Bundesgerichtshof: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur eingeschränkt der AGB-Kontrolle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 2. September 2021 (Az. III ZR 63/20) entschieden, dass ärztliche Aufklärungsformulare gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur einer eingeschränkten Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen.

Im Fall ging es um einen Verband von Augenärzten, der seinen Mitgliedern die Verwendung eines Patienteninformationsblatts empfiehlt. In diesem werden die Patienten zunächst darüber aufgeklärt, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr besteht, dass sich ein Glaukom (sog. Grüner Star) entwickelt, ohne dass frühzeitig Symptome auftreten. Deshalb werde eine – allerdings von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlte – Früherkennungsuntersuchung angeraten. Das Formular enthält anschließend folgende Passage:

„Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“

Darunter hat der Patient die Möglichkeit, die Erklärungen „Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom)“ oder „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“ anzukreuzen. Schlussendlich sind die Unterschriften des Patienten und des Arztes vorgesehen.

In dem Verfahren, das dem Urteil zugrunde liegt, war dieser Verband von Augenärzten der Beklagte.

Der klagende Verbraucherschutzverband trägt vor, dass die Erklärung, die Patienteninformation gelesen zu haben und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten sei, eine nach § 309 Nr. 12 Halbsatz 1 Buchst. b BGB unzulässige Tatsachenbestätigung darstellt. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung dieser Klausel (ggf. mit dem Zusatz „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“) zu empfehlen.

Der Leitsatz des BGH-Urteils lautet:

„Formulare, die eine ärztliche Aufklärung und die Entscheidung des Patienten, ob er eine angeratene Untersuchung vornehmen lassen will, dokumentieren sollen, unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht einer Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB, da für die ärztliche Aufklärung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte eigenständige Regeln gelten, die auch das Beweisregime erfassen.“

Nach der Entscheidung des BGH ist die angegriffene Klausel nicht gemäß § 307 Abs. 1 und 2, § 308 oder § 309 BGB unwirksam. Sie weicht nicht von Rechtsvorschriften ab, so dass eine Inhaltskontrolle nach diesen Bestimmungen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht stattfindet. Das vom Beklagten empfohlene Informationsblatt unterrichtet die Patienten über das Risiko eines symptomlosen Glaukoms und über die Möglichkeit einer (auf eigene Kosten durchzuführenden) Früherkennungsuntersuchung. Die streitige Klausel dient der Dokumentation der hierüber erfolgten Aufklärung und der Entscheidung des Patienten, ob er die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchte.

In seiner Pressemitteilung (www.bundesgerichtshof.de) hält der BGH fest:

„Für die ärztliche Aufklärung gelten durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte eigenständige Regeln, die auch das Beweisregime erfassen. Hiernach können unter anderem die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt herangezogen werden. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für den Inhalt der dem Patienten erteilten Aufklärung stellt – in positiver wie auch in negativer Hinsicht – insbesondere ein dem Patienten zur Verfügung gestelltes oder von diesem unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular dar. Dem Umstand, dass es sich um formularmäßige Mitteilungen, Merkblätter oder ähnliche allgemein gefasste Erklärungen handelt, hat der Bundesgerichtshof dabei jeweils keine einer Beweiswirkung entgegenstehende Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat er auf die Vorteile vorformulierter Informationen für den Patienten hingewiesen und diesen selbst dann einen Beweiswert beigemessen, wenn sie nicht unterschrieben sind. An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 angeknüpft.

In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags fügt sich die angegriffene Klausel ein, so dass sie mit der Rechtslage übereinstimmt.“

Das vollständige Urteil ist einsehbar unter:
www.juris.bundesgerichtshof.de

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Autor

Dr. Hans-Martin Dittmann
Tel: +49 30 208 88 1447

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 4-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.