Redispatch 2.0 – was kommt auf Anlagenbetreiber zu?

Zum 1. Oktober 2021 treten Bestimmungen in Kraft, mit denen spannungsbedingte Anpassungen der Leistungseinspeisung und des Leistungsbezuges von Stromerzeugungsanlagen und Stromspeichern (sog. Redispatch 2.0) einheitlich geregelt werden.

Wer ist betroffen?

Rechtlich verpflichtet sind grundsätzlich alle Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von Strom ab einer elektrischen Nennleistung von 100 kW. Rechtlich ungeklärt ist bisher leider, ob mehrere Anlagen hinsichtlich der 100-kW-Grenze zu einer Anlage verklammert werden.

Neu ist schließlich, dass jetzt nicht mehr nur die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), sondern alle Netzbetreiber in den Redispatch-Prozess einbezogen werden.

Überblick Neuregelungen

Die wesentlichen regulatorischen Neuregelungen im Verhältnis Anlagenbetreiber und Anschlussnetzbetreiber sind durch Beschluss vom 23. März 2021 von der Bundesnetzagentur (BNetzA) festgelegt worden (Az.: BK6-20-061).

Identifikationsnummern für technische und steuerbare Ressourcen

Jede Anlage wird als technische Ressource (TR) bezeichnet. Eine steuerbare Ressource (SR) setzt sich aus einzelnen TR zusammen. Der Netzbetreiber teilt den TR und den SR bestimmte Identifikationsnummern (ID) zu. Da dies von den Netzbetreiber bis zum 14. Mai 2021 umzusetzen war, haben Betreiber von Stromerzeugungsanlagen und Stromspeichern also bereits entsprechende IDs in der Regel erhalten.

Neue Marktrollen

Es wurden zwei neue Marktrollen geschaffen, der Einsatzverantwortliche (EIV) und der Betreiber der technischen Ressource (BTR).

Während der BTR für den Einbau, den Betrieb und die Wartung der TR verantwortlich ist, übernimmt der EIV zahlreiche Meldungen (Stammdaten, Nichtbeanspruchbarkeiten, Planungsdaten etc.).

Mitteilungspflichten – je nach Bilanzierungsmodell

Anlagenbetreiber sind dazu verpflichtet, dem Netzbetreiber gegenüber diverse Mitteilungspflichten zu erfüllen. Auf Grundlage der mitgeteilten Daten prognostiziert der Netzbetreiber, ob eine Redispatch- Maßnahme erforderlich ist. Der Umfang der hiernach mitzuteilenden Daten hängt davon ab, welchem Bilanzierungsmodell eine Anlage zugeordnet wird. Jede SR muss genau einem Bilanzierungsmodell zugeordnet sein. Es stehen zwei Modelle zur Auswahl:

Im Planwertmodell teilen die EIV dem Netzbetreiber Erzeugerprognosen in Form von Ex-ante-Fahrplänen mit. Soweit jedoch keine Ex-ante-Fahrpläne vorliegen oder auf absehbare Zeit beschafft werden können, steht Anlagenbetreibern auch das Prognosemodell zur Verfügung. Im Prognosemodell erfolgt die Bilanzierung nachträglich auf Basis der berechneten Ausfallarbeit im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung.

Abrufvarianten

Für den Netzbetreiber gibt es zwei Möglichkeiten, eine Redispatch-Maßnahme durchzuführen. Im Duldungsfall wird die Anlage durch den Netzbetreiber geregelt, während im Aufforderungsfall der Anlagenbetreiber bzw. der EIV die Anlage nach Aufforderung durch den Netzbetreiber regelt.

Bilanzieller und finanzieller Ausgleich

Es erfolgt ein bilanzieller Ausgleich für jede Viertelstunde einer Redispatch-Maßnahme. Der bilanzielle Ausgleich erfolgt in Höhe der Ausfallarbeit. Ausfallarbeit ist die Differenz zwischen der theoretischen Einspeisung und dem Wert der Leistungslimitierung der Anlage. Ist die Ausfallarbeit positiv, erfolgt der bilanzielle Ausgleich aus dem Redispatch-Bilanzkreis in den Einspeisebilanzkreis; bei negativer Ausfallarbeit umgekehrt.

Die Ausfallarbeit bestimmt sowohl im Planwert- als auch im Prognosemodell den bilanziellen Ausgleich im Falle einer Redispatch-Maßnahme und bildet damit die Grundlage für den angemessenen finanziellen Ausgleich des Anlagenbetreibers. Angemessen ist der finanzielle Ausgleich, wenn der Netzbetreiber den Anlagenbetreiber unter Anrechnung des bilanziellen Ausgleichs wirtschaftlich weder besser noch schlechter stellt, als er ohne die Maßnahme stünde.

Die Reichweite des finanziellen Ausgleichs ist noch reichlich unbestimmt. Ob und inwieweit z. B. EEG-Eigenversorger entschädigt werden, wenn die Anlage einer Redispatch-Maßnahme unterliegt, ist rechtlich unklar. Sind die Mehrkosten für voll umlagepflichtigen Ersatzstrom ausgleichspflichtig? Umgekehrt kann es auch bei privilegiertem Strombezug durch Redispatch- Maßnahmen zu Mehrkosten kommen, deren Ausgleichspflicht nicht eindeutig geregelt ist.

Wie geht’s weiter?

Die Umsetzung von Redispatch 2.0 durch die Branche ist bereits in vollem Gange. Der Austausch von Stammdaten startete im Sommer. Der BDEW meint, dass die Stammdaten-Lieferung bis zum 18. August 2021 abgeschlossen sein sollte, um am 1. September 2021 mit der Lieferung der Planungsdaten beginnen zu können. Seit dem 1. Juli 2021 finden jedenfalls erste Datenaustausche über das Online-Portal Connect+ statt ( www.netz-connectplus.de). Connect+ ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern. Am 1. Oktober 2021 tritt das Redispatch 2.0 schließlich in Kraft.

Autor*innen

Dr. Hans-Christoph Thomale
Tel: +49 69 967 65 1750

Tarek Abdelghany
Tel: +49 69 967 65 1613

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.