VG Frankfurt: zwei neue Entscheidungen zur Umwandlung und zur Neugründung von Unternehmen in der Besonderen Ausgleichsregelung

Zur Neugründungsdefinition im EEG (VG Frankfurt a. M., Urteil vom 21. April 2021 – 5 K 243/19.F)

Neu geschaffenes Betriebsvermögen i. S. d. Neugründungsdefinition des § 64 Abs. 4 Satz 6 EEG 2014 setzt nicht voraus, dass Sachanlagen fabrikneu sein müssen. Stattdessen ist eine bilanzrechtliche Sichtweise einzunehmen und auf Sachanlagen abzustellen, welche für das jeweilige Unternehmen in dessen Eröffnungsbilanz neu sind.

Maßgebliche Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Begrenzung der EEG-Umlage für das Begrenzungsjahr 2017.

Die Klägerin wurde 2016 als Gesellschaft gegründet, pachtete zur Mischfutterherstellung dienende Wirtschaftsgüter von einer Bank und kaufte Rohstoffe ein. Im September 2016 stellte sie als „neu gegründetes Unternehmen“ erfolglos einen Antrag auf Begrenzung der EEG-Umlage gem. § 64 Abs. 4 Satz 6 EEG 2014 bei dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für das Jahr 2017. Das BAFA begründete die Ablehnung damit, dass neu gegründete Unternehmen solche seien, welche unter Schaffung von im Wesentlichen neuem Betriebsvermögen ihre Tätigkeit erstmals aufnehmen und nicht durch Umwandlung i. S. d. § 5 Nr. 32 EEG 2014 entstanden sind. Entgegen dieses Erfordernisses seien die gepachteten Anlagen jedoch gebrauchte Anlagen der Verpächterin und würden somit kein (fabrik-) neu geschaffenes Sachanlagenvermögen, mithin im Wesentlichen neues Betriebsvermögen darstellen. Es handle sich lediglich um eine Betriebsfortführung.

Das VG Frankfurt a. M. hat der Klage stattgegeben

Bei der Klägerin handele es sich um ein „neugegründetes Unternehmen“ i. S. v. §§ 64 Abs. 4, 66 Abs. 3 EEG 2014, welches eine Begrenzung der EEG-Umlage beanspruchen könne. Ein Erfordernis, dass insbesondere die Sachanlagen „fabrikneu“ hergestellt sein müssten, sei nicht normiert. Daher schade auch der Umstand, dass bei äußerlicher Betrachtung die Klägerin die Anlagen gepachtet hat und deren Betrieb unverändert fortführt, nicht.

Das Gericht stellte weiter fest, dass „neu geschaffenes Betriebsvermögen“ i. S. v. § 64 Abs. 4 Satz 6 EEG 2014 nicht dahingehend zu verstehen sei, dass die Produktionsanlagen ausschließlich neu errichtet und betrieben sein müssen. Vielmehr müsse die erstmalige Aufnahme der Unternehmens- oder Betriebstätigkeit unter Abstützung auch auf die neuen Ressourcen erfolgen.

Zur Einordnung als „neu“ sei eine bilanzrechtliche Sichtweise einzunehmen. Die normative Vorgabe in § 64 Abs. 4 Satz 6 EEG 2014 orientiere sich erkennbar an Begrifflichkeiten aus dem Bilanzrecht (vgl. § 266 HGB). Sie knüpft an dem „Grund- und Stammkapital“ auf der Passivseite an, über das hinaus auf der Aktivseite weitere Vermögensgegenstände des Anlage- oder Umlaufvermögens erworben, gepachtet oder geleast worden sein müssten. Bestätigung fände diese Sichtweise im Stichtagsprinzip des § 64 Abs. 7 EEG 2014, welches ein bilanzielles Grundprinzip sei.

Entsprechend der bilanzrechtlich geprägten Sicht käme es für die Frage, was „neu“ ist, nicht darauf an, ob noch planmäßige Abschreibungen vorzunehmen sind. Vielmehr sei darauf abzustellen, was für die Klägerin „neu“ ist und dies seien die in der Eröffnungsbilanz nach § 242 Abs. 1 HGB enthaltenen Positionen, mit denen die neu gegründete Klägerin erstmals ihre Unternehmenstätigkeit unter Abstützung auch auf die – für sie selbst – neuen Ressourcen aufnahm.

Einordnung und Bewertung

Mit diesem wie auch mit dem im Parallelverfahren ergangenen Urteil des VG Frankfurt a. M. (Urt. v. 11. Mai 2021 – 5 K 2097/18.F.) verfestigt sich die Rechtsprechung des VG Frankfurt zu der Frage, welche Anforderungen an die Neugründung eines Unternehmen nach dem EEG zu stellen sind. Dies bringt Rechtssicherheit und ist daher zu begrüßen.

Auch in der Sache überzeugt das Urteil. Der Wortlaut des § 64 Abs. 4 Satz 6 EEG 2014 gebietet eine bilanzrechtlich geprägte Auslegung. Das vom BAFA favorisierte Verständnis des Wortes „neu“ als „ fabrikneu“ ist, wie das Gericht zutreffend feststellt, nicht normiert. Dabei hätte der Gesetzgeber für eine entsprechende Normierung inzwischen ausreichend Gelegenheit gehabt. Die EEG-Novellen 2017 und 2021 enthalten jedoch gerade keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber „Fabrikneuheit“ meint.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass sich die Rechtsprechungslinie zur Neugründungsdefinition auch unter dem EEG 2021 weiter festigen wird. Zwar hat sich der Wortlaut in § 64 Abs. 6 Nr. 2a EEG 2021 gegenüber § 64 Abs. 4 Satz 6 EEG 2014 vom „Anlage- und Umlaufvermögen“ hin zum „Sachanlagevermögen“ leicht geändert. Jedoch handelt es sich beim Sachanlagevermögen ebenso offensichtlich um einen bilanzrechtlichen Begriff (vgl. § 266 Abs. 2 HGB). Die Rechtsauffassung des BAFA, wie sie im Merkblatt für stromkostenintensive Unternehmen 2021 (Seite 73) noch formuliert wurde, ist daher nicht mehr haltbar.

Autor*innen

Tarek Abdelghany
Tel: +49 69 967 65 1613

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.