An verschiedenen Standorten betriebene Photovoltaikanlagen einer jPöR sind u.U. als einheitlicher BgA anzusehen

FG Münster, Urteil vom 21. April 2021 – 13 K 3663/18 K, G

Das Finanzgericht (FG) Münster hat jüngst entschieden, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) an verschiedenen Standorten betriebenen Photovoltaikanlagen jedenfalls dann als einheitlichen Betrieb gewerblicher Art (BgA) i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zu behandeln, wenn sie unter einer einheitlichen Leitung verwaltet und als eigenständiger Geschäftskreis geführt werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Gemeinde und als solche eine jPöR. Sie betreibt sechs Photovoltaikanlagen, die sich auf dem Dach eines städtischen Bauhofes sowie auf den Dächern verschiedener Schulen und den Dächern eines Feuerwehrhauses befinden.

Die Klägerin ging davon aus, dass es sich bei den sechs Photovoltaikanlagen jeweils um selbstständige BgA i. S. v. § 4 Abs. 1 KStG handelte, und reichte für jede Anlage gesondert eine Körperschaftsteuererklärung jeweils unter Berücksichtigung des Freibetrags gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 KStG ein. Die Bescheide wurden erklärungsgemäß erlassen. Gewerbesteuererklärungen reichte die Klägerin zunächst nicht ein, da der jeweils abgerundete Gewerbeertrag den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG nicht überstieg.

Nach einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt (FA) geänderte Bescheide für einen „BgA Photovoltaik“. Zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wurden nunmehr die von der Klägerin jeweils gesondert für die Photovoltaikanlagen erklärten Gewinne addiert; der Freibetrag gem. § 24 KStG wurde hiervon lediglich einmalig abgezogen. Außerdem erließ das FA Gewerbesteuermessbetragsbescheide; den Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG berücksichtigte es ebenfalls nur einmal.

Die dagegen erhobenen Einsprüche der Gemeinde wurden als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte das FA aus, dass die Photovoltaikanlagen als ein einheitlicher BgA anzusehen seien. Der Betrieb der sechs Photovoltaikanlagen betreffe denselben Gewerbezweig; die Stromlieferungen erfolgten an dasselbe Versorgungsunternehmen. Auch die Verwaltung, Abrechnung und Buchführung erfolge durch dieselbe Abteilung.

Die Gemeinde erhob Klage und ist der Auffassung, dass die Photovoltaikanlagen jeweils einen gesonderten BgA i. S. v. § 4 Abs. 1 KStG darstellten.

Entscheidung des FG

Die von der Klägerin betriebenen Photovoltaikanlagen sind als einheitlicher BgA i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i.V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zu qualifizieren, weil sie als eine einheitliche Einrichtung anzusehen sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Einrichtung jede funktionelle Einheit, die sich von dem sie organisatorisch tragenden Hoheitsbetrieb als gesonderte selbstständige Betätigung abgrenzen lässt, im Rahmen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Erzielung von Einnahmen dient und geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinträchtigen.

Eine funktionelle Einheit kann sich nach allgemeiner Auffassung z.B. aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben. Verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten einer juristischen Person sind nach Auffassung der Finanzverwaltung dann als Einheit zu behandeln, wenn dies der Verkehrsanschauung entspricht (R 4.1 Abs. 3 Satz 3 KStR 2015).

Die Qualifikation der Photovoltaikanlagen als funktionelle Einheit ist aus folgenden Gründen auch dann geboten, wenn die Photovoltaikanlagen auf verschiedenen Gebäuden angebracht sind und technisch unabhängig voneinander funktionieren:

  • Die Photovoltaikanlagen stehen unter einer einheitlichen Leitung und werden durch dieselbe Stelle gebündelt verwaltet;
  • die Photovoltaikanlagen werden in der Buchführung der Klägerin zusammengefasst dargestellt und in den Jahresberichten als eigenständiger Geschäftskreis geführt;
  • der Begriff der funktionellen Einheit setzt nach allgemein anerkanntem Verständnis nicht voraus, dass die vorhandenen Betriebsvorrichtungen zusätzlich in räumlicher bzw. technischer Hinsicht eine Einheit bilden;
  • angesichts der Gleichartigkeit der wirtschaftlichen Betätigung und ihrer organisatorischen Zusammenfassung erscheint die Annahme, dass es sich bei den sechs Photovoltaikanlagen um eigenständige BgA handelt, gekünstelt.

Rechtliche Bedenken gegen die Qualifikation der Photovoltaikanlagen als einheitlicher BgA bestehen nicht.

Sie steht im Einklang mit den allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Grundsätzen zur Beurteilung einer Tätigkeit als ein einheitlicher Gewerbebetrieb oder als mehrere selbstständige Gewerbebetriebe. Diese Grundsätze lassen sich wegen der gesetzgeberischen Intention der steuerlichen Gleichbehandlung wirtschaftlicher Betätigungen von jPöR und Privatpersonen auf BgA übertragen.

Es entsteht kein Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG, nach der gleichartige BgA durch die Steuerpflichtigen zusammengefasst werden dürfen. Denn die Prüfung, ob ein einheitlicher und eigenständiger BgA i. S. d. § 4 Abs. 1 KStG vorliegt, ist der möglichen Zusammenfassung rechtlich eigenständiger BgA gem. § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG logisch vorgelagert und von dieser zu trennen.

Der Regelung des § 4 Abs. 6 KStG verbleibt auch ein hinreichender Anwendungsbereich, da Sachverhaltskonstellationen denkbar sind, in denen jPöR zwar mehrere gleichartige wirtschaftliche Betätigungen ausüben, diese jedoch wegen eines fehlenden wirtschaftlichen, organisatorischen oder finanziellen Zusammenhangs ungeachtet ihrer Gleichartigkeit zunächst als eigenständige BgA i. S. d. § 4 Abs. 1 KStG zu qualifizieren sind.

Schließlich darf mit Blick auf eine mögliche mehr[1]fache Inanspruchnahme der Freibetragsregelungen in § 24 KStG und § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG eine Aufspaltung einheitlicher BgA in ihre kleinsten denkmöglichen Bestandteile nicht grenzenlos gewährt werden. Falls den jPöR eine solche „Atomisierung“ ihrer wirtschaftlichen Betätigungen stets erlaubt wäre, hätte dies zur Folge, dass auch wirtschaftliche Betätigungen, mit denen ein Gewinn von insgesamt deutlich mehr als 5.000,00 € erzielt wird, in den Anwendungsbereich der Freibetragsregelungen fallen könnten. Es käme zu einer nicht mehr zu rechtfertigenden Besserstellung der jPöR gegenüber konkurrierenden Kapitalgesellschaften, die mit ihren Gewinnen in voller Höhe der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des FG hat Einfluss auf die mögliche „Atomisierung“ wirtschaftlicher Betätigungen von jPöR. Für die Beurteilung, ob mehrere eigenständige oder ein einheitlicher BgA vorliegen, kommt es nicht allein auf einen räumlichen Zusammenhang der wirtschaftlichen Tätigkeiten an. Maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild, welches auch die organisatorische und personelle Verwaltung der Tätigkeiten sowie buchhalterische Aspekte mit in den Blick nimmt.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.