Globale Mindestbesteuerung: OECD und EU legen konkrete Regelwerke vor

Zwei Säulen für eine neue Weltsteuerordnung

Der Grundstein für eine neue Weltsteuerordnung wurde im vergangenen Jahr gelegt. Bereits im Sommer 2021 und den folgenden Monaten hatte sich im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Staatengemeinschaft des Inclusive Framework on BEPS (dies sind inzwischen insgesamt 137 Länder, darunter die G20-Staaten und alle EU-Staaten außer Zypern) geeinigt auf die wichtigsten Eckpunkte eines sogenannten Zwei-Säulen-Modells zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung sowie zu den besonderen Herausforderungen durch die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft bei der Besteuerung.

Dabei ist das Tempo für die Umsetzung bemerkenswert hoch. Denn sowohl die Neuzuordnung von Besteuerungsrechten auf die Marktstaaten (Säule 1) als auch die globale Mindestbesteuerung von 15% (Säule 2) sollen im Kern bereits durch die einzelnen Staaten möglicherweise noch in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt werden und bereits 2023 zur Anwendung kommen.

Berichtet hatten wir dazu zuletzt in unserem Newsletter Steuern 3/2021.

OECD veröffentlicht Musterregeln zur globalen Mindestbesteuerung

Im Hinblick auf die zweite Säule hat die OECD am 20. Dezember 2021 nun die sogenannten „GloBE Model Rules Pillar 2“ veröffentlicht. Dabei handelt es sich um Musterregeln, die den einzelnen Staaten als Vorlage zur Umsetzung in nationales Recht dienen sollen. Die Regeln sollen sicherstellen, dass große multinationale Unternehmensgruppen (MNE, mehr als EUR 750 Mio. Umsatz) ein Mindestmaß an Steuern auf die Einkünfte zahlen, die in den Ländern entstehen, in denen sie tätig sind. Verständigt wurde sich auf ein länderbezogenes Mindestbesteuerungsniveau in Höhe von 15%.

Grundlegend soll dazu eine „Top-Up Tax“ etabliert werden, sofern das Mindestbesteuerungsniveau von effektiv 15% in einzelnen Ländern nicht erreicht wird. Dabei handelt es sich um eine Art Nachversteuerung in Höhe der Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15% und dem niedrigeren effektiven Steuersatz pro Land. Die Erhebung soll vorrangig über eine „Income Inclusion Rule“ (IIR) oder subsidiär über eine „Undertaxed Payment Rule” (UTPR) erfolgen, welche zusammen als „GloBE-Rules“ bezeichnet werden.

Nach dem Konzept der IIR sind die Top-Up Tax-Beträge grundsätzlich durch die oberste Konzerngesellschaft abzuführen, und zwar dann, wenn diese in einem Staat ansässig ist, der die IIR anwendet. Nicht über die IIR erfasste Nachversteuerungsbeträge sollen nachrangig durch die UTPR in Form einer Versagung des Betriebsausgabenabzugs erhoben und nach einem bestimmten Schlüssel auf diejenigen Länder verteilt werden, in denen der Konzern tätig ist und die eine UTPR eingeführt haben. Die Musterregeln der OECD enthalten außerdem verschiedene Ausnahmen und Besonderheiten, welche die Anwendung des vergleichsweise zugänglichen Grundkonzepts im Einzelfall außerordentlich komplex machen können. Zu berücksichtigen sind insbesondere auch zusätzliche steuerliche Deklarationspflichten.

Richtlinienentwurf zu Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in der EU

Nur zwei Tage nach der OECD hat die EU-Kommission am 22. Dezember 2021 nachgezogen und einen eigenen Richtlinienentwurf zur einheitlichen Umsetzung der globalen effektiven Mindestbesteuerung in der Europäischen Union vorgelegt. Der Richtlinienentwurf orientiert sich dabei eng an den Musterregeln der OECD. Danach sollen die Mitgliedstaaten schon bis zum 31. Dezember 2022 die Regelungen in nationales Recht umsetzen. Mit Ausnahmen der UTPR, die erst ab 2024 abgewandt werden soll, sieht der Richtlinienentwurf eine Anwendung der Mindestbesteuerungsregeln bereits ab dem 1. Januar 2023 vor. Außerdem weitet der Richtlinienentwurf die Anwendung der Regelungen auch auf rein inländische Konzerne aus. Bezüglich der Deklarationspflichten bestimmt der Entwurf, dass die Konzernunternehmen jährliche Steuererklärungen für Zwecke der Mindestbesteuerung (sog. „Top-up Tax Information Return“) einreichen müssen. Verstöße gegen Erklärungspflichten sollen empfindlich sanktioniert werden – mit Zuschlägen in Höhe von 5% vom Umsatz.

Das Tempo bleibt hoch – zögern Sie nicht zu lange

Es bleibt mit Spannung zu verfolgen, wie die OECD, die EU-Kommission und die einzelnen Staaten die weitere Umsetzung des Zwei-Säulen-Modells in den nächsten Monaten vorantreiben werden. Das Tempo wird sehr wahrscheinlich hoch bleiben. So hat die OECD noch für das erste Quartal 2022 die Veröffentlichung eines Kommentars zu den Model Rules und konkrete Aussagen zum Umsetzungsrahmen angekündigt. Die EU strebt eine Verabschiedung der Richtlinie im April 2022 an, obgleich bereits einige Mitgliedstaaten hinsichtlich des ambitionierten Zeitplans zur Umsetzung Bedenken geäußert haben. Diskutiert wird aktuell eine Kompromisslösung, die u.a. eine Verschiebung der Erstanwendung der neuen Rechtsvorschriften um ein Jahr, also ab 2024 vorsieht.

Insbesondere für Konzerne dürfte aber bereits jetzt absehbar sein, dass die neue Weltsteuerordnung mit erheblichen Herausforderungen verbunden sein wird. Es wird zu prüfen sein, ob und inwieweit die Globe-Regeln tatsächlich Anwendung finden könnten und welche Steuermehrbelastungen daraus zu erwarten wären. Verantwortlichkeiten sollten zeitnah bestimmt und Prozesse definiert werden, um die Verfügbarkeit der erforderlichen Informationen und Daten aus dem Rechnungswesen zu gewährleisten und den zusätzlichen Compliance-Verpflichtungen nachkommen zu können.

Selbstverständlich unterstützen wir Sie gerne bei der Bewältigung der neuen Herausforderungen.

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Autor

Tobias Radloff
+49 40 288 01 3028

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.