„Clean-Vehicles-Directive“: Deutscher Bundestag beschließt das „SaubFahrzeugBeschG“

Betreiber und Aufgabenträger des ÖPNV in der Vorreiterrolle

Ja, die sprachlichen Begrifflichkeiten sind eine Herausforderung, hier zur Auflösung: Der Deutsche Bundestag hat am 7. Mai 2021 die Umsetzung der „Clean-Vehicles-Directive“-Richtlinie (Richtlinie EU 2019/1161) in nationales Recht beschlossen (BT-Drucksache 19/27657). Die EU-Richtlinie verfolgt bekanntlich das Ziel, durch die Vorgabe von Quoten und Anforderungen an die Fahrzeugbeschaffung die Luftqualität in den Städten zu verbessern und einen Nachfrageimpuls für die Entwicklung und Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge zu setzen.

Verabschiedet wurde durch den Bundestag nunmehr das „Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge“ (SaubFahrzeugBeschG). Daneben waren vergaberechtliche Vorschriften im Bereich der Vergabeverordnung (§ 68 VgV) sowie der Sektorenverordnung (§ 59 SektVO), deren Regelungsgehalt wegen der Umsetzung der europäischen Richtlinie obsolet geworden ist, aufzuheben. Folgende Aspekte der gesetzlichen Neuregelung möchten wir hervorheben:

  • Das SaubFahrzeugBeschG (ja, dies ist die amtliche Abkürzung!) regelt Mindestziele bei der Beschaffung bestimmter Straßenfahrzeuge und Dienstleistungen, für die diese Straßenfahrzeuge von öffentlichen Auftraggebern und Sektorenauftraggebern beschafft und eingesetzt werden (vgl. § 3 SaubFahrzeugBeschG). Die neuen Vorschriften gelten für ein breites Spektrum von Dienstleistungen, so z. B. für den Personenverkehr, die Abfallentsorgung sowie für Post- und Paketzustelldienste. Es existieren eine Reihe von Ausnahmen vom Anwendungsbereich (vgl. § 4 SaubFahrzeugBeschG).
  • Für die Verkehrsunternehmen ist insbesondere relevant, dass Reisebusse (bis auf Weiteres) nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2019/1161 unterfallen. Der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen ist ebenfalls CVDkonform, weshalb Dieselbusse, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, zur Erfüllung der Quote emissionsarmer Fahrzeuge beitragen können.
  • Soweit die EU für nach dem 2. August 2021 eingeleitete Wettbewerbs- und Vergabeverfahren gestaffelte Mindestziele für die öffentliche Auftragsvergabe bei der Beschaffung und den Einsatz von bestimmten „sauberen“ leichten und schweren Nutzfahrzeugen festgelegt und die Zielvorgaben an Referenzzeiträume gebunden hat (Jahre 2021 bis 2025 und 2026 bis 2030), regeln nunmehr §§ 5 und 6 SaubFahrzeugBeschG die Festlegung und Berechnung dieser Mindestziele für und innerhalb Deutschlands. Die Mindestziele werden ausgedrückt als Mindestprozentsatz sauberer leichter bzw. schwerer Nutzfahrzeuge jeweils an der Gesamtzahl der im Referenzzeitraum beschafften Straßenfahrzeuge, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2019/1161 unterfallen.
  • Für den ÖPNV gilt (so der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, VDV), dass ab August 2021 für 45 Prozent der Neuausschreibungen bei Stadtlinienbussen alternative Energie- und Antriebskonzepte vorgesehen werden müssen und davon die Hälfte vollständig emissionsfrei sein muss. Ab 2026 erhöhe sich diese Quote auf 65 Prozent, was die öffentlichen Verkehrsmittel zum Vorreiter bei der Nutzung alternativer Antriebe im Verkehrssektor mache.
  • Öffentliche Auftraggeber und die Sektorenauftraggeber haben bei der Beschaffung die nach § 6 SaubFahrzeugBeschG festgelegten Mindestziele „insgesamt“ einzuhalten. Die Erfüllung der von Deutschland einzuhaltenden Mindestziele bzw. die „Bundesquote“ ist in ganz wesentlichem Maße durch die Bundesländer sicherzustellen und zu überwachen. Die Länder können dabei zulassen, dass öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber die für den jeweiligen Referenzzeitraum festgelegten Mindestziele nicht einhalten müssen, wenn diese Ziele durch andere öffentliche Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber übererfüllt werden. Jedes Bundesland muss die Mindestziele nach § 6 für sich insgesamt einhalten, wobei zur Quotenerfüllung jedoch ein Zusammenwirken aufgrund von Vereinbarungen zwischen einzelnen Ländern erlaubt ist. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Bundesländer Branchenvereinbarungen zur Erfüllung der vorgegebenen Mindestquoten schließen und landesrechtliche Verwaltungsvorschriften erlassen werden. Der Bund wird seinerseits Verwaltungsvorschriften für die öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber des Bundes erlassen (§ 7 Abs. 2 SaubFahrzeugBeschG).

Insbesondere auf der Ebene der Bundesländer sind auch nach der jüngsten Bundesgesetzgebung noch weitere Umsetzungsregelungen zu erwarten, damit die Clean-Vehicles-Directive bzw. das SaubFahrzeugBeschG letztendlich den Praxistest bestehen kann. Die Mindestzielvorgaben bedeuten den verpflichtenden Einstieg in eine technische „Antriebswende“, die insbesondere den ÖPNV-Sektor (be-)trifft.

Viel stärker als bspw. die durch Kommunalabgaben finanzierten Aufgabenbereiche der Städte und Landkreise (z. B. die kommunale Abfallwirtschaft) sehen die ohnehin durch Covid-19-Einnahmeausfälle belasteten Verkehrsunternehmen weiteren Herausforderungen entgegen. Da die „Antriebswende“ nach allgemeiner Einschätzung ohne „Mobilitätswende“ allein nicht ausreichend sein dürfte, um die klimapolitischen Zielsetzungen für den Verkehrssektor zu erfüllen, besteht zusätzlicher Investitionsbedarf.

Eine nachhaltige Fahrzeugförderung stellt deshalb eine wirtschaftliche Grundbedingung für die Branche dar. Für die lokalen ÖPNV-Aufgabenträger und Betreiber des ÖPNV wird die Quadratur des Kreises zur Daueraufgabe, wenn es darum geht, aus den vorhandenen Mitteln das bestmögliche ÖPNV-Angebot zu machen.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.