Die Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen ante portas – Handlungsmöglichkeiten für den Steuerbürger

10.2019 | Dr. Adrian Cloer, Dr. Tobias Hagemann, Dr. Nicola van Lück
Am 9. Oktober beschloss das Bundeskabinett den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Damit wird der Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie 2018/822/EU nachgekommen. In einem jüngst im Betriebs-Berater veröffentlichten Fachbeitrag diskutieren Adrian Cloer, Tobias Hagemann und Nicola van Lück den nationalen Gesetzesentwurf unter besonderer Berücksichtigung der Handlungsmöglichkeiten für die Steuerpflichtigen:

Während in einigen Mitgliedstaaten das Gesetzgebungsverfahren nicht nur bereits abgeschlossen, sondern die Folgen durch Anwendung auch spürbar sind (so setzte Polen beispielsweise die Richtlinie (EU) 2018/822 bereits zum 1.1.2019 überschießend in Ausweitung der Kriterien und Erfassung auch innerstaatlicher Sachverhalte um), gelangte ein – wohl nicht vollständig in der Regierungskoalition abgestimmter – Referentenentwurf vom 30.1.2019 an die Öffentlichkeit und löste eine intensive Diskussion über die Umsetzung und ihre Folgen aus. Erst am 26.9.2019 legte sodann das BMF einen Gesetzesentwurf vor, den das Kanzleramt am 10.10.2019 dem Bundesrat mit dem Hinweis der besonderen Eilbedürftigkeit zuleitete. Eine fristgerechte Umsetzung setzt die Zustimmung des Bundesrates in der letzten Sitzung dieses Jahres am 20.12.2019 voraus. Die Unterschiede zwischen den beiden Gesetzesentwürfen sind die Folge eines intensiven Diskussionsprozesses in der Öffentlichkeit mit der Konsequenz nicht nur deutlich zum Ausdruck kommender Wünsche und Sorgen, sondern auch deren teilweiser Berücksichtigung im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens innerhalb der europäischen Vorgaben.

Einleitung

Ausgangspunkt

Die EU-Kommission legte am 21.7.2017 einen Entwurf zur Erweiterung der Zusammenarbeitsrichtlinie – die als „DAC 6“ im Schrifttum bekanntgewordene RL (EU) 2018/822 – vor, den der Rat für Wirtschaft und Finanzen am 28.5.2018 billigte. Die EU-Richtlinie über den verpflichtenden automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (im Folgenden RL (EU) 2018/822) trat am 25.6.2018 in Kraft und ist zum 31.12.2019 in nationales Recht umzusetzen.1 Derartige Meldepflichten sind dem Steuerrecht nicht fremd. Die in Großbritannien und auch außereuropäisch in den USA seit Jahren bestehenden Meldepflichten für Steuergestaltungen dienten als Vorbild.2 In Deutschland löste der Vorschlag, eine Offenlegungsverpflichtung im nationalen Kontext durch das JStG 2007 einzuführen, eine Kontroverse und maßgeblich durch die Beraterschaft getriebene Diskussion aus, die dieses Vorhaben für einige Jahre zur Ruhe kommen ließ. Im Mai 2014 griff der Bundesrat das Thema wieder auf und verlangte eine sowohl im nationalen als auch grenzüberschreitenden Kontext geltende Offenlegungsverpflichtung. Im Juli 2016 kam das vom BMF beauftragte Max-Planck-Institut zum Ergebnis, eine Offenlegungspflicht sei verfassungsrechtlich zulässig.3 Im Dezember 2016 bekräftigte die Finanzministerkonferenz ihre früheren Forderungen.4 Ein auf Initiative des Landes Rheinland-Pfalz zurückgehender Beschluss zur Einführung einer Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungsmodelle wurde bei der Finanzministerkonferenz im Juni 2018 gebilligt.5 Im Februar 2018 kam eine von der BStBK in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis der Unvereinbarkeit einer innerstaatlichen Offenlegungsverpflichtung, insb. mit der Berufsfreiheit der Steuerberater.6 Die Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit rückte durch die Bemühungen der EU-Kommission in den Hintergrund, da in Umsetzung einer Richtlinie eine Verlagerung des bisherigen Prüfungsmaßstabes (Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, insb. mit deutschen Grundrechten) zum Sekundär- als auch Primärrecht der Union (insb. EU-Grundrechtecharta, aber auch Grundverkehrsfreiheiten und Kompetenzgrundlage) erfolgt.

