Deutsche Besteuerung von Agenturen ausländischer Schifffahrtsgesellschaften / Zuordnung des Besteuerungsrechts

Die Geschäftsmodelle von internationalen Schifffahrtsunternehmen und Linienreedereien sind typischerweise davon geprägt, dass der Seetransport und damit zusammenhängende Dienstleistungen zentral durch das Stammhaus am Stammsitz erbracht werden. Der weltweite Vertrieb der Leistungen, und zwar insbesondere von Transportkapazitäten auf Schiffen des Unternehmens, erfolgt regelmäßig durch lokale Agenturen. Diese Agenturen sind entweder fremde Dritte oder eigene Tochtergesellschaften bzw. rechtlich unselbstständige Niederlassungen des Schifffahrtsunternehmens.

Nach allgemeinen internationalen steuerlichen Grundsätzen gilt, dass Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr nur in dem Staat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Das ergibt sich aus Art. 8 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) und entspricht auch der weit überwiegenden Abkommenspraxis der Bundesrepublik Deutschland. Soweit also ein ausländisches Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in einem Staat, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat, Einkünfte aus deutscher Quelle erzielt und es sich dabei um Schifffahrtseinkünfte handelt, wird Deutschland regelmäßig kein Besteuerungsrecht für diese Einkünfte haben. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn das ausländische Schifffahrtsunternehmen über eine deutsche Betriebsstätte verfügt. Denn Art. 8 OECD-MA ist vorranging gegenüber Art. 7 OECD-MA anzuwenden.

Als Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens gelten abkommensrechtlich zum Beispiel rechtlich unselbstständige Zweigniederlassungen. Außerdem begründet bzw. vermittelt die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft dem ausländischen Gesellschafter eine inländische Betriebsstätte. Nach der herrschenden Meinung ist diese Betriebsstätte Teil des Unternehmens des ausländischen Gesellschafters im abkommensrechtlichen Sinne. Für den Fall eines ausländischen Schifffahrtsunternehmens, welches in Deutschland eine Agentur in der Rechtsform einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) betreibt und an dieser Gesellschaft als sog. Mitunternehmer beteiligt ist, sollte daraus folgen, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Besteuerungsrecht für in Deutschland erzielte Schifffahrtseinkünfte (einschließlich Agenturgeschäft) hat. Soweit ersichtlich entsprach dieses Ergebnis auch der bisherigen Verwaltungspraxis.

Die Finanzverwaltung vertritt für solche Fallkonstellationen inzwischen offenbar eine abweichende Auffassung. Gemäß der Fachinformation 03/2018 der Steuerverwaltung der Finanzbehörde Hamburg vom 30. Mai 2018 an die Steuerberaterkammer Hamburg vertreten die Referatsleiter Außensteuer der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Rechtsauffassung, dass eine zum Betriebsvermögen eines Mitunternehmers gehörende Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft abkommensrechtlich ein von der eigenunternehmerischen Tätigkeit des Mitunternehmers gesondert zu beurteilendes Unternehmen darstellt. Dieser Grundsatz soll ungeachtet des Umstands gelten, dass die Mitunternehmerschaft eine unterstützende Unternehmenstätigkeit für den Mitunternehmer ausübt.

Denn nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Voraussetzungen von Regelungen in den von Deutschland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen, die dem Art. 8 OECD-MA entsprechen, bezogen auf die unternehmerische Tätigkeit des Mitunternehmers und auf die unternehmerische Tätigkeit der Mitunternehmerschaft, jeweils gesondert zu prüfen. Für den geschilderten Sachverhalt eines ausländischen Schifffahrtsunternehmens mit Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) soll dies ausdrücklich bedeuten, dass Art. 8 OECD-MA auf die aus der Mitunternehmerschaft erzielten Erträge nicht anwendbar ist und nur Deutschland die Einkünfte des ausländischen Mitunternehmers entsprechend Art. 7 OECD-MA besteuern darf. Diese Rechtsauffassung der Referatsleiter soll verwaltungsintern in allen offenen Fällen beachtet werden, soweit dem nicht verbindliche Auskünfte entgegenstehen.

Erste praktische Erfahrungen in Betriebsprüfungen zeigen, dass die Finanzverwaltung die umstrittene Rechtsauffassung tatsächlich anwendet, und zwar auch auf anders gelagerte Sachverhalte außerhalb der Schifffahrtsbranche. Es scheint daher dringend geboten, die Sachverhalte im Einzelnen genau zu prüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Shipping-Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.