Videokonferenzen in der kommunalen Praxis

In Zeiten zunehmender Einschränkungen bzgl. der Möglichkeit von Zusammenkünften von
Personen hat sich bereits im letzten Frühjahr auch für Kommunen und ihre Gremien die Frage gestellt, wie mitunter eilbedürftige Beschlüsse gefasst und Gremiensitzungen gesetzeskonform durchgeführt werden können. Diese Frage stellte sich insbesondere für Maßnahmen, die nicht unter die laufende Verwaltung fallen und die einer besonders zeitintensiven Befassung der Gemeinderäte und ihrer Mitglieder bedürfen.

Daher haben einzelne Innenministerien der Länder sowie Städte- und Gemeindebünde teilweise bereits im März 2020 Runderlasse und -schreiben an die Kommunen gerichtet, um deren Funktionsfähigkeit unter Einhaltung der kommunalrechtlichen Vorgaben sicherzustellen.

In einigen Bundesländern wurde dabei auch die Möglichkeit der Durchführung einer Gremiensitzung als Videokonferenz für zulässig erklärt. Die konkreten Anforderungen an solche Sitzungen, insbesondere im Hinblick auf die Herstellung der Öffentlichkeit, blieben dabei allerdings weitgehend unklar.

Wegen der andauernden Infektionslage haben mittlerweile einige Bundesländer die Videokonferenz als zulässige Sitzungsform in ihren Gemeindeordnungen geregelt, u. a.:

  • Niedersachsen: § 182 NKomVG
  • Schleswig-Holstein: § 35a GemO S-H
  • Sachsen: § 36a SächsGemO
  • Rheinland-Pfalz: § 35 Abs. 3 GemO R-P
  • Sachsen-Anhalt: § 56a KVG LSA
  • Brandenburg: § 4 BbgKomNotV

Baden-Württemberg ist dabei noch weitergegangen und hat in § 37a GemO BW die Durchführung von Gremiensitzungen als Videokonferenz auch dann zugelassen, wenn keine „schwerwiegende Lage“ gegeben ist und es sich um Gegenstände einfacher Art handelt.

Die Öffentlichkeit der Sitzungen soll meistens so sichergestellt werden, dass eine zeitgleiche Übertragung der Sitzung mit Bild und Ton in einem öffentlich zugänglichen Raum stattfindet (z. B. § 35a Abs. 5 GemO S-H, § 37a Abs. 1 Satz 4 GemO BW, § 56a Abs. 2 Satz 5 KVG LSA, § 36a Abs. 2 SächsGemO). Teilweise wird gefordert, dass der Öffentlichkeit die Teilnahme „auf elektronischem Weg“ ermöglicht wird (vgl. § 35 Abs. 3 GemO R-P), eine Echtzeitübertragung oder vergleichbare Einbindung der Öffentlichkeit über das Internet stattfindet (vgl. § 35a Abs. 5 GemO S-H) oder – sollte eine Teilnahme der Öffentlichkeit nicht möglich sein – das entsprechende Sitzungsprotokoll veröffentlicht wird (vgl. § 182 Abs. 2 Satz 3 NKomVG).

Daneben haben die Landesgesetzgeber die Möglichkeiten zur Durchführung von Umlaufverfahren erweitert: In Nordrhein-Westfalen wurde ein neuer § 15b Abs. 1 in das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit eingeführt, der für eilbedürftige Angelegenheiten bei Feststellung einer epidemischen Lage von besonderer Reichweite das Umlaufbeschlussverfahren für Zweckverbände für zulässig erklärt. In anderen Bundesländern wurde die Möglichkeit der Beschlussfassung im Umlaufverfahren auch in die Kommunalverfassungen übernommen (vgl. bspw. § 182 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NKomVG, § 35 Abs. 3 GemO R-P, § 56a Abs. 3 KVG LSA).

Die Videokonferenz wird – jedenfalls für bestimmte Beschlussgegenstände – zukünftig für die Arbeit kommunaler Gremien relevant sein.

Anwendung auf kommunale Gesellschaften

Die dargestellten Erleichterungen für die Durchführung einer Videokonferenz können nicht ohne Weiteres auf die kommunalen Gesellschaften und ihre Gremien (Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung) angewendet werden. Hier ist zuerst das Gesellschaftsrecht (GmbH und AktG) zu beachten. Danach wird grundsätzlich von der Durchführung einer Präsenzveranstaltung ausgegangen. Bislang war die Durchführung einer Sitzung als Videokonferenz aber schon dann zulässig, wenn dies im jeweiligen Gesellschaftsvertrag (in Übereinstimmung mit den jeweils anzuwendenden kommunalrechtlichen Anforderungen) geregelt war.

Bestand eine solche Regelung nicht, ist der BGH der Ansicht, dass eine Beschlussfassung in einer Video- (oder Telefon-)Konferenz ohne Verankerung im Gesellschaftsvertrag selbst dann unzulässig sein soll, wenn alle Gesellschafter oder Aufsichtsratsmitglieder dem zugestimmt haben.

Dies führte dazu, dass im letzten Jahr zahlreiche Gesellschaftsverträge auf das Erfordernis der Durchführung einer Gremiensitzung als Videokonferenz modifiziert und ergänzt worden sind.

Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren aber ist und war (bei Einstimmigkeit der Organmitglieder) stets zulässig. Durch das Maßnahmengesetz vom 27. März 2020 (CoronaG) ist das Erfordernis der Einstimmigkeit in Bezug auf das Umlaufverfahren vorerst entfallen.

Daher lässt sich eine Gremien- bzw. Organsitzung einer kommunalen GmbH als Videokonferenz so durchführen, dass die Organmitglieder in einer Videokonferenz über die Beschlussgegenstände beraten und im Anschluss eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren erfolgt. So kann bei Bedarf z. B. auch eine geheime Abstimmung ermöglicht werden, ohne die technischen Voraussetzungen dafür schaffen zu müssen.

Mazars berät bei kommunalrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen.