3 Fragen an Dr. Marcus Borchert zur wirtschaftlichen Bedeutung von Public Interest Entities

Unternehmen von öffentlichem Interesse oder Public Interest Entities, kurz PIEs, stellen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar.

Was sind PIEs, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es bei den PIEs in Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich und warum ist die Qualität der Abschlussprüfung dieser Unternehmen von entscheidender Bedeutung? Darüber sprechen wir mit Dr. Marcus Borchert, Partner bei Mazars in Deutschland im Bereich der Prüfung von Public Interest Entities.

Was genau sind PIEs?

Zu den PIEs gehören gemäß der Definition der Abschlussprüferrichtlinie der Europäischen Union alle Unternehmen, deren Aktien oder von ihnen begebene Anleihen an geregelten Kapitalmärkten notiert sind, sowie bestimmte Kreditinstitute und Versicherungen. Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, die PIE-Definition der EU zu erweitern, beispielsweise hinsichtlich Tätigkeit, Größe oder Beschäftigtenanzahl der Unternehmen. So hat Frankreich beispielsweise eine weiter gefasste PIE-Definition als Deutschland und das Vereinigte Königreich. Deutschland und UK haben im Zuge der Audit Reform von 2014 die PIE-Definition der EU 1:1 umgesetzt, während in Frankreich auch Unternehmen, deren Konzern-Bilanzsumme einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, zu den PIEs zählen.

Borchert_Marcus_Dr_farbig

Und wie sieht das in Zahlen aus?

In Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich haben wir im Rahmen unserer Studie, die wir gemeinsam mit dem FAZ-Institut erstellt haben, für das Jahr 2020 insgesamt 4.205 PIEs identifiziert. Die meisten PIEs verzeichnete mit 1.659 das Vereinigte Königreich. Frankreich lag mit 1.566 etwas darunter, während in Deutschland im selben Jahr nur 980 gezählt wurden.

Die Breite der britischen und französischen PIE-Märkte lässt sich durch verschiedene Faktoren erklären. Schauen wir uns dafür die Struktur des PIE-Sektors in den drei Ländern einmal genauer an: Das Vereinigte Königreich weist im Vergleich zu den anderen beiden Ländern neben einer hohen Anzahl an börsennotierten Unternehmen einen besonders starken Bankensektor auf. Frankreich ist im Versicherungsbereich breiter aufgestellt und hat – wie eingangs geschildert – eine weiter gefasste PIE-Definition. Deutschland hat zwar weniger börsennotierte Unternehmen, darunter aber ausgesprochene Umsatzschwergewichte. Zudem ist der starke deutsche Mittelstand größtenteils gar nicht börsennotiert und fällt damit auch nicht unter die PIE-Definition. Das erklärt auch, warum es in Deutschland wesentlich weniger PIEs gibt als in den beiden anderen Ländern.

Welche Bedeutung haben PIEs für die einzelnen Volkswirtschaften?

PIEs tragen maßgeblich zur Bruttowertschöpfung eines Landes bei. Wir haben im Rahmen unserer Studie auch die volkswirtschaftliche Bedeutung der PIEs genau unter die Lupe genommen: In Deutschland beispielsweise teilen sich die im Jahr 2020 identifizierten 980 PIEs auf in 381 börsennotierte Unternehmen, 341 Versicherungen und 258 Banken.

Die 381 Börsen-PIEs setzten im Jahr 2020 insgesamt 1,8 Billionen Euro um. Damit bilden diese Unternehmen knapp ein Drittel der Wirtschaftskraft aller deutschen Unternehmen ab. Angesichts dieser großen volkswirtschaftlichen Bedeutung ist auch eine hohe Qualität in der Abschlussprüfung dieser Unternehmen entscheidend für die Finanzmarktstabilität Deutschlands. Die Prüfung dieser Unternehmen liegt allerdings überwiegend in den Händen von nur vier großen Prüfungsgesellschaften, den so genannten Big 4. Von den 381 deutschen börsennotierten Unternehmen wurden 240 von den Big 4 geprüft. Diese 240 PIEs kamen auf einen Umsatz von insgesamt 1,76 Billionen Euro. Zum Vergleich: Die PIEs, die von den Next-10-Prüfungsgesellschaften geprüft wurden, erwirtschafteten nur 15 Milliarden Euro. Das entspricht nicht einmal 1 Prozent des Umsatzes aller Börsen-PIEs. Um perspektivisch eine hohe Qualität in der Abschlussprüfung aller PIEs zu gewährleisten, bedarf es meines Erachtens aber eines vielfältigeren Prüfermarkts als bisher. In unserer Studie zeigen wir auf, wie das gelingen kann.

Zur Studienseite