Der Europäische Gerichtshof präzisiert die Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiung für private Krankenhausbetreiber

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Vorabentscheidungsverfahren vom 07. April 2022 bestätigt, dass Privatkliniken sich auf eine Umsatzsteuerbefreiung des Unionsrechts berufen können. Dabei hat der EuGH präzisiert, unter welchen Voraussetzungen sich private Krankenhausbetreiber auf das Unionsrecht stützen können (EuGH-Urteil v. 07. April 2022 – C-228/20).

I. Hintergrund

Das nationale Umsatzsteuergesetz sah bis zum 31. Dezember 2019 keine Umsatzsteuerbefreiung für private Krankenhausbetreiber vor. Dazu hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 2014 entschieden, dass sich private Krankenhausbetreiber auf eine Steuerbefreiungsnorm für Krankenhausbehandlungen im Unionsrecht berufen können. Voraussetzung für die Anwendung der unionsrechtlichen Vorschrift ist, dass die Privatklinik unter Bedingungen tätig ist, die mit denjenigen einer Einrichtung des öffentlichen Rechts sozial vergleichbar ist. Die Prüfung dieser Voraussetzung hat sich in der Praxis als schwierig erwiesen.

Folglich können sich private Krankenhausbetreiber nach dem Bundesfinanzhof bis zum 31. Dezember 2019 auf die Umsatzsteuerbefreiung des Unionsrechts berufen. Seit dem 01. Januar 2020 sieht nun auch das nationale Umsatzsteuergesetz eine Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken vor.

II. Sachverhalt

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte darüber zu entscheiden, ob sich die Privatklinik für Krankenhausbehandlungen (vor dem 01. Januar 2020) auf eine Umsatzsteuerbefreiung des Unionsrechts berufen kann. Dazu hat sich das Finanzgericht im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH mit zwei Vorlagefragen gewendet, um festzustellen, ob der Auffassung des Bundesfinanzhofs zu folgen ist.

Sinngemäß wurden folgende Fragen gestellt:

  1. Vorlagefrage: Können sich Privatkliniken für Krankenhausbehandlungen vor dem 01. Januar 2020 auf die Umsatzsteuerbefreiung des Unionsrechts berufen?
  2. Vorlagefrage: Wenn die erste Vorlagefrage mit Ja beantwortet wird – unter welchen konkreten Voraussetzungen können sich Privatkliniken auf das Unionsrecht berufen?

III. Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat in seiner aktuellen Entscheidung die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:

  • Das deutsche Recht war unionsrechtswidrig, weil im nationalen Recht bis zum 31. Dezember 2019 keine Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken bestand. Daher können sich Privatkliniken bis zum 31. Dezember 2019 auf das Unionsrecht berufen.
  • Die Voraussetzung „sozial vergleichbare Bedingung“ hat der EuGH mit weiteren Kriterien präzisiert:
  • Kriterien, die für öffentlich-rechtliche Krankenhäuser gelten und das Ziel haben, die Kosten der Heilbehandlung zu senken und dem Einzelnen eine qualitativ hochwertige Behandlung zugänglicher zu machen, können herangezogen werden.
  • Die Berechnungen der Tagessätze in der Privatklinik können mit den Berechnungen der Tagessätze in öffentlich-rechtlichen Kliniken verglichen werden.
  • Die Vergleichbarkeit der Kosten der Patient*innen in einer Privatklinik mit den Kosten der Patient*innen in öffentlichen Einrichtungen können entscheidend sein.
  • Die Leistungsfähigkeit des privaten Krankenhauses in Sachen Personal, Räumlichkeiten und Ausstattung sowie die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung können berücksichtigt werden, wenn die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser vergleichbaren Betriebsführungsindikatoren unterliegen und diese der Kostensenkung und einer qualitativ hochwertigen Heilbehandlung dienen.

IV. Zusammenfassung

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Unionsrechts auf Privatkliniken vor dem 01. Januar 2020 ändert sich für die Zukunft nichts. Besonderes Augenmerk ist auf die Präzisierung der Voraussetzungen zu setzen. Oft kam es zwischen der Finanzverwaltung und privaten Krankenhausbetreibern zu Unstimmigkeiten, ob das Unionsrecht anwendbar ist. Nun hat der EuGH für die Anwendbarkeit einige Kriterien aufgestellt, an denen man sich in der Praxis orientieren kann.

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Autor:

Alexander Becker
Tel: + 49 30 208 88 1212

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.