OVG Rheinland-Pfalz Urteil vom 4. Mai 2021 – 6 A 11344/20:

Bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Anlage stellt einen beitragspflichtigen Vorteil dar

Ausgangspunkt des Rechtsstreits

Das Landesrecht einiger Bundesländer sieht die Erhebung von sog. wiederkehrenden Beiträgen vor (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG RhPf).

Die beklagte kommunale Gebietskörperschaft hatte hier für die Niederschlagswasserbeseitigung wiederkehrende Beiträge festgesetzt. Hiergegen hat eine Grundstückseigentümerin Klage eingereicht.

Die Klägerin besitzt zwei Grundstücke und nur eins davon ist an die kommunale Abwasserversorgungseinrichtung der kommunalen Gebietskörperschaft angeschlossen. Für dieses Grundstück besteht jedoch die Möglichkeit eines Anschlusses an die Anlage.

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen für die Niederschlagswasserbeseitigung, da sie, anders als andere Grundstückseigentümer, auf die Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage verzichtet.

Entscheidung des VG Koblenz

Das VG Koblenz hat in seinem Urteil vom 7. September 2020 die Klage abgewiesen. Die mit dem Vorgehen der beklagten Gebietskörperschaft verbundene Folge, dass über wiederkehrende Beiträge auch Kosten der tatsächlichen Nutzung durch Beitragszahler mitfinanziert würden, die selbst kein Niederschlagswasser in die Kanalisation einleiteten, rechtfertige nicht den Schluss, es müssten auch zwingend Gebühren erhoben werden. Vielmehr sei die Beklagte nicht daran gehindert, die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung ausschließlich über wiederkehrende Beiträge zu refinanzieren, statt sie zumindest teilweise über Gebühren zu decken.

Berufung gegen das Urteil des VG Koblenz

Die Klägerin legte Berufung gegen das Urteil des VG Koblenz ein und begründetet dies damit, dass eine ausschließliche Finanzierung der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung durch die Erhebung wiederkehrender Beiträge gegen das Regelungsprinzip des § 7 KAG verstoße. Lediglich der Investitionsaufwand für die erstmalige Herstellung der Anlage oder der Einrichtung könne durch einmalige Beiträge refinanziert werden. Die Finanzierung der Betriebskosten kann hingegen nur durch die Erhebung von Gebühren erfolgen. Zusätzlich hat die Klägerin die Verletzung des Art. 3 I GG gerügt und beanstandet, dass Grundstückseigentümer, die die Entwässerungsanlange nicht beanspruchen, nicht mit denjenigen Grundstückseigentümern gleichgesetzt werden dürften, welche die Entwässerungseinrichtung tatsächlich in Anspruch nehmen.

Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz

Das OVG Rheinland-Pfalz bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die angefochtenen Bescheide finden ihre Grundlage in § 7 Abs. 2 S. 2 KAG. Dieser eröffnet der kommunalen Gebietskörperschaft die Möglichkeit, zur Abgeltung der Kosten der Einrichtung oder der Anlage von den Grundstückseigentümern wiederkehrende Beiträge und zur Finanzierung der Investitionsaufwendungen für die Herstellung oder den Ausbau einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage einmalige Beiträge zu erheben. § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG sieht vor, dass kommunale Gebietskörperschaften u. a. von Grundstückseigentümern – wie der Klägerin –, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen oder Anlagen ein Vorteil entsteht, Beiträge erhoben werden können. Hingegen regelt § 7 Abs 1 S. 1 KAG allgemein, dass als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen zur Deckung der Kosten Benutzungsgebühren erhoben werden können.

Folglich kann die kommunale Gebietskörperschaft gleichzeitig einmalige und wiederkehrende Beiträge oder Benutzungsgebühren erheben.

Das OVG hat insbesondere klargestellt, dass die Möglichkeit der Beitragserhebung auch nicht durch § 7 Abs. 2 S. 1 KAG begrenzt wird. Bereits das Vorhandensein einer Möglichkeit zur Inanspruchnahme der jeweiligen Einrichtung bietet den Grundstückseigentümern einen Vorteil, der durch die Erhebung von Beiträgen abgegolten werden kann. Die einmal geschaffene Inanspruchnahmemöglichkeit besteht bei im Übrigen unveränderten tatsächlichen Verhältnissen weiter fort und kann deshalb als beitragsrelevanter Vorteil fortlaufend zum Gegenstand der Beitragserhebung gemacht werden.

Darin kann auch keine Verletzung des Art. 3 1 GG erblickt werden. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Einrichtung ist nicht Voraussetzung für die Beitragserhebung. Vielmehr knüpft die Beitragserhebung an das Vorhandensein der Möglichkeit der Inanspruchnahme der jeweiligen Einrichtung.

Im Übrigen stehen die angefochtenen Bescheide im Einklang mit den Grundsätzen zur Abgrenzung zwischen Gebühren und Beiträgen. Gebühren sind Geldleistungen, die für eine tatsächliche Inanspruchnahme einer Einrichtung erhoben werden. Dagegen sollen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- Newsletter Public Sector Mazars 43 gerichts durch Beiträge diejenigen an den Kosten der Einrichtung beteiligt werden, die daraus einen potenziellen Nutzen haben. Nach der Auffassung des OVG kann die klagende Grundstückseigentümerin sich jederzeit an die Entwässerungsanlage anschließen lassen, darin erblickt das Gericht einen potenziellen Nutzen, der zugleich einen beitragspflichtigen Vorteil darstellt.

Auswirkungen auf die Praxis

Kommunale Gebietskörperschaften können wiederkehrende Beiträge von den Grundstückseigentümern bereits dann erheben, wenn für den Grundstückseigentümer durch das Bereitstellen der Anlage oder der Einrichtung die Möglichkeit der Inanspruchnahme besteht. Bereits der potenzielle Nutzen stellt einen beitragsauszugleichenden Vorteil dar.

Autor*innen

Philipp Hermisson
Tel: +49 30 208 881 136

Sabina Gaaß
Tel: + 49 341 60 03 2286

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