FG Niedersachsen, Urteil vom 29.06.2022, 3 K 87/21: Schweizer Stiftung löst in Deutschland Ersatzerbschaftsteuer aus

Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 29. Juni 2022 (3 K 87/21) entschieden, dass eine im Ausland nach ausländischem Recht gegründete und rechtsfähige Stiftung mit inländischer Geschäftsleitung der Ersatzerbschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt.

Hintergrund

Eine nach schweizerischem Recht gegründete Familienstiftung mit statuarischem Sitz in der Schweiz und nachträglicher Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland bezweckt die Bestreitung von Kosten der Erziehung, Ausstattung und Unterstützung von Abkömmlingen der Stifterin. Das Vermögen der Stiftung besteht fast ausschließlich aus in Deutschland belegenem Grundbesitz und wird satzungsgemäß von Mitgliedern des Stiftungsrats vertreten, die alle in Deutschland ansässig sind. In der Schweiz gibt es nur einen Zustellbevollmächtigten.

Die Familienstiftung ist nach Schweizer Recht rechtsfähig, nach deutschem Recht i. S. d. § 80 BGB (Sitztheorie) allerdings unstreitig nicht rechtsfähig. Die Klägerin (die Stiftung) vertrat die Ansicht, dass sie aufgrund ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit in Deutschland auch nicht ersatzerbschaftsteuerpflichtig sei.

Kernaussage

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst Familienstiftungen und besteuert deren Vermögen in Zeitabständen von 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung mit Ersatzerbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Nicht rechtsfähige Stiftungen unterliegen nicht der Ersatzerbschaftsteuer, da nur rechtsfähige Stiftungen Träger eigenen Vermögens sein können. Der sachliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasse aber nach dem FG Niedersachsen alle weltweit gegründeten Stiftungen. Das jeweils für die ausländische Vermögensmasse maßgebliche ausländische Recht ist Grundlage für Beurteilung, ob es sich um eine (nicht) rechtsfähige Stiftung handelt.

Auf Ebene der persönlichen Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG kommt es dann für die tatsächliche Besteuerung der Stiftung mit Ersatzerbschaftsteuer auf die „Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland“ an. Der Gesetzgeber habe hierfür bewusst entschieden, dass es für die Besteuerung ausreichend ist, wenn die Geschäftsleitung im Inland erfolgt, auch wenn der Sitz der Stiftung im Ausland ist.

Bedeutung für die Praxis

Gegen das Urteil des FG Niedersachsen wurde Revision eingelegt (II R 30/22). Der zweite Senat des BFH hat bereits bestätigt, dass sich die Anwendung der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf inländische Familienstiftungen beschränkt. Ob der BFH eine im Ausland nach ausländischem Recht gegründete Stiftung mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland auch als inländische Stiftung qualifiziert, bleibt abzuwarten.

Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollten die tatsächlichen Verhältnisse bei nicht eindeutigen Fällen der Verortung der Geschäftsleitung vorab geprüft und ausreichend dokumentiert werden.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.