Grundkonzeption

Die Verankerung der Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen ist innerhalb der AO vorgesehen, wobei sich die unionalen Mitteilungspflichten zur Erfassung von Steuergestaltungen in den bereits bestehenden Katalog der §§ 137ff. AO einfügen und diesen ergänzen (§§ 138d–138k AO-E). Eine vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung wird mit einem Bußgeld von bis zu 25 000 Euro belegt (§ 379 AO-E). Das Regelungskonzept basiert auf einer Primär- und Sekundärverpflichtung zur Offenlegung von grenzüberschreiten- den Steuergestaltungen bei Steuern, die vom EUAHiG umfasst werden (insb. Ertragsteuern, aber auch Erbschaft- und Schenkungsteuern). Diese Verpflichtung obliegt vorrangig dem Intermediär, d. h. der Person, die bei der Konzeption, Organisation, Bereitstellung oder Verwaltung mitwirkt (§ 138d Abs. 1 AO-E). Intermediäre sind in erster Linie Angehörige der steuerberatenden Berufe, wobei möglicherweise auch Konzernsteuerabteilungen durch Bereitstellung von Steuergestaltungen an Konzerngesellschaften als Intermediär in Betracht kommen können.7 Aufgriffsgegenstand ist die grenzüberschreitende Steuergestaltung, die bei Berührung mit einem EU-Mitgliedstaat durch Erfüllen von Kennzeichen identifiziert wird. Unterschieden wird zwischen zwei Kategorien (§ 138d Abs. 2 Nr. 3 AO-E), wobei es für die zweite Kategorie (§ 138d Abs. 2 Nr. 3 b) i.V.m. § 138e Abs. 2 AO-E) gar nicht auf die Erzielung eines steuerlichen Vorteils ankommt. Für die erste Kategorie (§ 138d Abs. 2 Nr. 3a) i.V.m. § 138e Abs. 1 AO-E) ist zusätzlich eine Hauptvorteilsprüfung (sog. main benefit test) vorzunehmen (§ 138d Abs. 3 AO-E), wobei ein gesetzlich vorgesehener Steuervorteil die Meldepflicht insoweit entfallen lassen soll, als sich dieser ausschließlich im Inland auswirkt (§ 138d Abs. 3 S. 3 AO-E).

Der Meldevorgang selbst betrifft das Dreieck zwischen Intermediär, Nutzer und BZSt. Der Intermediär meldet die Gestaltung insb. unter Nennung personenbezogener Daten zu ihm selbst (§ 138f Abs. 3 Nr. 1 AO-E), zum Nutzer (§ 138f Abs. 3 Nr. 2 AO-E), zu den Kennzeichen (§ 138f Abs. 3 Nr. 4 AO-E) und zur Struktur (§ 138f Abs. 3 Nr. 5 AO-E) sowie den relevanten Rechtsvorschriften (§ 138f Abs. 3 Nr. 7 AO-E) an das BZSt. Dieses weist eine Registriernummer für die Gestaltung (§ 138f Abs. 5 Nr. 1 AO-E) sowie eine Offenlegungsnummer für die Mitteilung (§ 138f Abs. 5 Nr. 2 AO-E) zu und teilt diese dem Intermediär mit. Der Intermediär informiert den Nutzer über die bevorstehende oder bereits erfolgte Meldung durch ihn und leitet die Meldeinformationen sowie die Registrier- und Offenlegungsnummer an diesen weiter. Im Fall einer gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung, d. h. insb. bei Steuerberatern (§ 57 Abs. 1 StBG) sowie Rechtsanwälten (§ 43a Abs. 2 BRAO), erfolgt ein teilweiser, nämlich nutzerbezogener Übergang der Offenlegungsverpflichtung an den Nutzer (§ 138f Abs. 6 AO-E). In der späteren Steuererklärung ist die entsprechende Registrier- und Offenlegungsnummer durch den Steuerpflichtigen anzugeben (§ 138k AO-E).

Publikation: Betriebs Berater
Ausgabe: 44/2019
Seite: 2583-2589

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Die Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen ante portas – Handlungsmöglichkeiten für den Steuerbürger