht nach. Hier sei über Rechtsfolgen für den Fall der Verletzung der Berichtspflicht nachzudenken. Auch wird empfohlen, die Bekanntheit des Gesetzes zu erhöhen, Muster zu veröffentlichen und das Auskunftsverfahren zu vereinfachen.

Der Auftrag zur Evaluation und zum Bericht der Bundesregierung ist nach dem Erstbericht aus 2019 alle vier Jahre zu erfüllen. Somit muss im Jahr 2023 erneut Stellung genommen werden.

4. Ausblick

Um die Reichweite des EntgTranspG zu erhöhen, wird mitunter vorgeschlagen, die Anwendung des Auskunftsverfahrens auf Unternehmen auszudehnen, die den Grenzwert von 200 Beschäftigten nicht überschreiten. Dies trifft sich mit Auswertungen des Evaluationsberichts, wonach kleinere Unternehmen schon jetzt überobligatorisch ein solches Verfahren bereitstellen. Hierbei wird auch in Erwägung zu ziehen sein, wie der Wortlaut auf das seit dem Jahr 2017 anerkannte dritte Geschlecht ausgeweitet werden kann.

Ob auf der Basis der BAG-Rechtsprechung mehr Auskunftsansprüche geltend gemacht werden, bleibt abzuwarten. Die inhaltliche Ausgestaltung des Auskunftsverfahrens ist auch mit Blick nach Brüssel spannend. Denn die Maßgeblichkeit des Medians nach innerdeutschem Recht stößt auf Kritik aus Europa. Das lässt der Vorstoß der EU-Kommission erkennen. Diese hat am 04.03.2021 den Vorschlag für eine Richtlinie „zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ (LohnTranspRL-V) vorgelegt. Der darin geregelte Auskunftsanspruch soll sich auf das Durchschnittseinkommen und nicht auf das Medianeinkommen beziehen. Bleibt der Vorschlag unverändert, wird sich die Frage stellen, ob das nationale Recht angepasst werden muss.

Aktuelle Meldungen des federführenden BMFSFJ verweisen auf Informationen und Hilfestellungen, die anlässlich des Inkrafttretens des Gesetzes im Jahr 2017 veröffentlicht wurden. Bislang sind folglich Empfehlungen aus dem Evaluationsbericht weder in Bezug auf gesetzliche noch auf untergesetzliche Maßnahmen umgesetzt worden. Mit den Entscheidungen vom 25.06.2020 – 8 AZR 145/19 und vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19 hat das BAG einige Unsicherheiten beseitigt. Vorerst wird damit umzugehen sein, dass auch weitere Fragen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu klären sind. Sollten gesetzgeberische Defizite auch im kommenden Evaluationsbericht moniert werden, wird sich der Gesetzgeber angehalten sehen nachzubessern.

Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese allgemeinen Informationen keine Rechtsberatung für den konkreten Anwendungsfall darstellen. Wir empfehlen ergänzend für Einzelfragen die Hinzuziehung des rechtlichenr BeratersBeratung.

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