Haftung für Schachtdeckel

Eine Kommune haftet für den nicht ordnungsgemäßen Zustand eines der Gefährdungshaftung für ihre Abwasserkanalisationsanlage unterliegenden, in den öffentlichen Gehweg eingelassenen Schachtdeckels eines Revisionsschachts, wenn sich bei dessen Betreten eine Fußgängerin verletzt.

Eine Fußgängerin beanspruchte die Feststellung der Schadensersatzpflicht der beklagten Gemeinde unter Berufung auf einen auf dem Gehweg an einem Revisionsschacht erlittenen Unfall.

Das Saarländische OLG (Urteil vom 20. Mai 2021; Az.: 4 U 21/20) hat die Haftung der Kommune bestätigt.

Wird durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, zitiert das OLG aus dem Haftpflichtgesetz (HaftpflG). Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, habe der Inhaber eine finanzielle Entschädigung zu leisten.

Laut der einschlägigen Satzung über die Entwässerung der Grundstücke, den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung (Abwassersatzung) betreibt die Beklagte in ihrem Gebiet die Abwasserbeseitigung als städtische Pflichtaufgabe. Gemäß § 1 Abs. 4 der Abwassersatzung sind und werden zur Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht öffentliche Abwasseranlagen hergestellt, die ein einheitliches System bilden und von der Beklagten als öffentliche Einrichtung im Trennverfahren (getrennte Leitungen für Schmutzwasser jeglicher Art und für die Aufnahme von Niederschlagswasser) und im Mischverfahren (gemeinsame Leitungen für die Aufnahme von Niederschlagswasser und Schmutzwasser jeglicher Art) betrieben und unterhalten werden.

Die Ersatzpflicht nach § 2 Abs. 1 HaftpflG wäre vorliegend gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 HaftpflG ausgeschlossen, weil der Schaden durch höhere Gewalt verursacht worden wäre. Ob rechtswidrige Eingriffe außenstehender Personen, insbesondere Attentate oder Sabotageakte, als höhere Gewalt zu werten sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Das Herausheben eines Kanaldeckels durch einen Unbefugten ist ein von außen kommendes Ereignis. Höhere Gewalt setzt jedoch weiter voraus, dass das Ereignis so außergewöhnlich ist, dass es einem elementaren Ereignis gleichkommt. Für eine Gemeinde als Inhaberin einer Kanalisationsanlage stellt das Herausheben eines Gullydeckels (Regeneinlaufrostes) durch unbefugte Dritte im Regelfall eine die Gefährdungshaftung aus § 2 Abs. 1 Satz 2 HaftpflG ausschließende höhere Gewalt (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 HaftpflG) dar. Eine Gemeinde ist als Inhaberin einer Kanalisationsanlage grundsätzlich nicht gehalten, die Regeneinlaufroste von Gullys gegen ein Herausheben durch unbefugte Dritte zu sichern. Für die Voraussetzungen des Ausschlusses der Ersatzpflicht nach § 2 Abs. 3 HaftpflG trägt aber grundsätzlich der Inhaber der Anlage die Darlegungs- und Beweislast. Ein unmittelbarer Nachweis, dass der Schachtdeckel von Dritten vor dem Schadensereignis entfernt worden ist, konnte in dem Verfahren nicht geführt werden.

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Autor*innen

Philipp Hermisson
Tel: +49 30 208 881 136

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.