Zukunft der Wirtschaftsprüfung: Mazars-Umfrage offenbart Reformbedarf

  • 93 Prozent der weltweit befragten Entscheider*innen in Unternehmen sprechen sich für Audit Reform aus
  • Für 77 Prozent der Befragten in Deutschland sind Joint Audits ein Mittel, um die Prüfung zu verbessern
  • Die Mehrheit (96 Prozent) der Befragten weltweit wünscht sich, dass Wirtschaftsprüfer*innen ihr Leistungsspektrum erweitern

23.02.2021 – Hamburg. Unternehmensentscheider*innen weltweit sehen Reformbedarf in der Wirtschaftsprüfung. So das zentrale Ergebnis der neuen Mazars-Studie „The future of audit: market view − myths, realities and ways forward‘ below“. Im Rahmen der Studie wurden 501 Entscheidungsträger*innen aus zwölf Ländern umfassend zu ihren Erwartungen an Wirtschaftsprüfer*innen sowie zur Rolle der Technologie in der Prüfung befragt.

„Der Fall Wirecard hat eine umfassende Debatte um eine Reform der Wirtschaftsprüfung ausgelöst. Wir hoffen, dass die Ergebnisse unserer Studie dazu beitragen, die Diskussion über die erforderliche Weiterentwicklung des Berufsstandes sowie notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Die Abschlussprüfung ist weiterhin das Herzstück unserer Arbeit, und es ist unsere Verantwortung, mit anderen zusammenzuarbeiten, um ihre Relevanz und Qualität zu verbessern“, so Dr. Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards bei Mazars in Deutschland und Mitglied im Group Executive Board der Mazars Gruppe. „Außerdem müssen wir uns mit den Erwartungen an die technologische Entwicklung und ihren Einsatz in der Wirtschaftsprüfung auseinandersetzen. Die Studienergebnisse zeigen, wie wichtig das ist“, so Dr. Regierer weiter.

Durchgeführt wurde die Studie von Edelman Intelligence, wobei weder dieser noch der Name Mazars offengelegt wurde, um jegliche Einflussnahme auszuschließen. Der Studie nach sprechen sich 93 Prozent der weltweit befragten Entscheider*innen in Unternehmen für eine Audit Reform aus. Europaweit meinen 72 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen, dass der Wirtschaftsprüfungsmarkt eine Reform benötigt. In Deutschland sind es sogar 100 Prozent, was deutlich macht, dass das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland nach dem Fall Wirecard stark gelitten hat. Um es wiederherzustellen sind Transparenz in der Prüfung und eine konstant hohe Prüfungsqualität nötig. Ein Mittel dafür sind Joint Audits, gemeinschaftliche Prüfungen durch zwei voneinander unabhängige Prüfungsgesellschaften.  87 Prozent aller Befragten weltweit stehen diesem Modell positiv gegenüber. Die Mehrheit ist außerdem dafür, dass Wirtschaftsprüfer*innen ihr Leistungsspektrum über die Finanzberichterstattung hinaus erweitern.

Deutschland: 77 Prozent sehen Joint Audits als Mittel, um die Prüfung zu verbessern

Insbesondere Entscheidungsträger*innen in Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs) sprechen sich für die Nutzung von Joint Audits aus (86 Prozent). Die Unternehmen sehen in Joint Audits vor allem eine Möglichkeit, die Prüfung zu verbessern und das Vertrauen der Stakeholder in den Finanzbericht zu erhöhen. Dieses Modell wird auch von 88 Prozent der Befragten weltweit befürwortet, die bereits über Erfahrung damit verfügen. In Deutschland stehen 77 Prozent aller befragten Entscheider Joint Audits positiv gegenüber.

