3 Fragen an Dr. Christoph Regierer zu den Strukturen auf dem Prüfermarkt

Wie erreichen wir mehr Marktvielfalt und wo stehen wir bei der aktuellen Reformdebatte? Der Markt für Abschlussprüfungen von Unternehmen von öffentlichem Interesse, also Public Interest Entities (PIEs), ist trotz vergangener Reformen weiterhin stark konzentriert.

Das hat auch die gemeinsame Studie von Mazars und dem F.A.Z.-Institut zu den Strukturen auf dem PIE-Prüfermarkt in Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich bestätigt. Darüber sprechen wir mit Dr. Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards von Mazars in Deutschland und Mitglied des Group Executive Boards.

Wie sieht der Prüfermarkt heute aus?

Der Prüfermarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten trotz intensiver Reformbemühungen immer weiter konsolidiert: Aus den Big 8 wurden im Laufe der Jahre die heutigen Big 4. Im Verfolgerfeld befinden sich die sogenannten Challenger: Die Next 6, zu denen auch Mazars gehört, bzw. die Next 10, wenn wir die zehn Prüfungsgesellschaften nach den Big 4 betrachten.

In unserer Studie haben wir uns den Markt der Big 4 und Next 10 (Top 14) in Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich näher angeschaut. Dafür haben wir erstmals Daten aus dem Jahr 2020 für PIEs aus diesen drei Ländern zusammengetragen. Das war gar nicht so einfach, denn die Datenlage für PIEs ist trotz der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Unternehmen bislang leider wenig transparent. Obwohl die Abschlussprüfer von PIEs Transparenzberichte veröffentlichen, waren nicht alle relevanten Daten ohne Weiteres zugänglich. Mit unserer Studie füllen wir diese Datenlücke.

Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Markt für PIE-Prüfungen ganz unterschiedlich stark konzentriert ist: In Deutschland haben die Big 4 einen Anteil von 84 Prozent am Gesamtumsatz der Top 14. Im Vereinigten Königreich liegt ihre Quote bei 85 Prozent und in Frankreich bei 72 Prozent. Gemessen am Umsatz der PIEs haben die Big 4 in UK sogar einen durchschnittlichen Marktanteil von 99 Prozent an den PIE-Prüfungen, in Deutschland liegt ihre Quote bei 95 Prozent, in Frankreich bei 66 Prozent. Der Markt ist in Deutschland und UK also sehr stark konzentriert, in Frankreich ist er – trotz der Oligopolstellung der Big 4 – wesentlich vielfältiger. Woran das liegt, erklären wir in unserer Studie.

Warum ist ein vielfältiger Prüfermarkt wichtig?

Dr. Christoph Regierer

Das Wichtigste vorweg: Wettbewerb braucht Anbieter! Denn Wettbewerb wirkt sich für alle Akteure auf einem Markt positiv aus. Unternehmen haben auf einem breiteren Markt mehr Auswahl bei der Bestellung ihrer Abschlussprüfer. Ein vielfältiger Prüfermarkt zahlt zudem positiv auf die Prüfungsqualität ein und stärkt somit auch das Vertrauen der Bürger sowie das der Anleger und Investoren in die Finanzmärkte und in die Wirtschaftsprüfung. Ohne Wettbewerb lassen sich auch andere Verhaltensmuster als in einem breiten Markt beobachten.

Leider sehen wir uns heute mit einer Lack-of-Choice-Situation konfrontiert. Zwar kann ein Oligopol grundsätzlich einen effektiven Wettbewerb sicherstellen Wir dürfen allerdings nicht übersehen, dass durch die Rotationspflicht und durch die strenge Trennung von Prüfungs- und Beratungsleitungen die Auswahlmöglichkeit der Unternehmen von öffentlichem Interesse bei einem Prüferwechsel stark eingeschränkt sein kann. Aus einem Oligopol kann schnell ein Duopol oder Monopol werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Big-4-Prüfer aus einem Mandat rausrotieren muss, für das ein anderer Big-4-Prüfer bereits Beratungsleistungen erbringt. Die Auswahl an in Frage kommenden Prüfungsgesellschaften ist also schnell eingeschränkt, denn beide Prüfungshäuser kommen als neuer Abschlussprüfer nicht in Frage. Vier ist also nicht immer gleich Vier.

Wir müssen daher dringend dahinkommen, den PIE-Prüfermarkt für weitere Akteure zu öffnen. Die Marktstruktur wird sich ohne Nachjustierung jedoch nicht verbessern. An dieser Stelle müssen künftige Reformen ansetzen. Denn die Aussicht auf eine stärkere Öffnung des Marktes erlaubt den Challengern, Investitionen in ihre Kapazitäten und Fähigkeiten zu tätigen. Und das stärkt wiederum den Wettbewerb.

Wo stehen wir derzeit im Rahmen der Reformdebatte?

Die Reformdebatte ist in Deutschland durch den Wirecard-Fall wieder neu entfacht worden. Als Konsequenz wurde das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, kurz FISG, im Sommer 2021 verabschiedet. Auch wenn das FISG ein wichtiger Reformschritt war, bin ich der Meinung, dass es mit Blick auf eine Verbesserung der Marktstrukturen in Deutschland noch zu kurz springt. Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings bei der Verabschiedung des FISG in dem begleitenden Rahmentext deutlich gemacht, dass er einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Abschlussprüfermarkt für PIEs für wesentlich und eine größere Beteiligung von mittelständischen Prüfungsgesellschaften für wünschenswert hält.

Zudem steht nach der Bundestagswahl im September 2021 das Thema Abschlussprüferreform weiterhin auf der Agenda. Das geht zumindest aus dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hervor.

Und auf Ebene der Europäischen Union hat die EU-Kommission Mitte November 2021 nun ebenfalls den Startschuss für eine neue EU Audit Reform gegeben und ein Konsultationspapier zur Unternehmensberichterstattung und Abschlussprüfung veröffentlicht. Die Ergebnisse aus dieser Konsultation werden in eine EU-Gesetzesvorlage Ende 2022 einfließen.

In Deutschland und in der EU ist in puncto Reformen in Richtung einer stärkeren Marktdynamisierung gerade wieder Einiges in Bewegung gekommen. Wir werden die Entwicklungen genau beobachten und uns weiterhin stark in die Debatte einbringen. Mazars steht für Marktvielfalt!

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