„Die Ergebnisse bestätigen ganz klar, dass auf dem deutschen Wirtschaftsprüfermarkt dringend grundlegender Reformbedarf besteht und das Bewusstsein dafür bei den Entscheiderinnen und Entscheidern vorhanden ist“, so Dr. Christoph Regierer. „Wir müssen den Finanzplatz Deutschland wieder stärken. Dafür bedarf es einer grundlegenden Änderung der Marktstruktur. Wir brauchen mehr Vielfalt im Markt, um Prüfungsqualität sicherstellen zu können. Durch das Vier-Augen-Prinzip tragen Joint Audits genau dazu bei.“

Befragte erwarten Multidisziplinarität von Prüfer*innen

Welche Resultate erwarten die Entscheider*innen weltweit von der Prüfung ihres Unternehmens? Auf diese Frage antworten knapp drei Viertel (74 Prozent) von ihnen mit „ein objektives und unabhängiges Urteil über den Jahresabschluss meines Unternehmens“. Es folgen „Sicherheit und Vertrauen für Investoren, Stakeholder und Regulierungsbehörden“ (61 Prozent) und „Unterstützung zur Verbesserung der Business Performance“ (52 Prozent). Nur 34 Prozent antworten mit „Aufdeckung und Prävention von Betrug“.

Die Erwartungen an die Prüfer*innen gehen über die klassische Prüfung des Jahresabschlusses hinaus. So wünschen sich rund 96 Prozent aller Befragten, dass die Wirtschaftsprüfer*innen ihr Leistungsspektrum erweitern. 87 Prozent befürworten eine Ausweitung der Prüfung auf neue Bereiche wie die nichtfinanzielle Berichterstattung, z. B. Klimarisiken, Gender Diversity und Menschenrechte. „Multidisziplinarität ist wichtig für die Prüfungspraxis und das Aufgabenspektrum der Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer wird immer komplexer – das erleben wir täglich in unserer Arbeit. Die Ergebnisse reflektieren unsere Erfahrung“, betont Dr. Christoph Regierer. „Es wird in Zukunft immer wichtiger sein, unsere Mandant*innen dort abzuholen, wo sie uns und unsere Expertise benötigen.“

Den Ergebnissen zufolge sollten Wirtschaftsprüfer*innen neue Technologien im Audit-Prozess einsetzen – das befürworten 96 Prozent der Befragten aus allen Ländern. Dabei sollen technische Lösungen die Wirtschaftsprüfer*innen nicht ersetzen, sondern in ihrer Arbeit bestärken. Die Umfrageteilnehmer*innen erhoffen sich Zeitersparnis (93 Prozent) sowie Effizienz (92 Prozent). Prüfer*innen können sich nach Einschätzung der Entscheider*innen stärker auf ihre Kernaufgaben fokussieren, indem sie technologische Lösungen nutzen.

Neben technologischen Anforderungen legen die Befragten auf der ganzen Welt aber auch großen Wert auf Softskills bei der Auswahl ihrer Prüfer*innen. Sie sollen das Unternehmen verstehen und mit seinen Teams zusammenarbeiten können sowie Stabilität und gleichbleibend hochwertige Arbeit liefern. Aus einer Liste von 20 Optionen wurde „Zuhören“ als gewünschte Fähigkeit am häufigsten ausgewählt (33 Prozent). Dahinter folgen „Agilität und Flexibilität“ (17 Prozent). Das bedeutet, dass die Fähigkeiten, die für die Entscheider*innen Priorität haben, menschliche Qualitäten sind, die von der Technologie nicht einfach ersetzt werden können.

„Die Studie hat uns einmal mehr gezeigt, dass weltweit Reformbedarf in der Wirtschaftsprüfung besteht und die Entscheiderinnen und Entscheider in den Unternehmen offen sind für den Wandel“, resümiert Regierer. „Die Politik sollte sich fragen, wie sie auf den großen Reformbedarf angemessen reagieren kann.  Die Ergebnisse zeigen, dass Joint Audits als Modell durchaus bekannt und auch gewollt sind. Daher müssen dafür dringend zusätzliche Anreize geschaffen werden.“

Über die Umfrage

Die quantitative Umfrage basiert auf einer Stichprobe von 501 Befragten, wobei fast die Hälfte der Befragten in Europa ansässig und 42 Prozent der Teilnehmer*innen bei Public Interest Entities (PIEs) tätig sind.  Alle Befragten sind in strategischen Positionen (CFOs, CEOs oder Mitglieder von Prüfungsausschüssen) bei Organisationen mit Hauptsitz in einem der folgenden 12 Länder: Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Marokko, Niederlande, Spanien, Südafrika und den USA.

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Mazars-Umfrage offenbart Reformbedarf